• 01.05.2008 09:08

  • von Roman Wittemeier

Glock: "Zwei Zehntel Abstand sind ganz okay"

Timo Glock im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' über die Barcelona-Zwischenfälle und den teaminternen Kampf gegen Jarno Trulli

(Motorsport-Total.com) - Timo Glock wartet nach wie vor auf sein erstes Erfolgserlebnis in der aktuellen Formel-1-Saison. Als der Toyota-Neuzugang zu Beginn der Saison im Qualifying stark auftrumpft, erreicht er in den anschließenden Rennen das Ziel nicht. Seit Bahrain sieht er zwar die Zielflagge, schafft es aber nicht mehr in Q3. Glock erklärt im Exklusiv-Interview mit 'Motorsport-Total.com', was in Barcelona schief lief und was ihm zum Erfolg noch fehlt.

Titel-Bild zur News: Timo Glock

Timo Glock wartet immer noch auf seine ersten Punkte mit Toyota

Frage: "Timo, auch in Barcelona hattest du erneut Pech und hast dir durch einen Zusammenstoß mit David Coulthard das Rennen ruiniert. Wie denkst du jetzt, mit ein paar Tagen Abstand, darüber?"
Glock: "Es war kein ganz einfaches Wochenende, obwohl es am Freitag im ersten Freien Training ganz gut lief. Im zweiten Freien Training haben wir dann ein paar Probleme gehabt, Samstagfrüh ging es dann wieder gut. Ich habe auch in Qualifying ein gutes Gefühl gehabt, leider habe ich es nicht in die Top-Ten geschafft. Wir hatten mit dem letzten Reifensatz das gleiche Problem wie schon Bahrain, wo wir einfach nicht mehr schneller geworden sind."#w1#

Auffahrunfall in Barcelona

"Im Rennen kam ich von Platz 14 und hatte im ersten Stint schon einen Frontflügelschaden. Da hatte mir Nakajima den Flügel leicht abgefahren, die Endplatte war kaputt. Das hat mich ziemlich viel Anpressdruck auf der Vorderachse gekostet, weil der Frontflügel einfach nicht mehr so funktionierte. Dann war ich die ganze Zeit hinter David Coulthard und es war manchmal schwierig im Verkehr. Sobald ich hinter einem Auto fuhr, wurde meines ziemlich nervös und ich habe mir da die Reifen schnell ruiniert. Dann ist er beim letzten Boxenstopp wieder vor mir herausgekommen."

"Sobald ich hinter einem Auto fuhr, wurde meines ziemlich nervös." Timo Glock

"Ich wollte ihn eigentlich schon vorher mal überholen, weil er mit neuen Reifen langsamer war, habe dann aber nachgeben müssen in Kurve vier. Auf dem Weg zur Kurve fünf hat er dann einen relativ großen Abstand gehabt, etwa eineinhalb Wagenlängen. Ich war gar nicht in Schlagdistanz und wollte eigentlich gar nicht überholen. Dann hat er so früh gebremst, sodass ich dann nach innen gezogen bin und im Endeffekt hat es dann nimmer gelangt. Ich konnte das Auto nicht so verlangsamen wie ich wollte und musste dann einfach innen rein. Er hat dann zugemacht und ich konnte das Auto nicht mehr stoppen. Dann wusste ich nicht, wohin. Dann war der Frontflügel ab und durch den Extra-Boxenstopp das Rennen vorbei."

Frage: "Habt ihr beiden anschließend zusammen eine Limo getrunken?"
Glock: "Nee, ich habe ihn nachher gar nicht mehr gesehen. Ich werde ihn in der Türkei sicherlich noch einmal ansprechen."

Frage: "Gibt es bei der Schuldfrage schon eine Richtung, oder sagst du: dumm gelaufen?"
Glock: "Im Endeffekt: wer auffährt, hat immer Schuld (lacht). Und das war ich eben. Wie gesagt, ich habe halt nicht damit gerechnet, dass er so früh bremst. Dumm gelaufen, abhaken und beim nächsten Rennen gucken."

Frage: "Was wäre für dich denn drin gewesen, wenn die Zwischenfälle mit Nakajima und Coulthard nicht passiert wären?"
Glock: "Das mit Nakajima hat nur wenig Unterschied gemacht, denn ich war sowieso hinter Coulthard nach den ersten beiden Kurven. Ich konnte da eh nix machen, weil man einfach nicht überholen kann. Nach dem Boxenstopp sind wir ja vor Nick Heidfeld und vor Giancarlo Fisichella wieder herausgekommen, also wäre so Platz neun oder zehn möglich gewesen. Mehr ging nicht, weil wir im ersten Stint so viel verloren haben."

"Platz neun oder zehn wäre möglich gewesen. Mehr ging nicht." Timo Glock

Kuriose Streckenverhältnisse in Spanien

Frage: "Es haben viele Teams darüber geklagt, dass sich die Strecke im Verhältnis zum Test eine Woche zuvor total verändert hätte. Wie kann das sein?"
Glock: "Das war jetzt in Barcelona wirklich so heftig, wie ich es noch nie erlebt habe. Es war auch nie in der GP2 so extrem. Am Freitag war das Auto so unruhig, da war plötzlich null Gummi. Wir hatten beim Test in der Woche vorher so viel draufgelegt, auch mit den Slick-Reifen und da gab es so viel Grip. Dann kommst du eine Woche später wieder zurück und es ist nichts mehr übrig. Das war schwierig und hat vielleicht nachher auch den Unterschied zwischen Jarno und mir gemacht. Jarno hat gewusst, dass die Strecke zu ihm kommt oder zum Auto und er hat gar nicht so viel verstellt."

"Wir haben ein paar Dinge ausprobiert, wo wir uns vielleicht ein Bein gestellt haben oder ich auch ein bisschen durcheinander war. Das hat dann nicht ganz so gut funktioniert. Dann muss man vielleicht so ein Rennwochenende nehmen und sagen, dass ich es von meiner Seite noch ein bisschen anders angehen muss und vielleicht weniger Veränderungen machen muss. Ich muss mich dann vielleicht mehr darauf konzentrieren, was die Strecke macht."

Frage: "Hast du selbst Geduld mit dir?"
Glock: "Nein, ich bin eigentlich ein ungeduldiger Typ. Ich werde immer wieder von meinem Manager Hans-Bernd (Kamps; Anm. d. Red.) zurückgeholt und der sagt dann: 'Mensch, überleg mal. Es ist doch erst dein viertes Rennen und mach mal ganz ruhig. Jarno hat über 150 Grands Prix, also viel mehr Erfahrung und wir sind nur zwei Zehntel weg' - also: ungeduldig bin ich, aber ich muss da mal zurückstecken."

Timo Glock

Zwei Kollisionen sorgten in Barcelona für wenig Freude bei Timo Glock Zoom

Zeitsuche wird zur Kurvendiskussion

Frage: "Du hast es selbst gerade genannt. Der Abstand zu Jarno Trulli beträgt konstant zwei Zehntelsekunden. Das ist in jedem Freien Training so, im Qualifying und auch bei den schnellsten Rennrunden. Wo und wie holt er diese Zeit?"
Glock: "Wo er extrem gut ist, das ist am Kurveneingang. Da macht er mit seinem Fahrstil die ein oder andere Zehntel gut. Es summiert sich von Kurve zu Kurve, dort mal eine Hundertstel und dort mal eine Hundertstel. Was ich am Kurveneingang verliere, mache ich teilweise am Ausgang wieder wett, aber nicht alles. Sagen wir mal, er holt zwei Zehntel am Eingang und ich hole nur 1,7 Zehntel wieder zurück, dann verliere ich pro Kurve drei Hundertstel. Am Ende der Runde sind es dann drei Zehntel. Ich kann halt in der Kurvenmitte und am Kurvenausgang noch nicht das machen, was ich gerne machen würde."

"Jarno fährt halt einfach schneller in die Kurve rein mit etwas mehr Untersteuern und setzt das Auto an einem ganz anderen Kurvenpunkt einfach um und dann ist er trotzdem am Kurvenausgang noch so schnell, dass er eben einfach ein paar Hundertstel immer mitnimmt. Das ist genau das, wo ich dran arbeiten muss. Dann kommt ja vielleicht auch der Moment, wo wir das Auto noch ein bisschen mehr in die Richtung bekommen, in die ich es haben will. Dann könnte das schon wieder ganz anders aussehen."

Frage: "Was muss sich am Auto aus deiner Sicht denn ändern, damit du die nötige Zeit holen kannst?"
Glock: "Ich bin eher der Typ, der ein neutrales Auto braucht und der ein Auto haben möchte, das von der Vorderachse dominiert wird. Die Hinterachse muss immer noch so stabil sein, damit man auch dementsprechend aggressiv in die Kurve hereinfahren kann, aber ich will es halt am Scheitelpunkt der Kurve so stehen haben, wie ich es für den Ausgang brauche. Dafür braucht man dann auch die entsprechende Traktion, um das dann umzusetzen. Das ist im Moment noch nicht ganz so da, wie es sein soll. Generell müssen wir versuchen, noch mehr an der Aerodynamik zu verbessern. Wir müssen an der aerodynamischen Effizienz noch arbeiten."

"Ich kann halt in der Kurvenmitte und am Kurvenausgang noch nicht das machen, was ich gerne machen würde." Timo Glock

Frage: "Wie gehst du eigentlich ein Rennwochenende an? Gibt es einen festen Ablauf für dich, oder ein Programm, das du ab Freitag abspulst?"
Glock: "Das wird vorher immer mit dem Team und den Ingenieuren besprochen. Ich habe da keinen festen Ablauf. Ich hätte schon einen Ablauf für Barcelona gehabt, aber der war eben dadurch über den Haufen geworfen, weil die Strecke ganz anders war."

Dezenter Optimismus vor Istanbul

Frage: "Der kommende Grand Prix in der Türkei bringt wieder eine andere Streckencharakteristik. Es gibt dort verdammt schnelle Kurven und größere Höhenunterschiede. Was rechnest du dir aus, kannst du auf einem solchen Kurs näher dran sein?"
Glock: "Man muss mal abwarten. Es waren bisher auf allen Rennstrecken - die ja von Australien bis Barcelona auch alle unterschiedlich waren - immer diese zwei oder drei Zehntelsekunden. In den ersten Rennen war es sogar weniger, beim Q2 nur ein paar Hundertstel zwischen Jarno und mir. Jetzt müssen wir sehen, dass das innerhalb des Jahres weniger wird. Ich glaube kaum, dass es einen Zusammenhang mit den Strecken gibt. Wir hatten schon solch unterschiedliche Charakteristiken bisher, da war es trotzdem immer wieder gleich."

Frage: "Welchen Eindruck hast du von der Kräfteverteilung im Formel-1-Mittelfeld? Hat sich Renault nach vorne abgesetzt?"
Glock: "Bei Renault muss man schon sagen, dass die in Barcelona ein Stück vor uns waren. Jetzt muss man erst einmal sehen, ob die das auch mit nach Istanbul nehmen können. Wenn ja, dann sind sie eben einen kleinen Schritt vor uns. Dann müssen wir zurückschlagen."

"Bei Renault muss man schon sagen, dass die in Barcelona ein Stück vor uns waren." Timo Glock

Frage: "Wenn du in den vergangenen Rennen die Ferrari so schnell fahren gesehen hast. Kam in dir mal zwischendurch der Wunsch auf, in einem knallroten Auto sitzen zu wollen?"
Glock: "Nein, ich bin jetzt keiner, der sofort im Ferrari sitzen muss. Ich bin zu Toyota gekommen und es war allen klar, dass wir jetzt nicht sofort Ferrari schlagen oder von heute auf morgen um die WM mitfahren können. Für mich ist das eine riesige Herausforderung hier, ich habe viel Spaß und ich weiß, dass wir in der Lage sind, mit unseren vorhandenen Möglichkeiten ganz vorne mitzufahren. Klar, wie gesagt habe, ich bin ungeduldig. Aber das hat nichts damit zu tun, dass ich sofort einen Ferrari fahren wollen würde.

Frage: "Ist das Team genauso geduldig mit dir wie dein Manager?"
Glock: "Bis jetzt schon. Ich habe jetzt noch nichts Negatives gehört. Man hat schon vor der Saison gesagt, dass man von mir verlangt, dass ich mit Trulli auf einem Niveau fahren soll. Nach vier Rennen sind zwei Zehntel Rückstand ganz okay, würde ich sagen."