Halbzeitbilanz: Williams hat noch Luft nach oben

Die Halbzeitbilanz der Top-8-Teams in der Formel 1 2015: Warum man bei Williams trotz einer erneuten Steigerung nicht restlos zufrieden sein kann

(Motorsport-Total.com) - Nachdem Williams im Anschluss an die katastrophale Saison 2013 im vergangenen Jahr wie Phoenix aus der Asche aufgestiegen war, gelang es dem Team in der ersten Hälfte der Formel-1-Saison 2015 die gute Form mehr als zu stabilisieren. Wie vor zwölf Monaten belegt Williams in der Konstrukteurswertung nach zehn von 19 Rennen Rang drei, hat allerdings im Vergleich zum Vorjahr 30 Punkte mehr auf dem Konto.

Titel-Bild zur News: Felipe Massa, Valtteri Bottas

Felipe Massa und Valtteri Bottas sind die ausgelichenste Fahrerpaarung Zoom

Und das ist zu gleichermaßen ein Verdienst beider Fahrer, denn die Paarung Felipe Massa und Valtteri Bottas ist die ausgeglichenste im gesamten Formel-1-Feld. Im Qualifyingduell führt Massa mit 6:4 gegen Bottas, in den Rennen war hingegen fünfmal Bottas besser, der den ersten Saisonlauf in Australien wegen einer Rückenverletzung hatte auslassen müssen. So wundert es nicht, dass auch die Punkteausbeute mit 77 (Bottas) zu 74 (Massa) nahezu ausgeglichen ist.

Stand Massa in der vergangenen Saison noch klar im Schatten seines finnischen Teamkollegen, so erlebt der Brasilianer in dieser Saison im Alter von 35 Jahren einen zweiten Frühling und macht dem bei Ferrari gehandelten Bottas das Leben schwer - was auch Williams-Technikchef ein wenig überrascht. "Felipe ist mittlerweile ein sehr entspannter Fahrer und fühlt sich bei Williams wie zu Hause", sagt Symonds bei 'Sky Sports F1'. "Er fährt genau so gut wie 2008, als er um ein Haar die Meisterschaft gewonnen hätte."

Ferrari hat Williams überholt

Sebastian Vettel, Felipe Massa

Gegen Sebastian Vettel zogen die Willimas-Piloten oft den Kürzeren Zoom

Trotz dieser guten Zahlen und der ausgeglichenen Fahrerpaarung fällt die Zwischenbilanz bei Williams aber nicht restlos positiv aus. "Von den ersten zehn Rennen waren 75 oder 80 Prozent sehr gut für uns", beziffert Chefingenieur Rob Smedley die Erfolgsquote. Und auch Symonds meint: "Es war recht erfolgreich, allerdings haben wir das Gefühl, dass manchmal noch mehr möglich gewesen wäre."

Kopfzerbrechen bereite Williams zum einen die Tatsache, dass man sich zwar als dritte Kraft in der Formel 1 etablieren konnte, vom Rückfall von Red Bull aber nicht profitierte, sondern vielmehr von Ferrari überholt wurde. Nicht zuletzt durch die beiden Siege von Sebastian Vettel in Malaysia und Ungarn liegt die Scuderia zur Saisonhalbzeit in der Konstrukteurswertung satte 85 Punkte vor Williams. Zum Vergleich: 2014 hatte Ferrari zum gleichen Zeitpunkt der Saison fünf Zähler Rückstand auf Williams.

"Dass sie beim Chassis solche Fortschritte gemacht haben, hat mich nicht überrascht", sagt Symonds über den Aufschwung von Ferrari, für den ein ehemaliger Kollege verantwortlich zeichnet. "Ich habe viele Jahre lang mit James Allison zusammengearbeitet und weiß daher, wie clever er ist", sagt Symonds über den Ferrari-Technikchef, der im Werksteam von Renault einst Symonds' Untergebener war. "Die Fortschritte beim Antriebsstrang waren hingegen schon überraschend."

Wenn Abtrieb gefragt ist, wird es kritisch

Der Aufschwung von Ferrari durchkreuzte die Pläne von Williams. Nachdem das Team am Ende der vergangenen Saison bereits stärker als Red Bull war, wollte die Mannschaft aus Grove in diesem Jahr das Team sein, welches zur Stelle ist, wenn die dominierenden Mercedes patzen. Doch nun war es zweimal Sebastian Vettel und nicht Bottas oder Massa, der die Silberpfeilpiloten bezwingen konnte.

Pat Symonds

Symonds und Smedley: Die Technik-Hirne hinter dem Williams-Aufschwung Zoom

Trotz der beträchtlichen Rückstands hat Williams den Kampf gegen Ferrari um Platz zwei der Konstrukteurswertung noch nicht aufgegeben. "Seit Barcelona haben wir aufgeholt. In den drei Rennen vor Ungarn waren wir besser", sagt Symonds. Die Upgrades für den FW37 funktionieren, was in der zweiten Saisonhälfte auf viele spannende Duelle zwischen den Williams- und Ferrari-Fahrern hoffen lässt.

Neben der neuen Konkurrenz von Ferrari muss Williams aber vor allem ein Umstand Sorgen machen: Der FW37 funktioniert nicht auf allen Strecken gut. Zwar konnte die Ingenieure dem Auto das "Reifenfressen" abgewöhnen, doch sobald weniger Motorleistung, sondern vor allem Abtrieb gefragt ist, sind Massa und Bottas chancenlos. Das zeigte sich brutal in Monaco, als die beiden auf den Plätzen 15 und 14 hinterherfuhren. Im chaotischen Rennen von Budapest verpassten die Williams-Piloten dann abermals die Punkteränge, woran allerdings auch einige Zwischenfälle wie der Reifenschaden von Bottas schuld waren.

Zwei "Nuller" trüben die Bilanz

Dennoch stehen unter dem Strich schon zwei "Nuller" für das Team zu Buche - zu viel, wenn man um die Spitze in der Formel 1 kämpfen will. Dann sollte man außerdem Chancen wie beim Rennen in Silverstone nicht verschenken, wo Massa und Bottas nach dem Start geführt hatten. Massa hielt in der Anfangsphase des Rennens jedoch den schnelleren Bottas auf, und trotz dessen hartnäckiger Beschwerden verzichtete Williams auf eine Teamorder. So standen am Ende nur die Positionen vier und fünf zu Buche, auf dem Podium durften die Mercedes-Piloten und Vettel jubeln.


Susie Wolff als Beifahrerin bei Valtteri Bottas

Susie Wolff lässt sich von ihrem Teamkollegen Valtteri Bottas eine Runde um den Kurs von Barcelona mitnehmen. Weitere Formel-1-Videos

"Silverstone hat gezeigt, was möglich ist", sagt Symonds, der dieses Rennen und die Führungskilometer aber als Teil des Lernporzesses von Williams ansieht. "Wir bei Williams sind sehr selbstkritisch. Wir haben uns das noch einmal angesehen und daraus gelernt", so Symonds. Außerdem dürfe man nicht vergessen, wo das Team noch vor zwei Jahren beim Amtsantritt von Symonds in Grove stand.

"Als ich dort ankam, habe ich ein Team vorgefunden, in dem es um die Moral sehr schlecht bestellt war. Sie hatten den Glauben daran verloren, dass sie gewinnen können", erinnert sich Symonds. Diese Depression sei mittlerweile wieder sportlichem Ehrgeizig gewichen. "Jetzt sind sie eher genervt davon, dass sie nicht gewinnen."

Williams ist gut aufgestellt

Auch für Smedley sind Rückschläge wie in Monaco oder Ungarn zwar schmerzhaft, aber unvermeidliche Lernerfahrungen. "Eine Formel-1-Saison ist mehr ein Marathon als ein Sprint. Wir können daher nicht überall gut sein", meint er. "Wir arbeiten daran, aber in manchen Kurven funktioniert das Auto einfach nicht. Das zu verbessern, ist ein langer Prozess."


Fotos: Williams, Großer Preis von Ungarn


Den Williams auch nach der Sommerpause weiter vorantreiben will. Schwerpunkt der Weiterentwicklung ist laut Smedley die Aerodynamik, ein Schwachpunkt von Williams. "Wir müssen so viel Abtrieb wie möglich aufs Auto bringen", sagt er. "Es folgen jetzt zwei Power-Strecken. In Monza wird zwar jeder ein spezielles Aero-Paket bringen, aber auch danach kommen einige Kurse, auf denen wir gut aussehen sollten."

Unter dem Strich ist jedoch festzuhalten: Der Aufschwung von Williams im Jahr 2014 war kein Strohfeuer, das Team hat sich 2015 als feste Größe in der Formel 1 etabliert. "Wir haben derzeit ein sehr stabiles Team. Die Struktur ist eingenommen, alle arbeiten gut zusammen, sodass wir hoffentlich weitere Fortschritte machen können", zieht auch die stellvertretende Teamchefin Claire Williams im Interview mit der Tageszeitung 'The Guardian' eine positive Bilanz.