Hamilton: "Ein Rennen nach dem anderen"
McLaren-Fahrer Lewis Hamilton über den Kurs in Hockenheim, die Führung in der Formel-1-Rangliste und die knifflige Situation bei Red Bull
(Motorsport-Total.com) - Eigentlich müsste Lewis Hamilton mit dem bisherigen Saisonverlauf hochzufrieden sein, denn der britische Rennfahrer belegt nach zehn absolvierten Grands Prix den ersten Platz in der WM-Tabelle. Vor dem Großen Preis von Deutschland stapelt Hamilton aber bewusst tief und schiebt Red Bull die Favoritenrolle zu. In seiner Medienrunde gibt der 25-Jährige Auskunft darüber, weshalb er auch mit Ferrari rechnet und warum ein "Flügelstreit" bei seinem McLaren-Team völlig undenkbar wäre.

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Lewis Hamilton durfte in dieser Saison bereits mehrfach Siegersekt versprühen
Frage: "Lewis, wie gefällt die der Hockenheimring?"
Lewis Hamilton: "Ja, sehr sogar. Ich hatte hier in der Vergangenheit schon einige tolle Rennen. 2008 hatte ich ein großartiges Jahr und der WM-Lauf in Hockenheim lief prima für mich. Damals war aber das Wetter ein bisschen besser (lacht; Anm. d. Red.). Das wechselt halt von Jahr zu Jahr. In Silverstone regnet es manchmal ja ebenfalls. Nun haben wir das schlechte Wetter eben hier. 2010 scheint Hockenheim an der Reihe zu sein."#w1#
Frage: "Welche Kurven sind auf dieser Strecke besonders geeignet, um Überholmanöver zu wagen?"
Hamilton: "Kurve eins und Kurve zwei sind sehr wichtig. Vor allem bei letzterer solltest du einen guten Ausgang erwischen, damit du dich auf der Gegengeraden in den Windschatten deines Vordermannes setzen kannst. Kurve sechs ist wohl der beste Platz, um zu überholen. Die Passage vor der Mercedestribüne ist zwar auch wichtig, doch die Haarnadel eignet sich am besten für ein Manöver."
Frage: "Du kommst als WM-Führender nach Hockenheim. Wie zuversichtlich bist du, dass du nach dem Rennen noch immer an der Tabellenspitze liegst?"
Hamilton: "Ganz ehrlich: Darüber habe ich mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich reise nicht mit dem Ziel an eine Rennstrecke, nach dem Wochenende vorne zu liegen. Ich komme an die Strecke und will gewinnen."
"Das ist mein Ziel und das würde freilich auch bedeuten, dass ich nach Hockenheim noch immer der WM-Führende wäre. An diesem Wochenende geht es wohl in erster Linie um Konstanz. Ich muss jede Gelegenheit beim Schopfe machen und das Potenzial maximal ausnutzen. Wenn ich an meine bisherigen Leistungen anknüpfen kann, dann gibt es keinen Grund, weshalb wir nicht als Führende wieder abreisen sollten."
Frage: "Wir haben die Saisonhälfte erreicht. Wie möchtest du deine aktuelle WM-Führung im weiteren Jahresverlauf in deinen zweiten Titelgewinn ummünzen?"
Hamilton: "So weit schaue ich nicht voraus. Ein Rennen nach dem anderen."¿pbvin|512|2941|inside|0|1pb¿
McLaren profitiert von den Fehlern der Konkurrenz
Frage: "Es muss dir doch aber sicherlich einiges an Zuversicht für die kommenden Rennen verleihen, dass du die Meisterschaft anführst, obwohl du vielleicht nicht im besten Auto sitzt?"
Hamilton: "Das verschafft mir keinen Optimismus. Es zeigt einfach nur, dass wir als Team einen guten Job gemacht haben."
"Wir konnten von den Fehlern und den Problemen der anderen profitieren. Andererseits ist es uns auch gelungen, unser bisheriges Potenzial zu maximieren. Darauf bin ich sehr stolz. Was das für die Zukunft bedeutet, kann ich nicht sagen. Solange wir aber in dieser Richtung weitermachen, sollten wir uns in einer guten Position befinden."
Frage: "Fühlst du dich wohl an der Tabellenspitze oder machst du dir ein paar Sorgen?"
Hamilton: "Weshalb sollte ich mir Sorgen machen? Ich mache mir keine Sorgen. Über diese Dinge denke ich gar nicht nach."
"Ich reise einfach nur an, erledige meine Arbeit und schufte so hart wie möglich. Wenn ich alles in meiner Macht stehende getan habe, um vorbereitet zu sein, dann muss ich mir keine Sorgen machen. Anschließend passiert alles Weitere, wie es eben passieren soll. Es gibt für alles einen Grund."
Frage: "Wie lautet deine Halbzeitbilanz?"
Hamilton: "Bislang hat mir die Saison sehr viel Spaß gemacht. Bezogen auf mich persönlich war es vielleicht nicht das allerbeste Jahr überhaupt, doch im Hinblick auf das Rennfahren bin ich nach wie vor mit vollem Einsatz am Start. Mir macht es großen Spaß, auf der Strecke unterwegs zu sein, und auch die Arbeit mit dem Team ist klasse."
"Ich bin nun schon im vierten Jahr hier und es ist einfach klasse, noch immer diese Spannung und Entschlossenheit zu verspüren. Die Saison hat recht harzig für mich begonnen. Manches lief nicht gerade für mich. Seither habe ich mich gemeinsam mit den Jungs schwer ins Zeug gelegt und konnte eine Beziehung zu den Ingenieuren aufbauen."
"Meine Beziehung zu den Mechanikern ist stärker denn je. Ich versuche einfach, noch mehr über die Leute in der Fabrik und deren Arbeit herauszufinden. Ich würde sagen, dass es bislang ein großartiges Jahr war. Ich hoffe, es wird noch besser - sowohl auf als auch abseits der Strecke."
Erfahrung ist eine große Hilfe
Frage: "Bist du in diesem Jahr mehr gewachsen als in den Jahren zuvor?"
Hamilton: "Keine Ahnung. Ich denke, vor deinem Geburtstag hast du immer ein solches Gefühl. Durch gewisse Situationen spürst du aber regelrecht, dass du daran wächst. Ich fühle mich noch immer jung."
"Gleichfalls habe ich den Eindruck, noch sehr viel lernen zu müssen. Als Youngster wünschst du dir natürlich immer, sofort den großen Wissensschatz und die Erfahrungswerte zu haben. So ist es aber nicht. Das braucht seine Zeit. Das musst du akzeptieren. Es geht einfach darum, sich weiteres Wissen anzueignen und neue Erfahrungen zu machen."
Frage: "Ist es aus diesem Grund besonders wichtig, in diesem Jahr nicht in ein solches Loch zu fallen, wie es Ferrari und Fernando Alonso zuletzt passiert ist? Spielt da auch die Erfahrung eine Rolle?"
Hamilton: "Vielleicht im Unterbewusstsein. Generell helfen dir dein Wissen und deine Erfahrung natürlich dabei, solche Situationen zu meistern. In diesem Jahr ist es aber nicht viel anders als sonst."
"Je konstanter du bist, umso einfacher ist es, den Titel zu holen. Als Team strebst du natürlich immer eine einhundertprozentige Zuverlässigkeit an. Es geht darum, in jedem Rennen ins Ziel zu kommen. Sowohl Jenson und als auch ich hatten bereits jeweils einen Ausfall. Ich hoffe, dabei bleibt es. Wir arbeiten sehr hart daran, um die Zuverlässigkeit möglichst gut zu halten."
Frage: "Muss man erst einmal in eine Saison hineinfinden? Wenn du die Chance hast, zu gewinnen, dann siegst du. Wenn Red Bull schneller ist, holst du die maximal möglichen Punkte..."
Hamilton: "Ich denke nicht. In der Formel 3, in der Formel Renault oder auch in der GP2 war ich von Anfang an richtig gut unterwegs."
"Zum Saisonstart bin ich immer bereit. Manchmal wirst du aber auch nur von gewissen Dingen überrascht. Die neuen Regeln haben uns alle etwas überrascht. Das ist zwar schade, aber so läuft der Hase im Motorsport. Dafür leben wir. Und die jüngsten Ergebnisse bestätigen es: Wir werden immer besser und besser."
Ist Ferrari in Hockenheim siegfähig?
Frage: "Wie zuversichtlich bist du, dass dein Team den auspuffangeströmten Diffusor an diesem Wochenende zum Arbeiten bringt?"
Hamilton: "Von sich selbst zu sagen, 'zuversichtlich' zu sein, ist sehr schwierig. Ich kann nur sagen: Die Jungs in der Fabrik haben wie immer mit Hochdruck daran gearbeitet. Sie haben sich schwer bemüht, um herauszufinden, was in Silverstone schief lief. Anschließend ging es darum, eine Lösung für dieses Problem zu suchen."
"Vor unserer Anreise nach Hockenheim wussten wir, dass das keine schnelle Lösung sein würde. Es braucht eine Weile, um diese Sache zu perfektionieren. Hier werden wir eine Verbesserung im Vergleich zu Silverstone haben. Noch wissen wir aber nicht, ob wir das volle Potenzial entfalten können, das wir im Windkanal gesehen haben. Mit jeder Ausfahrt lernst du mehr dazu."
Frage: "Das Wetter könnte sich auch am Freitag recht regnerisch gestalten. Könnt ihr eure Tests bei Regen überhaupt ordentlich durchführen?"
Hamilton: "Der Regen macht die ganze Geschichte kniffliger. Man muss sich nur einmal China anschauen: Andere Teams waren im Nassen nicht ganz so stark wie wir. Da fragt man sich natürlich schon, wie man das alles angehen soll."
Frage: "Wie werdet ihr dieses Wochenende also angehen?"
Hamilton: "Das werdet ihr schon sehen!"
Frage: "Seid ihr die einzigen, die Red Bull schlagen können?"
Hamilton: "Ich denke nicht. Ferrari hatte in der Vergangenheit ein bisschen Pech. Wenn die Dinge einmal für sie laufen, sollte Ferrari auch sehr, sehr schnell sein. Sie sollten mit Red Bull und uns kämpfen können."
"Mercedes arbeitet zwar hart daran, den Rückstand wettzumachen, doch ich rechne viel eher damit, dass es sich zwischen den drei genannten Teams abspielen wird. Red Bull und wir leisten die beste Arbeit. Wir haben unseren Job noch ein bisschen besser gemacht, deswegen sind wir vorne. Red Bull hat möglicherweise das schnellste Auto. Ferrari liegt vielleicht auf Rang zwei und wir sind das drittschnellste Team."
"Sicher wissen tun wir das aber nicht. In Bezug auf die reine Geschwindigkeit sind wir jedenfalls nicht so schnell wie diese Teams. Es ist uns aber gelungen, insgesamt die bessere Arbeit zu machen. Wir haben uns viel weniger Fehler geleistet und konnten vor allem bei unseren Aufholjagden noch viele wichtige Punkte abgreifen."
Hamilton: Kein "Flügelstreit" bei McLaren
Frage: "Bei Red Bull dreht sich derzeit alles um die Flügelaffäre und dergleichen. Bei McLaren verläuft indes alles in geordneten Bahnen. Habt ihr aus der Vergangenheit gelernt?"
Hamilton: "Das Team arbeit einfach nur gut. Das ist wie in jeder anderen Beziehung auch. Hin und wieder läuft alles schlichtweg prima, manchmal stellt sich Harmonie aber nur sehr schwer ein. In diesem Jahr haben wir es wohl einfach gut erwischt."
Frage: "Wie siehst du die Situation um den Frontflügel? Wärst du an Mark Webbers Stelle gewesen, hättest du ähnlich reagiert?"
Hamilton: "Man kann sich nicht so einfach in andere Leute hineinversetzen und Auskunft darüber geben, wie man sich fühlen würde. Ich kann nur sagen: So etwas würde es bei mir nicht geben. In unserem Team würde es aber auch erst gar nicht so weit kommen."
"Jenson und ich haben eine gesunde Rivalität und können darauf vertrauen, exakt die gleichen Autos zu haben. Sollten wir tatsächlich einmal nur zwei neue Teile haben und meines würde kaputt gehen, dann würde ich mich sicherlich nicht beschweren und verlangen, dass man sein Bauteil bei mir anschraubt. Das würde sich für mich nicht richtig anfühlen."
Frage: "Was sagt dir deine Erfahrung: Können sich die beiden Red-Bull-Fahrer noch einmal zusammenreifen oder gibt es aus ihrer Situation kein Zurück mehr?"
Hamilton: "In jeder Beziehung kannst du deine Probleme lösen. Ich weiß aber gar nicht, ob da überhaupt was am Laufen ist."
"Die Medien nehmen immer nur an, dass da etwas los ist. Zwischen Fernando und mir gab es damals nichts. Das ist einfach der Wettbewerb, denn du willst den anderen natürlich schlagen. Das muss ja nicht heißen, dass man den anderen nicht mag. Ich möchte eigentlich nicht allzu sehr darauf eingehen."

