Friesacher: "Es ist einfach eine andere Welt"

Im Interview mit 'F1Total.com' spricht Patrick Friesacher über die Eindrücke vom Minardi-Test und seine Chancen auf ein Cockpit

(Motorsport-Total.com) - Am Montag war es soweit: Patrick Friesacher, 24 Jahre alt, kletterte in Misano erstmals in seiner Karriere in einen Formel-1-Boliden - nach zwei Formel-3000-Siegen in Ungarn 2003 und 2004 sicherlich das bisherige Highlight seiner Karriere als Rennfahrer. Dabei hat er sich offenbar prächtig aus der Affäre gezogen.

Titel-Bild zur News: Patrick Friesacher

Patrick Friesacher wird seinen ersten Formel-1-Tag "nie vergessen", sagt er

Der Österreicher, bis 2003 gemeinsam mit Fahrern wie Christian Klien oder Vitantonio Liuzzi Teil des Nachwuchsprogramms von 'Red Bull', absolvierte 42 Runden auf der 4,060 Kilometer langen Strecke im 'Autodromo Santamonica' und kam auf eine Bestzeit von 1:11.150. Damit war er an jenem Tag um mehr als zwei Sekunden schneller als alle direkten Konkurrenten und in der Gesamtwertung der gesamten Woche guter Zweiter hinter dem etwas erfahreneren Christijan Albers.#w1#

Bei Minardi steht Friesacher seit Montag hoch im Kurs

Im Interview mit 'F1Total.com' schildert Friesacher seine ersten Eindrücke von der Königsklasse des Motorsports, er geht aber auch auf seine Chancen ein, in der kommenden Saison einen Stammvertrag bei Minardi zu bekommen. Darüber hinaus äußerte er sich heute Mittag in Misano über seine Trennung von 'Red Bull', zu der es unter anderem gekommen ist, weil Christian Klien einen Formel-1-Test bekam, er aber nicht.

Frage: "Patrick, wie waren deine ersten Eindrücke von der Formel 1?"
Patrick Friesacher: "Es war ein Wahnsinn! Erstens einmal ist da die Geschwindigkeit, das ganze Drum und Dran, und dann die Bremsen, die sehr beeindruckend sind. Das war ein Tag, den ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen werde. Man kommt sich vor wie in einem Computerspiel, weil alles so schnell geht. An die Geschwindigkeiten gewöhnt man sich relativ schnell, aber die Bremsen sind das Hauptproblem."

Frage: "Ist es schwierig, die richtigen Bremspunkte zu finden?"
Friesacher: "Nein. Man muss sich eben herantasten, aber ich habe mich eigentlich sehr schnell darauf einstellen können."

Frage: "Du bist relativ schnell auf gute Zeiten gekommen. Worauf führst du das zurück? Ist dir die Umstellung vom Formel 3000 so leicht gefallen?"
Friesacher: "Ja, das ist mir tatsächlich ziemlich leicht gefallen. Um ehrlich zu sein, ich habe mir das viel schwieriger vorgestellt, aber das war überhaupt nicht der Fall. Die elektronischen Fahrhilfen, zum Beispiel die Traktionskontrolle, machen die Sache viel einfacher."

Körperlich gesehen machte nur der Nacken Schwierigkeiten

Frage: "Hattest du nach dem Test körperliche Probleme?"
Friesacher: "Das einzige Problem war der Nacken, den ich am Ende des Tages schon gespürt habe. Sonst war es eigentlich überhaupt kein Problem."

Frage: "Du warst Zweitschnellster der Minardi-Testwoche in Misano. Wie schätzt du diese Leistung ein und bist du zufrieden damit?"
Friesacher: "Das war eigentlich ganz gut. Ich bin am ersten Tag gefahren, als noch ziemlich wenig Grip auf der Bahn war. Die Strecke wird jeden Tag schneller, das ist sowieso klar. Ich selbst war ganz zufrieden und die Ingenieure und Mechaniker waren auch happy."

Frage: "War es auch vom Setup her ein Nachteil, dass du schon am ersten Tag fahren musstest?"
Friesacher: "Nein, vom Setup nicht, aber wie gesagt, die Bahn wird mit jedem Tag griffiger und das macht schon einen Unterschied."

Frage: "Bist du einfach gefahren oder hast du mit dem Team auch am Setup gearbeitet?"
Friesacher: "Wir haben dann schon auch ein wenig mit dem Setup herumgespielt, aber am Anfang muss man sich einmal auf die neue Situation einstellen. Zuerst bist du eher mit dir selbst beschäftigt, aber danach haben wir mit dem Setup begonnen. Oberflächlich zumindest."

Frage: "Minardi ist das kleinste Team der Formel 1, sehr familiär, sehr überschaubar. Hast du trotzdem etwas von der Professionalität der Formel 1 mitbekommen?"
Friesacher: "Ja, das merkt man auf jeden Fall. In einem Formel-3000-Team arbeiten insgesamt zwölf Leute oder so, aber hier hast du plötzlich wahnsinnig viele Mechaniker und Ingenieure um dich herum. Auch von der Presse, von den Fotografen her - es ist einfach eine andere Welt."

Stoddart möchte Friesacher angeblich "unbedingt" verpflichten

Frage: "Du hast viele Konkurrenten um die Minardi-Cockpits für nächstes Jahr. Muss man sich das so wie bei 'eBay' vorstellen, dass es einen Termin gibt, und wer da mit dem dicksten Geldbeutel aufkreuzt, bekommt den Zuschlag?"
Friesacher: "Das kann ich momentan nicht sagen. Sie haben sich diese Woche einmal umgeschaut, wie sich die Kandidaten so schlagen, und ich habe das Gefühl, dass das Team zufrieden mit mir war. Mit Paul Stoddart habe ich auch gesprochen, und er möchte auch unbedingt, dass ich nächstes Jahr für ihn fahre. Minardi ist aber ein kleines Team und ich brauche Sponsoren. Gratis wird sicher keiner fahren können, das ist logisch. Es war noch nie der Fall, dass irgendjemand im ersten Jahr in der Formel 1 gratis gefahren ist. Auch Michael Schumacher hat zahlen müssen."

Frage: "Wie schätzt du deine Chancen ein?"
Friesacher: "Schwer zu sagen. Momentan schaut es ganz gut aus. Ich bin in Verhandlungen mit zwei größeren Konzernen. Wenn das klappt, dann stehen die Chancen gut."

Frage: "Auf deinem Rennoverall sind mir in Misano die 'trend ag', 'Remus', der Kärntner Tourismusverband und 'Südhaus Kärnten' aufgefallen. Würden diese Firmen mit dir in die Formel 1 mitgehen oder war das nur eine einmalige Sache?"
Friesacher: "Das war nur für dieses Jahr, für nächstes Jahr wird man sehen. Ich kann über Sponsorenverhandlungen aber leider nichts sagen."

Frage: "Du warst lange auch eines der Aushängeschilder von 'Red Bull'. Warum ist es letztes Jahr zur Trennung gekommen?"
Friesacher: "Es sind ein paar Sachen vorgefallen, die mir nicht gepasst haben. Sie wollten mich nach Japan schicken, in die Formel Nippon, aber davon war ich nicht begeistert."

Beziehung zu 'Red Bull' hat "nicht mehr gepasst"

Frage: "Das heißt, 'Red Bull' hatte Pläne für dich, mit denen du nicht einverstanden warst, und du hast ihnen dann den Rücken zugekehrt. Habe ich das richtig verstanden?"
Friesacher: "Ja, schon. Ich hätte es ja verstanden, wenn man gesagt hätte, 'Okay, du und der Christian (Klien; Anm. d. Red.), ihr bekommt beide einen Formel-1-Test, und wer dann schneller ist, der kriegt das Cockpit', aber das war leider nicht der Fall. Und es gab auch noch ein paar andere Geschichten. Ich kann jetzt die Gründe nicht nennen, aber wie gesagt, es hat einfach nicht mehr gepasst."

Frage: "Hat dadurch das Verhältnis zu Christian Klien gelitten?"
Friesacher: "Nein, überhaupt nicht. Das hat mit dem Christian ja nichts zu tun."

Frage: "Du wirst demnächst auch für Jordan testen. Kannst du dazu schon mehr verraten?"
Friesacher: "Nein. Ich weiß nur, dass der Test stattfinden wird, aber das Datum erfahre ich erst noch. Es steht auch noch nicht fest, ob es noch im Dezember soweit ist oder erst im Januar. Ich habe aber eine Zusicherung."

Frage: "Ich weiß, dass du gerne in die ChampCar-Serie wechseln möchtest, falls es mit der Formel 1 nicht klappen sollte, aber ist nicht auch die Formel Superfund, die ja momentan extrem gepusht wird, ein Thema für dich?"
Friesacher: "Nein, überhaupt nicht."

Frage: "Wie groß ist die Chance in Prozent, dass wir dich nächstes Jahr in der Formel 1 sehen werden?"
Friesacher: "Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Es ist noch zu früh, aber es schaut bis jetzt einmal alles gut aus. Ich hoffe, dass es klappt. Aber eine Zahl in Prozent kann ich dir nicht sagen."