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Hall: F1 trotz Fahrerhilfen Königsklasse des Motorsports
Die Elektronikingenieurin von Toyota über ihre Arbeit an Olivier Panis Einsatzauto und den Stellenwert der elektronischen Systeme
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist nach wie vor eine Männer-Domäne, doch für die Teams arbeiten natürlich auch Frauen. Eine von ihnen ist Gill Hall, die am Rennsonntag vom technischen Personal her die einzige Frau in der Startaufstellung ist.

© Toyota
Steht in der Formel 1 ihren Mann: Gill Hall
Die Engländerin, die nach ihrem Abschluss zunächst in der Raum- und Luftfahrtindustrie arbeitete, kam durch ihre Leidenschaft zum Motorsport in die Formel 1 und arbeitete zunächst im Testteam von Jaguar Racing, bevor sie Ende der Saison 2002 eine neue Herausforderung bei Toyota annahm, wo sie sich seither als elektronischer Systemingenieur um Olivier Panis Einsatzauto kümmert.
Im Interview verrät Gill Hall mehr über ihre Arbeit, die Bedeutung der elektronischen Systeme und wie sie in der von überwiegend männlichen Kollegen dominierten Sportart zurecht kommt.
Frage: "Gill, was ist dein Hauptaufgabe?"
Gill Hall: "Grundsätzlich besteht meine Aufgabe im Toyota-Team darin, sicher zu stellen, dass die Elektronik in Olivier Panis seinem Boliden korrekt funktioniert. Alle am Auto angebrachten Sensoren müssen korrekt kalibriert sein und ich muss dafür sorgen, dass die richtige Software geladen ist und dass das Lenkrad und die daran vorzunehmenden Einstellungen entsprechend funktionieren. Dabei müssen viele Dinge beachtet werden, wie zum Beispiel der Reifenumfang, der bei den Regenreifen, Trockenreifen und Intermediates ja unterschiedlich ist."
Frage: "Bedeutet das, dass du im Vorfeld kaum etwas tun kannst, bis du nicht über die genauen Bedingungen an jedem Tag Bescheid weißt?"
Hall: "Wir bereiten das Auto vor jedem Rennen in der Toyota-Motorsport-Fabrik in Köln vor und führen auch 50 Kilometer-Shakedowns durch, sodass wir mit dem Auto schon vor der Ankunft auf der Rennstrecke gefahren sind. Zum Zeitpunkt der Ankunft des Autos auf der Rennstrecke sollte dann so ziemlich alles vorbereitet sein. Anschließend übernehmen die Kontroll-Ingenieure das Tuning im Verlauf des Wochenendes. Ich bleibe über alles informiert und nehme Veränderungen vor wenn sie nötig sind."
Frage: "Wie schaut es aus bei Rennwochenenden wie auf dem Nürburgring und Magny-Cours, wo die Bedingungen im Freien Training nass und in der Qualifikation dann wieder anders waren, sind das schwierige Bedingungen?"
Hall: "Wir haben alles vorbereitet, was heißt, dass die gesamte Software vorbereitet ist um überspielt zu werden und für die Regenreifen, Trockenreifen und Intermediates haben wir alle Daten einprogrammiert. Im Grunde ist es nur eine einfache Einstellung die der Fahrer am Lenkrad vornehmen muss, um zwischen den verschiedenen Reifen zu unterscheiden. Während eines Rennwochenendes müssen wir aber elektronische Feinarbeiten vornehmen und die können sich über den Tag hinweg verändern."
Frage: "Bist du in die Datenanalyse einbezogen?"
Hall: "Was das Sicherstellen der korrekten Arbeit aller Dinge anbelangt, ja. Wenn etwas so ausschaut als wäre es nicht in Ordnung, dann werfen wir einen genaueren Blick darauf und versuchen herauszufinden was nicht richtig ist."
Frage: "Worin besteht der interessanteste Teil deines Jobs?"
Hall: "Da ich schon vor 11 Jahren ein Formel-1-Fan war ist das Interessanteste für mich natürlich hier dabei zu sein und mitzubekommen wie die Formel 1 wirklich funktioniert. Man sieht was passiert, denn als Zuschauer hat man keinen wahren Einblick in die umfangreiche Arbeit die hinter den Kulissen geleistet wird. In der Lage zu sein Veränderungen vorzunehmen die die Fahrzeugperformance betreffen und diese Auswirkungen zu erleben ist eine belohnende Sache, besonders für solch ein junges Team wie Toyota, denn die Lernkurve ist wirklich sehr steil."
Frage: "Was denkst du macht Toyotas Teilnahme in der Formel 1 so besonders?"
Hall: "Für mich ist es etwas Besonderes, denn alles was wir erreichen ist für uns neu. Jeder Punkt und jede gute Qualifikationsplatzierung zeigt den Fortschritt den das Team macht und welches Potenzial wir für zukünftige Erfolge besitzen."
Frage: "Was ist es für dich für ein Gefühl in einem so internationalen Team wie Toyota zu arbeiten?"
Hall: "Mit Leuten aus verschiedenen Ländern zu arbeiten ist großartig. Das Team besteht aus Mitarbeitern die aus 30 verschiedenen Nationen kommen und wenngleich wir alle unterschiedliche Temperamente haben und anders arbeiten, so sind es eben diese Unterschiede die es so interessant machen."
Frage: "Vermutlich bist du etwas voreingenommen, doch aus Sicht eines Fans, was hältst du von dem Einsatz so vieler elektronischen Systeme. Verhindern diese nicht das reine Rennfahren?"
Hall: "Ich persönlich denke, dass sie das tun und auch nicht tun. Ich denke, dass sich die Art des Rennfahrens dadurch nur verändert hat. Man fährt schließlich so wie es mit dem Auto das einem zur Verfügung steht möglich ist. Ohne die Fahrerhilfen müssten die Piloten anders fahren. Ich denke, dass jetzt aber trotzdem jeder gegen jeden mit unterschiedlichen Autos und Elektroniksystemen kämpft und die Formel 1 ist noch immer die Königsklasse des Motorsports - daran hat sich nichts geändert."
Frage: "Bist du in die Einstellung der Traktionskontrolle unter Umständen wie beim Brasilien-Grand Prix in diesem Jahr mit heftigem Regen einbezogen oder passiert das alles über die Knöpfe und Regler am Lenkrad durch den Fahrer?"
Hall: "Am Lenkrad gibt es verschiedene Einstellmöglichkeiten für eine Vielzahl an Bedingungen und darüber wird es grundsätzlich eingestellt."
Frage: "Arbeitest du mit den Fahrern von Angesicht zu Angesicht was die Systeme anbelangt?"
Hall: "Tatsächlich kommuniziere ich mit den Fahrern nicht viel. Meine Arbeit spielt sich überwiegend im Hintergrund ab, aber wenn etwas nicht richtig läuft werde ich zur Klärung der Situation herangezogen."
Frage: "Verglichen mit deiner Arbeit an Olivier Panis Auto, wäre es eine andere Arbeit wenn es sich um Cristiano da Mattas Auto handeln würde?"
Hall: "Von den zu erledigenden Aufgaben ist der Job der gleiche, doch man arbeitet mit seinen eigenen Leuten und andere Leute arbeiten auch anders. Jeder hat seine eigenen Prozeduren und gelegentlich arbeite ich auch am T-Car, weshalb ich einige geringe Unterschiede feststellen kann was das angeht."
Frage: "Findest du es schwierig in einer so von Männern dominierten Sportart zu arbeiten und wird dir der Respekt entgegengebracht den du verdienst?"
Hall: "Meiner Meinung nach ist es gar nicht schwierig in einem von Männern dominierten Sport zu arbeiten. Es dauert aber ein wenig, bis man sich Beachtung erarbeitet hat. Zu Beginn hören viele Leute einfach nicht darauf was man zu sagen hat, doch das ändert sich nach einer Weile. Ich glaube nicht, dass irgendjemand im Team wirklich denkt, dass ich anders wäre, wenngleich ich denke, dass das von draußen ganz anders gesehen wird. Auf der Universität gehörte ich zu einer Gruppe von 4 Frauen die mit 80 Männern studierten und das war eine ähnliche Situation wie die jetzige. Am Ende des Tages kommt es aber nicht auf das Geschlecht an, sondern darauf seinen Job zu machen."
Frage: "Es fühlt sich also nicht komisch an die einzige Frau in der Startaufstellung zu sein?"
Hall: "Beim ersten Mal war ich darüber besorgt, dass mich eine Menge Leute beobachten würden, doch so ist es ganz und gar nicht. Man erledigt dort auch nur seine Arbeit und denkt ansonsten an nichts anderes. Und natürlich sind ja auch noch die Grid Girls da, insofern befinde ich mich in guter Gesellschaft."
Frage: "Was macht die Formel 1 interessanter als die Arbeit auf einem Flugeld wo du vorher gearbeitet hast. Ist es die Tatsache, dass es wettbewerbsfähiger zugeht?"
Hall: "Nun, es ist besser als das war ich vorher getan habe, denn ich sehe jetzt alles und bekomme alles mit, wohingegen ich früher bei der Arbeit an einem Flugzeug nur eine kleine Blackbox gesehen habe, der man sagt was sie mit den ankommenden Daten zu tun hat und dann prüft was am Ende davon ankommt. In der Formel 1 sieht man aber wie alles zusammenkommt. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, man selbst, die Mechaniker die alles zusammenbauen und das Auto auf der Strecke. Man steht mehr mit dem in Verbindung für das man arbeitet und fühlt sich stolzer wenn die Resultate gut ausfallen."
Frage: "Ist es schwer eine ganze Saison zu bestreiten; genießt du es jetzt noch immer?"
Hall: "Ja, tue ich. Zum Beginn der Saison ist natürlich alles neu und alles beginnt von vorn. Zur Halbzeit weiß man dann aber was man macht und hat eine gewisse Routine erlangt. Außerdem ist es ermutigend die kontinuierlichen Fortschritte zu erleben die wir mit dem Voranschreiten der Saison machen. Wir haben jetzt in den letzten Rennen vier Punkte geholt und konnten in einem Rennen 18 Runden lang den Grand Prix anführen. Genau das gibt uns den Moralschub der das Toyota-Team anspornt. Wenn man sich einer Sache die man macht leidenschaftlich verschrieben hat - wie wir alle - dann vergeht die Saison sehr schnell und man blickt schon nach vorne auf die Wintertestfahrten."

