• 27.07.2001 12:14

  • von Marcus Kollmann

Gustav Brunner im ausführlichen Interview

Der Technische Direktor über Minardi, seine Aufgaben bei Toyota, Michelin, das Team und die Entwicklungsarbeit

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Der Österreicher Gustav Brunner gilt in der Formel 1 als einer der anerkanntesten Designer und Konstrukteure. Zuletzt arbeitete Brunner für das Minardi-Team, wo er trotz bescheidener Möglichkeiten immer ein beachtliches Auto entwickelte und mit seinen Ideen sich auch den Respekt der Kollegen einhandelte. Der plötzlich mitten in der laufenden Saison von Minardi zum neuen Panasonic Toyota Racing-Team gewechselte 50-Jährige, sprach in einem ausführlichen Interview nun über die damalige Situation mit Minardi, seine Beweggründe mit Toyota eine neue Herausforderung anzugehen und seinen neuen Aufgabenbereich.

Titel-Bild zur News: Gustav Brunner (Panasonic Toyota Racing)

Bei Toyota wird Brunner mehr die Führungsaufgaben übernehmen

Frage: "Zuallererst einmal die Frage, wie die rechtliche Situation mit Minardi aussieht. Gibt es noch Probleme?"
Gustav Brunner: "Nein, es gibt keine rechtliche Auseinandersetzung oder einen legalen Konflikt. Ich habe nie von einem Anwalt oder vom Team selbst oder von Paul Stoddart einen Brief erhalten. Ich denke, dass diese Sache durch die Presse hochgeputscht wurde. Es hat natürlich auch einige gute Geschichten gegeben, aber ich lese natürlich auch nicht alle. Grundsätzlich glaube ich, dass es keinerlei Probleme diesbezüglich gibt. Ich hatte mehr eine moralische Verpflichtung dem Team gegenüber, da ich dort viel Einfluss und Einblicke hatte, als dass man von einer rechtlichen Verpflichtung sprechen könnte. Ich habe mich jedoch für Toyota entschieden, weil ich hier von Beginn an helfen kann das Team aufzubauen. Und weil ich hier meine Zukunft sehe, denn es bieten sich einige Möglichkeiten und Herausforderungen. Bevor ich mich zur Ruhe setzte, möchte ich noch einmal wirklich wissen, wie es ist, etwas bewegt zu haben. Ich habe mich für diese Herausforderung entschieden und habe diese Entscheidung sehr schnell und kurzfristig getroffen. Am Freitag rief mich Toyota and und am Sonnabend habe ich meine Entscheidung getroffen. Am Sonntag war ich bereits hier [in Köln]. Am Montag habe ich dann mit Paul Stoddart gesprochen und ihm gesagt, 'Sorry Paul, so gerne ich dich auch mag, ich werde dir dort helfen wo ich kann, aber ich habe jetzt eine neue Herausforderung gefunden'. Mehr nicht. Aber es gibt deshalb keine Probleme."

Frage: "Also bedeutet das, dass es keinen noch zu erfüllenden Vertrag gegeben hat?"
Brunner: "Es gab keine rechtliche Verpflichtung dazu. Wäre dem nicht so gewesen, dann hätte ich nicht zu Toyota gehen können. Toyota ist ein großes Unternehmen, der drittgrößte Automobilhersteller der Welt, und auch der Automobilhersteller mit dem meisten Geld. Sie könnten es sich gar nicht leisten, mich zu verpflichten wenn ich meinen Vertrag gebrochen hätte. Toyota hat meinen Vertrag sehr sorgfältig überprüft. Nicht nur ein Anwalt hat ihn sich durchgelesen, sondern viele Anwälte aus verschiedenen Ländern."

Frage: "Hat Sie die negative Publicity die daraus entstanden ist verärgert?"
Brunner: "Ich habe nichts gelesen. Ich glaube nicht, dass es schlechte Publicity war. Ich denke, dass jede Art von Publicity gut ist. Aber es ist nicht so, dass ich das unbedingt brauche. Meiner Meinung nach war es vielleicht nicht so gut Toyota da mit hineinzuziehen. Ganz einfach weil sich Toyota sehr fair und korrekt verhalten hat."

Frage: "Sie haben eine gewisse moralische Verpflichtung angesprochen. Tut es einem Teil ihrer Person Leid [Minardi verlassen zu haben]?"
Brunner: "Es handelt sich um keine moralische Verpflichtung. Es [Minardi] ist ein kleines Team, welchem der Weggang einer wichtigen Person schwer fällt. Wenn man in einem größeren Team angestellt ist und geht können die besser damit umgehen. Es ist ganz offensichtlich für Minardi schwer, denn jetzt sind sie dort noch weniger."

Frage: "Sie hatten dort eine Menge Freunde?"
Brunner: "Sie sind immer noch meine Freunde und werden dies auch für immer bleiben."

Frage: "Und Sie hatten kürzlich keinen Kontakt zu Paul?"
Brunner: "Nein."

Frage: "Was war Ihr erster Eindruck von Toyotas Entwicklungsboliden?"
Brunner: "Mein erster Eindruck war der, dass es ein paar nette Details am Auto gab. Also war mein erster Eindruck positiv. Man muss natürlich betrachten, dass das Auto in einer kurzen Zeit entwickelt und konstruiert wurde und darüber hinaus als Testauto konzipiert wurde. Es ist für das Testen eine gute Sache, denn es erfüllt genau diesen Zweck, und den erfüllt es gut. Des weiteren gibt es einige gute Details."

Frage: "Ist es nicht zu konservativ?"
Brunner: "Bei der Konstruktion hatte man andere Ideen, auch neue Ideen. Ich sage jetzt nicht, dass diese gut oder schlecht sind. Es ist zweifelsohne ein gutes Chassis, von Leuten die andere Sachen vorher entwickelt haben konstruiert. Wenn man Toyota kennt, dann weiß man, dass diese Leute vorher Sportwagen entworfen haben."

Frage: "Wie verlaufen die Testfahrten bisher?"
Brunner: Zuletzt wirklich gut. An manchen Tagen können wir viele Runden absolvieren und sind darüber alle glücklich, am nächsten Tag können wir weniger Runden auf Grund noch vorhandener Probleme drehen. Ich selbst sage aber immer, dass, je schlechter der Tag läuft, dies umso besser für das Team ist. Es ist gut, weil wir uns selbst so trainieren können und so das Team und die Mechaniker trainieren. Wenn alles zu glatt läuft ist das keine gute Vorbereitung. Die Probleme halten die Jungs in Schwung. Sie müssen ganz einfach lernen, wie man schnellstmöglich einen Motor wechselt oder einem Problem mit der Elektronik auf die Schliche kommt. Wir testen weniger die Leistungsfähigkeit des Autos, sondern mehr die elektronischen Systeme und natürlich unser Team. Die Mechaniker sind neu, die Ingenieure sind neu, das Telemetrie-System ist neu, die Reifen sind neu, kurzum, einfach alles ist neu. Ich glaube, dass der beste Test immer der ist, wo es kleine Probleme gibt. Je mehr, umso besser - manchmal zumindest."


Frage: "Ab sofort werden immer zwei Autos eingesetzt?"
Brunner: "Seit dem letzten Test, welcher in Barcelona stattgefunden hat, haben wir zwei Autos zur Verfügung. Wir testen simultan mit beiden Fahrern zur gleichen Zeit, was Bestandteil unseres Testprogramms ist. Ich denke, dass wir später, obwohl ich nicht genau weiß wann, auch ein T-Car in der Garage zu stehen haben werde. Es ist nicht so, dass wir das benutzen müssen, es dient eher dazu den Platz in der Boxengarage zu minimieren. Toyota muss das trainieren, wie es ist in einer kleinen Garage zu arbeiten. Als ich beim ersten Test in Imola war, nur für einen Tag, habe ich uns drei Garagen benutzen gesehen. Aber im nächsten Jahr werden wir nur eine Garage zur Verfügung haben, und da diese die Letzte in der Boxengasse sein wird, wo die Garage ohnehin kleiner ist, müssen wir jetzt schon trainieren mit dem zur Verfügung stehendem Platz zurecht zu kommen. Wir müssen auch herausfinden, wie viele Leute überhaupt in die Garage passen, vielleicht haben wir noch zu viele dabei."

Frage: "Wie sieht die Zusammenarbeit mit Michelin aus? Seit ihr bereits in die Entwicklung einbezogen?"
Brunner: "Die Beziehung zwischen Toyota und Michelin ist eine sehr lange. Ich denke, dass sie zusammen in der Vergangenheit in der Rallye-WM und in Le Mans einige große Erfolge hatten. Die Reifen, welche wir benutzen, sind mehr oder weniger die gleichen, welche den Rennteams zur Verfügung stehen. Wir testen jetzt ja nicht mehr nur in Paul Ricard, sondern auf den üblichen Rennstrecken, meist drei Wochen nach einem Rennen. Und natürlich versuchen wir die gleichen Reifen zu fahren."

Frage: "Wie viele Leute sind in Köln beschäftigt?"
Brunner: "550. Das klingt zunächst nach sehr vielen Leuten, aber das ist es bei genauer Betrachtung gar nicht, denn es arbeiten auch viele Leute in der Administration und in der Produktion. Was die Ingenieure und das Rennpersonal anbelangt, so müssen wir uns als Team aber noch ein wenig vergrößern. Wir stehen aber erst am Beginn und stellen weiterhin Leute ein und wachsen noch."

Frage: "Andre de Cortanze hat ganz offensichtlich alles aufgebaut und die meisten Angestellten wurden von ihm verpflichtet. Wie schwierig war es ihn zu ersetzen und seinen Posten zu übernehmen?"
Brunner: "Er hat hier eine Menge guter Dinge auf die Beine gestellt. Vielleicht nicht das beste Auto, jedoch war dies meines Erachtens nach auch nicht das Ziel. Er hat eine gute Basis geschaffen und in Form des Raceshops, des Designbüros, der CAD-Systeme und der Verbindung via Satellit zur Rennstrecke und all dieser Dinge gute Arbeit geleistet. Die von ihm angestellten Leute wissen gut Bescheid und sind alle kreativ und zuverlässig würde ich sagen. Es schaut ganz nach einer guten Crew aus. Sie benötigen vielleicht ein wenig Erfahrung in der F1, aber ich würde sagen, dass wir wirklich eine sehr gute Crew haben."

Frage: "Was haben Sie mit zu Toyota gebracht, was offensichtlich gefehlt hat?"
Brunner: "Wenn man ein gutes Produkt erschafft ist es eine gute Mixtur. Es sind ja nicht nur die guten Ingenieure mit einem guten Wissen, sondern man benötigt auch ein wenig Formel-1-Erfahrung. Man kann den besten Ingenieur auf der ganzen Welt haben, aber in der Formel passieren ganz spezielle Dinge, welche man nur mitbekommt, wenn man, wie es heißt, dass Ohr an die Garagenwand hält und lauscht. Das hat hier ein wenig gefehlt. Ich habe da ein wenig Erfahrung mitgebracht und wir werden uns weiterhin verstärken, nicht nur mit Nachwuchsleuten, sondern mit erfahrenen Ingenieuren. Natürlich werden wir auch noch durch ein paar Leute von anderen Teams Unterstützung in die eigenen Reihen holen."

Frage: "Werden Sie einige ehemalige Kollegen anstellen?"
Brunner: "Ich kenne sie alle. Ich bin schon seit einer langen Zeit dabei. Wer die Formel 1 kennt, weiß, dass es ein sich ständig veränderndes und wachsendes Geschäft ist, man bekommt nicht so leicht die begehrten Leute. Jeder versucht sein Personal zu schützen, aber einige werden zu uns kommen und sich uns anschließen. Wir sind mit einigen wenigen Leuten schon in Kontakt getreten. Sie sind vielleicht nicht alle verfügbar, aber wenn sie das sind, dann werden sie schnell verfügbar sein."

Frage: "Sie sind dafür bekannt, in kleinen Teams gute Arbeit geleistet zu haben. Inwiefern hat sich für Sie jetzt in Bezug auf Philosophie und Design-Strategie etwas verändert?"
Brunner: "Meine Herausforderung ist eine ganz andere. Ich habe selbstverständlich mehr Möglichkeiten, ich habe die Leute um mich herum, aber es ist dennoch eine schwierige Aufgabe. Ich zeichne und konstruiere nicht mehr alles alleine. Meine Aufgabe ist es die anderen zu motivieren, ihnen auf Grundlage meiner Erfahrungen das Beste beizubringen, um so das Maximum aus ihnen herauszuholen. Die Leute zu managen ist jetzt ein größerer Bestandteil meiner Arbeit."

Frage: "Ist das eine schwierige Aufgabe für Sie?"
Brunner: "Nein, nicht schwierig. Aber nicht jeder kann Leute führen. Ich kann das sehr gut, aber dazu bedarf es der richtigen Person. Es ist eine Kombination aus dem was und wer wir sind, um andere Leute für die Arbeit mit einem zu motivieren, in einem Team zu arbeiten, denn am Ende ist es das Team, welches erfolgreich ist. Wenn man selbst gut und erfahren genug ist wird man respektiert, und dann hören die Leute einem auch zu. Man selbst muss hart arbeiten, damit auch die anderen hart arbeiten. Gleichzeitig muss man aber nett genug sein, um die anderen zu motivieren, denn schließlich ist es für alle harte Arbeit."