• 15.03.2010 13:35

  • von Dieter Rencken

Fry: "Wir wissen genau, was wir tun müssen"

Team-Geschäftsführer Nick Fry im Interview über den Großen Preis von Bahrain, das Comeback von Michael Schumacher und die Formel-1-Spannung

(Motorsport-Total.com) - Am Sonntag fiel der Startschuss für die neue Formel-1-Saison und das Mercedes-Team kam in der arabischen Wüste von Bahrain sehr gut aus den Startblöcken. Michael Schumacher und Nico Rosberg hatten sich bereits in der Qualifikation eine gute Ausgangslage gesichert und fuhren im Rennen prompt in die Top 6. Damit ist Team-Geschäftsführer Nick Fry zufrieden. Im Interview spricht der Brite über das erste Saisonrennen und mögliche Verbesserungen am Format der Formel-1-Grands-Prix.

Titel-Bild zur News: Nick Fry (Geschäftsführer)

Nick Fry ist guter Dinge: Der Saisonauftakt verlief für das Mercedes-Team erfolgreich

Frage: "Nick, Mercedes hat schon vor dem Saisonauftakt gesagt, dass man zunächst wohl nicht um Siege kämpfen wird. Ist die Situation schlechter als erwartet?"
Nick Fry: "Nein. Ich denke, es ist ziemlich genau so, wie wir das erwartet hatten. Ermutigend ist doch, dass das Fahrzeug zuverlässig war. Außerdem konnten wir einige gute Punkte machen und liegen in der Herstellerwertung auf dem dritten Platz."#w1#

"Unser Konkurrent auf Rang zwei dieser Rangliste liegt nur wenige Punkte vor uns. Wir sind also überhaupt nicht enttäuscht. Die Leistung des Autos zeigt allerdings, dass wir diesbezüglich noch Arbeit investieren müssen. Es geht aber nicht um einen bestimmten Bereich."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Bahrain


"Bei den technischen Briefings habe ich die Information erhalten, dass es sich um einige Kleinigkeiten dreht, die wir noch verbessern müssen. Das sind aber allesamt Dinge, die wir tun können. Innerhalb des Teams gibt es keinerlei Probleme. Wir wissen genau, was wir tun müssen. Es gibt bereits Pläne, um diese Ziele zu erreichen."

Das Schumacher-Comeback war erfolgreich

Frage: "Es besteht offensichtlich ein Abstand zwischen Ferrari, Red Bull und dem Mercedes-Team. Könnt ihr diese Lücke innerhalb kurzer Zeit schließen? Ist das möglich?"
Fry: "Das ist im Laufe der kommenden Rennen sicherlich möglich. Allerdings wissen wir halt nicht, welche Asse unsere Konkurrenten noch im Ärmel haben. Unsere Planungen sehen jedenfalls einen ordentlichen Fortschritt im Hinblick auf die Leistung vor."

"Der Plan sieht sehr ordentlich aus, aber nur die Zeit kann uns verraten, ob er ausreichend ist." Nick Fry

"Vielleicht fällt dieser Schritt bei ihnen größer aus als bei uns - das wissen wir nicht. Wir können aber nur tun, was in unserer Macht steht. Wir haben eine tolle Ingenieursmannschaft und haben tolle Anlagen. Der Plan sieht sehr ordentlich aus, aber nur die Zeit kann uns verraten, ob er ausreichend ist. Wir sind allerdings recht zuversichtlich."

Frage: "Wie lautet dein Fazit zur Leistung von Michael Schumacher?"
Fry: "Michael ist bester Dinge. Er hatte ganz offensichtlich sehr viel Spaß und das ist schließlich das Wichtigste. Er kam zurück, weil er wusste, dass ihm das Rennfahren in der Vergangenheit sehr viel Freude bereitet hat. Ich denke, er konnte feststellen, dass er auch in Zukunft Spaß daran haben wird. Für uns ist das überaus ermutigend."

"Er sieht taufrisch aus. Das ist bei beiden Fahrern der Fall und das stimmt uns ebenfalls zuversichtlich. Unmittelbar nach dem Rennen haben sich die Piloten mit Ross in einem technischen Meeting zusammengesetzt und eine Liste mit Dingen erstellt, die wir zu erledigen haben. Es ist wohl ein bisschen wie in alten Zeiten."

Bei Mercedes stimmt das Teamwork

Frage: "Noch ist Michael nicht ganz mit dem Auto zufrieden. Könnt ihr das in den Griff bekommen und das Auto in seine Richtung bringen, sodass er sein Bestes geben kann?"
Fry: "Wenn man sich die Diskussionen im Team anhört, dann kann man keine großen Unterschiede beim Feedback von Michael und Nico feststellen."

"Beide wissen, was es braucht, um das Auto zu verbessern. Ihre Sichtweise ist sehr ähnlich. Zumindest mir ist in Bezug auf etwaige Sonderwünsche von Michael noch nichts zu Ohren gekommen. Ermutigend ist jedenfalls, dass wir eine To-Do-Liste erstellt haben."

"Ich bin unglaublich beeindruckt von Nicos Herangehensweise." Nick Fry

Frage: "Wie groß war der Motivationsschub, den Nico an diesem Wochenende erhalten hat? Der Fokus lag in Bahrain ganz klar auf Michael und Nico schlug ihn sowohl in der Qualifikation als auch im Rennen..."
Fry: "Ich bin unglaublich beeindruckt von Nicos Herangehensweise - schon ab dem Moment, in dem er erfahren hat, dass Michael zum Team stoßen würde. Er hatte niemals ein Problem damit, ihm gegenüber zu treten. Er hat einfach weitergemacht. Er macht seine Arbeit, auch wenn der Fokus zuweilen auf Michael liegen mag."

"Nico hat jetzt einmal mehr bewiesen, wie schnell er ist. Ich denke, er wird sich auch weiterhin verbessern. Ross sieht einige Bereiche, in denen wir mit Nico arbeiten können, um nicht nur das Auto, sondern auch seine persönliche Leistung zu verbessern. Ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben ein gutes Team und die Fahrer scheinen sehr gut miteinander zusammen zu arbeiten."

"Es läuft gut. Jetzt haben wir etwas Arbeit vor uns, aber wir sind alles andere als entmutigt. Wir haben viel Potenzial und das ist, was zählt. Wir haben eine lange Saison vor uns und ich bin davon überzeugt, dass wir die Leute und die Ausrüstung haben, um unter der Führung von Ross am Ende des Jahres sehr gut dazustehen."

Ist die Formel-1-Show gut genug?

Frage: "Was sagst du zur Leistung deines ehemaligen Piloten Jenson Button, wenn du das im Zusammenhang mit dem Auftritt deiner neuen Fahrer siehst?"
Fry: "Jenson ist sicherlich mit einer Lücke konfrontiert, die er erst einmal schließen muss. Das ist offensichtlich. Ich bin mir sicher, dass er sich nach diesem Wochenende einige Gedanken machen wird, wie er den Abstand zu Lewis wettmachen kann."

"Lewis hat ganz klar einen Heimvorteil im Team - zumindest im Augenblick." Nick Fry

"Lewis hat ganz klar einen Heimvorteil im Team - zumindest im Augenblick. Aber je länger Jenson bei diesem Team bleibt, umso geringer wird das. Er muss seine eigene Leistung genau analysieren. Es ist nicht alleine das Fahren an sich, sondern auch die Arbeitsweise mit dem Team. Jenson kennt alle Kniffe und muss sich jetzt eben reinknien."

Frage: "Man rechnet förmlich mit einer epischen Saison, aber das Spektakel auf der Strecke hielt sich beim Saisonauftakt in Bahrain in überschaubaren Grenzen. Wie kann es der Formel 1 da gelingen, neue Fans und Sponsoren an Land zu ziehen, wenn die Show nicht besonders toll ist?"
Fry: "Ich denke, es wäre schlecht, wenn wir nicht darauf reagieren würden. Wir haben ein Rennen gesehen, das nicht gerade zu den aufregendsten Grands Prix zählt, die jemals ausgetragen wurden."

"Nun geht es für uns darum, uns diese Sache genau anzusehen. Wir müssen etwas tun. Technische Veränderungen sind sehr schwierig vorzunehmen und auch teuer. Vielleicht sollten wir aber weniger auf die technische, sondern eher auf die sportliche Seite schauen - gemeinsam mit Bernie und der FIA."

"Der Kunde ist König, wie wir wissen." Nick Fry

"Wir werden sehen, was wir in dieser Sache unternehmen können. Der Kunde ist König, wie wir wissen. Das sind die Fans an der Strecke und das Publikum vor dem Fernseher. Ihnen müssen wir eine gute Show bieten. Wir müssen einfach sehen, was wir tun können."

Frage: "Manche Teamchefs sagen, dass man sich vielleicht darüber Gedanken machen sollte, zwei Pflicht-Boxenstopps im Rennen einzuführen..."
Fry: "Das ist eine der Sachen, die wir uns anschauen müssen. Wir haben schon einmal darüber gesprochen und entschieden uns damals dagegen."

"Es ist jedenfalls ein Ansatz, den man sicherlich umsetzen könnte. In meinen Augen würde das niemandem einen bestimmen Vor- oder Nachteil bescheren. Ich bin mir sicher: Das steht ziemlich weit oben auf unserer Liste."

Die neuen Teams haben Nachholbedarf

Frage: "Die neuen Rennställe wollen die Saison mit einem kleinen Budget und wenig Personal bestreiten und sehen sich dadurch automatisch ein bisschen im Hintertreffen. Wie lautet dein Kommentar zu dieser Angelegenheit?"
Fry: "Ich denke, das ist eine Frage der Organisation. Wir mussten uns alle mit der gleichen Herausforderung auseinander setzen."

"Wir haben auch nicht gerade Bauteile im Überfluss. Das war das erste Mal, dass wir ein Auto mit 450 Leuten gebaut haben. Wir haben natürlich einen kleinen Vorteil, weil wir schon im vergangenen Jahr mit nur 45 Leuten an die Rennstrecke gekommen sind. "

"Im Prinzip kann ich in Bezug auf die neuen Teams nur sagen: Es ist hart." Nick Fry

"Diese Jungs haben aber besonders hart gearbeitet. Im Prinzip kann ich in Bezug auf die neuen Teams nur sagen: Es ist hart. Du musst einfach gewisse Erfahrungen machen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie all das durchmachen werden, mit dem wir in der Vergangenheit konfrontiert wurden."

Frage: "Es gibt auch gewisse Bedenken bei der Sicherheit: Manche Dinge könnten nicht richtig erledigt oder schlichtweg vergessen werden..."
Fry: "Die Sicherheit steht zweifelsohne im Vordergrund. Man kann aber kaum einen Kommentar dazu abgeben, wenn man nicht die Details ihrer Arbeitsweise kennt."

"Die großen Teams haben aber großes Interesse daran, dass die Kleinen auch in Zukunft noch dabei sind. Es ist an uns, ihnen unsere Unterstützung zukommen zu lassen. Wenn es da etwas Bestimmtes gibt, bei denen sie Hilfe brauchen, dann sind wir im Rahmen unserer Möglichkeiten natürlich dazu bereit, zu helfen."

"Wir wollen, dass sie erfolgreich sind. Wir wollen, dass sie das Jahr überstehen und sich weiterentwickeln. Das ist sicherlich eine Position, welche die meisten großen Teams diesbezüglich einnehmen."