• 27.12.2003 10:28

  • von Marco Helgert

Goodbye Heinz-Harald Frentzen

Heinz-Harald Frentzen ist ein Mann der leisen Töne, der Abschied des Sympathieträgers aus der Formel 1 wird seinen Fans schwer fallen

(Motorsport-Total.com) - Man mag es sich kaum vorstellen: Heinz-Harald Frentzen verlässt die Formel 1. Zehn Jahre lang erfreute der Mönchengladbacher die Herzen der Formel-1-Fans, auch wenn er nie völlig aus dem Schatten von Michael Schumacher heraustreten konnte. So endete in Suzuka nicht nur die Saison 2003, sondern auch die Formel-1-Ära des Heinz-Harald Frentzen.

Titel-Bild zur News: Heinz-Harald Frentzen

Heinz-Harald Frentzen gab 1994 für Sauber sein Formel-1-Debüt

Der heute 36-Jährige ist ein Stehaufmännchen, der auch reichlich spät mit dem Motorsport begann ? zumindest für moderne Verhältnisse. Erst im Alter von 13 Jahren saß er regelmäßig am Lenkrad eines Karts. 1980 absolvierte er die erste Saison in der Junior-Kartmeisterschaft, ein Jahr später war er Meister, 1984 dann auch Vize-Meister in der großen Klasse.

In dieser Zeit setzte er nicht nur eigene Karts ein, die von seinem Vater als Teamchef und Chefmechaniker betreut wurden, sondern er traf bereits zu dieser Zeit auf Michael Schumacher. 1986 nahm der junge Frentzen seine erste Formel-Saison in Angriff. In der Formel Ford 2000 bewegte er wieder ein eigenes Auto ? Vater Harald war abermals mit voller Kraft dabei.#w1#

Frentzens Talent war mehr als nur offensichtlich. Ein Jahr später wurde er Vize-Meister der Formel Ford, dabei nahm er nicht an allen Rennen teil. Die Einsätze aus eigener Kraft waren jedoch vorbei, denn für 1988 wechselte er in die deutsche Formel Opel Lotus. Ex-Formel-1-Fahrer Jochen Mass war dabei der Mentor und Teamchef von Frentzen.

Kurzes Gruppe-C-Intermezzo

Der Mönchengladbacher enttäuschte nicht: Die erste Saison in der Formel Opel Lotus endete mit dem Meistertitel in Deutschland und mit einem sechsten Platz im Klassement der europaweiten Serie. 1989 war der Mönchengladbacher bereit für höhere Aufgaben: Die Formel 3. Dort kam es zum Aufeinandertreffen von drei Spitzentalenten, welche sich die Saison über einen harten Schlagabtausch lieferten: Frentzen, Michael Schumacher und Karl Wendlinger.

Karl Wendlinger holte sich 1989 den Meistertitel in der deutschen Formel 3, Heinz-Harald Frentzen und Michael Schumacher lagen punktgleich auf Rang zwei. Alle drei Piloten hatten jedoch eine gemeinsame Zukunft vor sich. Mercedes-Benz stellte ein Nachwuchsfahrerprogramm auf die Beine, und alle drei durften in der Gruppe C starten. Die erfahrenen Piloten Jochen Mass, Mauro Baldi und Jean-Louis Schlesser waren die Instruktoren.

Während Wendlinger und Schumacher die volle Schule im Sauber-Mercedes-Team absolvierten, wechselte Frentzen für die Saison 1990 in die Formel 3000. Camel, Frentzens persönlicher Sponsor, stellte ein Formel-1-Engagement in Aussicht, wenn die Ergebnisse in der neuen Klasse stimmen würden.

Anfänglich sah alles rosig aus. Bei den Wintertestfahrten war der Mönchengladbacher regelmäßig unter den Besten, doch die Saison verlief alles andere als wunschgemäß. Er unterschrieb beim Team von Eddie Jordan, doch dort standen die Zeichen der Zeit bereits auf dem Formel-1-Einstieg, sein Formel-3000-Bolide sah nur selten die Zielflagge.

Sein neues Team für die Saison 1991, Vortex, war in einem besseren Zustand, nicht aber die Chassis. Vortex setzte auf Lola, doch die Reynard-Chassis waren in diesem Jahr klar überlegen. Zwei Mal konnte er einen fünften Platz ergattern, doch im gleichen Jahr schaffte Michael Schumacher mit Hilfe von Mercedes den Sprung in die Formel 1.

Heinz-Harald Frentzen vor dem Aus

Frentzens Karriere schien beendet. Kein Geld, keine Angebote, keine Aussichten. In Mönchengladbach half er seinem Vater in dessen Bestattungsunternehmen. Nach fünf Monaten dann eine unerwartete Rückkehr: Bei den 24 Stunden von Le Mans sollte er einen privat eingesetzten Lola-Prototypen fahren.

Frentzens "Rückkehr" war beeindruckend. In den Regenphasen des Rennens war der Mönchengladbacher im untermotorisierten Lola-Judd T92/10 der absolut schnellste Fahrer auf der Piste. Auch wenn die Öffentlichkeit angesichts des 14. Gesamtranges nicht in Jubelstürme ausbrach, die Motorsportszene schenkte Frentzen nun wieder Beachtung.

Ein Angebot des Nova-Teams verschlug ihn in die japanische Formel Nippon, dass Pendant zur europäischen Formel 3000. Doch die Autos in Japan waren schneller, die Motoren kraftvoller, die Reifen weicher und insgesamt war die japanische Serie weit technischer. Zeitgleich absolvierte Frentzen in einem Tyrrell-Formel-1-Chassis des Jahres 1991 fast 20.000 Testkilometer für Mugen Honda und Bridgestone.

Sein Engagement in Japan brachte den Vorteil mit sich, dass er nicht unter der ständigen Beobachtung der Medien stand. Dies machte jedoch auch die Suche nach einem Cockpit in Europa schwierig. Zumindest zeigte Frentzens Formkurve 1993 wieder nach oben, er gewann ein Rennen und schloss die Meisterschaft als Neunter ab.

Viel wichtiger war jedoch eine Anfrage im August: Peter Sauber erinnerte sich an den "verlorenen Sohn" der Sportwagenzeit und offerierte Frentzen einen Formel-1-Test in Mugello. Der Mönchengladbacher konnte auf Anhieb überzeugen, fuhr sehr schnelle Rundenzeiten und zeigte ein tiefgründiges technisches Verständnis. Auch ein Crash konnte den positiven Eindruck nicht trüben.

Geschafft: Frentzen ist Formel-1-Fahrer

Heinz-Harald Frentzens Formel-1-Einstieg war besiegelt. Als letzter Fahrer des Trios Schumacher/Wendlinger/Frentzen schaffte er den finalen Schritt. Sofort konnte er überzeugen: Sein erstes Formel-1-Rennen in Interlagos startete er von Position fünf aus, fiel im Rennen aber mit einem Dreher aus.

Doch die Saison begann dennoch hervorragend: Bereits im zweiten Rennen in Aida fuhr er mit Platz fünf zwei Punkte ein. Doch die Formel 1 stürzte in eine tiefe Krise. In Imola starben Roland Ratzenberger und Ayrton Senna, zwei Wochen später verunglückte Frentzens Teamkollege Wendlinger in Monaco schwer.

Bereits in seiner ersten Formel-1-Saison zeigte sich dabei die Charakterstärke des Heinz-Harald Frentzen: Ein Angebot, bei Williams als Ersatz für Senna einzusteigen, lehnte er ab. Er schuldete Peter Sauber seinen Formel-1-Einstieg und wollte das Team nach dem schweren Unfall von Wendlinger nicht im Regen stehen lassen. Frank Williams war tief beeindruckt.

Unvergessen auch das Qualifying in Suzuka: Frentzen setzte früh die Bestzeit und saß danach kopfschüttelnd in der Box, als die "Etablierten" versuchten, seine Zeit zu unterbieten, was anfänglich nicht gelang. Seine erste Formel-1-Saison schloss er mit sieben Punkten ab, während Michael Schumacher seinen ersten Weltmeistertitel erringen konnte.

Er blieb auch 1995 bei Sauber, feierte in Monza seinen ersten Podiumsplatz, und beendete die Saison als Neunter, doch abermals stand er im Schatten von Schumacher, der seinen zweiten Titel erringen konnte. Die Saison 1996 geriet zur Enttäuschung, nachdem der neue Ford-V10-Motor der Konkurrenz nicht gewachsen war.

Chance in einem Top-Team

Damon Hill errang 1996 endlich den Titel, war bei Williams aber nicht mehr willkommen. Heinz-Harald Frentzen sollte ihn ersetzen. Frank Williams wollte sich dieses Talent nicht entgehen lassen und verpflichtete ihn für 1997. In Australien explodierte die Bremsscheibe und verhinderte seinen ersten Sieg, den er später in Imola feiern konnte.

Doch Frentzen schien noch nicht bereit für ein Top-Team, er fand zudem nie die von ihm benötigte gute Stimmung im Team vor. Auch die Technik versagte in den unpassendsten Momenten. In Ungarn setzte er auf harte Reifen, eine Taktik, die wohl aufgegangen wäre, doch sein Tankdeckel schloss nach dem Boxenstopp nicht, er fiel aus.

Sein Teamkollege Jacques Villeneuve wurde überlegen Weltmeister, während Michael Schumacher bei Ferrari als neuer Star gefeiert wurde. Das Jahr 1998 war dann eine Fast-Katastrophe. Renault zog sich offiziell aus der Formel 1 zurück, Williams war nicht mehr konkurrenzfähig. Eddie Jordan holte ihn für 1999 in sein Team, doch erwartet haben wohl beide Seiten nur einige Punkte.

Es scheint jedoch, als ob Frentzen immer dann am besten war, wenn das Material gut, aber nicht spitzenmäßig gewesen ist. Konstant fuhr er in die Punkte, leistete sich kaum Fehler und konnte bis drei Rennen vor Schluss sogar um die Weltmeisterschaft fahren. Zwei Siege in Magny-Cours und Monza stellten seinen Ruf als Spitzenpilot wieder her.

Durch den Unfall in Silverstone, bei dem sich Michael Schumacher ein Bein brach, war Frentzen auf einmal der beste deutsche Formel-1-Fahrer. Die Medien achteten auf ihn, für kurze Zeit durfte er im Rampenlicht stehen. Doch das Jordan-Team verschlechterte sich so schnell, wie es zuvor empor gestiegen war.

Der langsame Abschied aus der Königsklasse

Nur elf Punkte eroberte Frentzen im Jahr 2000, deren sechs nur 2001. Vor seinem Heim-Grand-Prix setzte Eddie Jordan seinen Schützling vor die Tür. Während er bei Jordan nicht mehr erwünscht war, buhlten andere Teams um seine Dienste. Bei Prost zeigte er kurzzeitig, was er zu leisten imstande war: In Spa-Francorchamps qualifizierte er sich für den vierten Startplatz ? vor beiden Jordan-Boliden.

Doch Prost konnte dem Konkurs nicht entfliehen, und nach langen Verhandlungen ging Frentzen zu Arrows. Immer wieder setzte er dort Achtungszeichen, doch es mehrten sich die Anzeichen, dass das Team nicht zu retten war. Noch vor Saisonende schlossen sich die Rollläden bei Arrows für immer. Doch Frentzen stand wieder auf und feierte ein weiteres Comeback.

Schon in Indianapolis 2002 ersetzte Frentzen den Sauber-Fahrer Felipe Massa, um eine Strafe des Brasilianers zu umgehen, ab 2003 saß er wieder als Stammfahrer im schweizer Boliden. Die Saison war schwierig, doch der Podestplatz in Indianapolis entschädigte für alle Probleme. Während Frentzen und sein Sauber-Teamkollege Nick Heidfeld um einen Verbleib in der Formel 1 kämpften, zeigte Frentzen ein weiteres Mal Herz.

"Er ist ein besserer Fahrer als Felipe Massa und besonnener als Kimi Räikkönen", erklärte Frentzen unlängst in einem Interview mit der 'motorwelt' über Nick Heidfeld. Es sei wichtiger, dass ein junges Talent in der Formel 1 bleibe, er selbst habe alles schon erlebt. Nun wird der heute 36-Jährige versuchen, die DTM-Fans am Steuer eines Opel Vectra GTS zu begeistern.

Vielleicht werden alle Formel-1-Fans erst mit Beginn der Formel-1-Saison 2004 spüren, was die Formel 1 mit Heinz-Harald Frentzen verloren hat. Einen offenen Menschen, der seinen Humor selten hinter PR-Aussagen versteckte, der einige Berichterstatter in Interviews an den Rand des Wahnsinns trieb und einen Fahrer, der immer für eine Überraschung gut war.