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Halbzeitbilanz: Toro Rosso auf der Suche nach Zuverlässigkeit

Die Halbzeitbilanz der Top-8-Teams in der Formel 1 2015: Warum Toro Rosso viele Punkte verschenkt hat, Rang fünf aber immer noch im Visier hat

(Motorsport-Total.com) - "Da war definitiv mehr drin", lautet das Halbzeitfazit für Toro Rosso. Die kleine Truppe um Teamchef Franz Tost kann mit Blick auf die Performance zwar mehr als zufrieden sein, die Punkteausbeute ist allerdings magerer, als man sich das in Faenza vorgestellt hatte. Mit 31 Zählern rangiert man derzeit nur auf Platz sieben der Konstrukteurswertung, allerdings geht der Blick weiter nach oben.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen

Aufgepasst: Max Verstappen ist in diesem Jahr in aller Formel-1-Munde Zoom

Mit Rang vier von Max Verstappen zuletzt in Budapest hat sich Toro Rosso an die vor ihm liegenden Lotus und Force India herangerobbt. Nur noch acht Zähler trennt das Team von Rang fünf, den man vor der Saison ins Auge gefasst hatte. "Zu Beginn des Jahres dachte ich, dass wir eine Top-5-Position anstreben können, nachdem wir die Zahlen des Windkanals und die Ergebnisse der Testfahrten gesehen hatten", erklärt Teamchef Franz Tost und bleibt weiter optimistisch.

"Ich denke, wir können das immer noch schaffen, speziell nach unserem starken Resultat in Budapest, weil uns nur noch acht Punkte vom Team auf Platz fünf trennen." Damit das gelingt, muss das Team allerdings die größte Schwachstelle in den Griff bekommen: Nein, es sind nicht die Fahrer, die trotz ihres Rookie-Daseins überzeugt haben. Das Problem heißt bei Toro Rosso eindeutig Zuverlässigkeit.

Tost: "Unsere Zuverlässigkeit ist schrecklich"

Neunmal sahen Max Verstappen und Carlos Sainz die Zielflagge in zehn Rennen nicht und werden dabei nur vom chronisch geplagten McLaren-Honda-Team überboten. "Wir haben ein wirklich gutes Chassis, wir haben zwei hochtalentierte, junge aber reife Fahrer, aber unsere Zuverlässigkeit ist wirklich schrecklich", bringt es Franz Tost auf den Punkt. "Mit dieser hohen Quote kannst du nicht erwarten, deine Ziele zu erreichen - und das ist der fünfte Platz bei den Konstrukteuren"

In der zweiten Saisonhälfte müssen die Jungbullen dieses Defizit unbedingt in den Griff bekommen, wenn sie nicht auf Rang sieben versauern wollen. "2016 ist zu spät dafür. Wir brauchen sofortige Lösungen und wollen nicht lange warten", sagt Tost, der genau weiß, dass es nur Punkte gibt, wenn man auch die Zielflagge erreicht. Und wenn Toro Rosso die gesehen hat, dann gab es in den meisten Fällen auch Punkte.

Carlos Sainz jun.

Ein häufiges Bild 2015: Ein Toro Rosso steht mit Defekt am Streckenrand Zoom

Das zweite Hauptproblem teilt man mit Schwesterteam Red Bull: Motorenpartner Renault ist mit seinem schwächelnden Antrieb eine wahre Achillesferse und sorgt für ein großes Handicap. Auf Strecken wie Monaco oder Budapest, wo es nicht auf Motorenleistung ankommt, fuhr man die stärksten Rennen, auf Kursen mit vielen Geraden brach man hingegen ein. Und häufig muss man vom Setup her einen Kompromiss eingehen, um nicht gänzlich ohne Chance im Rennen zu sein, wenn es um das Überholen geht.

STR10 auf Augenhöhe mit Mercedes?

Doch genug vom Schlechten: Toro Rosso hat in dieser Saison viele auch positiv überrascht. Der STR10 aus der Feder vom hochgelobten Techniker James Key ist ein starkes Auto mit einer Menge Potenzial. Ohne das Power-Defizit wären die Bullen vielleicht sogar ein Podestkandidat, glaubt man den Aussagen der Piloten. Auch Franz Tost meint, dass das Auto der Saison 2015 zu den besten gehört: "Es stimmt, dass die Aerodynamik sehr gut funktioniert, und in einigen schnellen Kurven hat sich gezeigt, dass das Auto fast so gut und manchmal sogar auf Augenhöhe mit Mercedes ist."

Auch die Fahrer gehören zu den wertvollen Gütern im Team. Mit Max Verstappen hat man einen wahren Rohdiamanten im Team, der schon jetzt Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz geweckt hat. Zwar ist der Niederländer häufig noch ungestüm unterwegs, wie sein Unfall mit Romain Grosjean in Monaco gezeigt hat, doch starke Qualifikationsleistungen und auch der vierte Platz von Ungarn haben bewiesen, dass man auch mit 17 Jahren reif genug für die Formel 1 sein kann.

Teamkollege Carlos Sainz steht hingegen häufig - zu Unrecht - im Schatten seines Teamkollegen. Zwar hat er punktemäßig mit neun zu 22 Zählern das Nachsehen gegenüber Verstappen, doch wäre er nicht zuletzt dreimal in Folge mit einem technischen Problem ausgefallen, dann hätte er wohl ähnlich viele Zähler gesammelt. Trotzdem sagt der Spanier: "Es war eine positive erste Saisonhälfte, in der ich eine Menge gelernt habe."


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"Ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass ich jetzt ein ganz anderer Pilot bin als noch in Australien. Ich habe mich weiterentwickelt und Toro Rosso hat einen guten Job gemacht. Sie haben uns ein sehr konkurrenzfähiges Auto gegeben. Bisher läuft es also sehr positiv." Auch dass er durch die fehlende Renault-Leistung häufig eingebremst wird, sieht er nicht so eng: "Ich will positiv denken. Ich kann nicht mehr verlangen und über den Motor schimpfen. Das Auto ist sehr gut, ich habe sehr gute Leute um mich herum. Im ersten Jahr kannst du nicht alles auf einmal haben", meint er zu 'auto motor und sport'.

Lob für Max Verstappen und Carlos Sainz

Franz Tost ist auf jeden Fall bislang mehr als zufrieden mit seinen Piloten: "Beide Fahrer haben einen fantastischen Job gemacht. Sie haben wirklich eine positive Einstellung, und Formel 1 ist ihr Leben, was sich darin bestätigt, dass sie ständigen Kontakt zu ihren Ingenieuren pflegen und häufig an ihrer Fitness arbeiten. Sie stellen immer Fragen und haben eine starke Arbeitsmoral. Formel 1 ist ihre Leidenschaft, und das ist der beste Weg zum Erfolg. Ich würde sagen, sie sind eines der konkurrenzfähigsten Paare hier bei Toro Rosso."

Bei so viel Lob müssen in der zweiten Saisonhälfte aber endlich weitere Zähler her, denn die Zutaten für einen Erfolg sind eigentlich da: Die Fahrer sind gut, das Auto ist gut, man besitzt mit James Key einen der begehrtesten Techniker der Branche und das Arbeitsumfeld hat sich durch eine verbesserte Infrastruktur ebenfalls zum Positiven entwickelt: "Wir haben uns unter der technischen Führung enorm verbessert und besitzen in allen Bereichen ein starkes Team", unterstreicht Tost.

Carlos Sainz, Max Verstappen

An den Fahrern liegt es nicht, dass Toro Rosso nur Siebter ist Zoom

Der angestrebte Rang fünf ist in der zweiten Saisonhälfte nicht weit weg, doch die Konkurrenz ist ebenfalls besser geworden: Force India hat mit der neuen B-Version zugelegt, und Lotus ist konstanter geworden. Doch Tost hat keine Angst: "In Budapest haben wir gesehen, was auf einer Strecke möglich ist, auf der Motorenpower nicht entscheidend ist." Spa und Monza nach der Sommerpause werden dem Team hingegen nicht liegen, "außer es kommt ein Gewitter während des Rennens", lacht Tost. "Strecken wie Singapur und Abu Dhabi werden besser für uns sein, aber wir werden sehen. Wir werden weiter Gas geben, um unsere Ziele zu erreichen."