• 09.06.2008 02:37

Freud und Leid bei Heidfeld

Nick Heidfeld war eine tragische Figur beim Rennen in Kanada - Zweiter Platz beim Premierensieg von Teamkollege und Rennstall

(Motorsport-Total.com) - Nick Heidfeld dürfte am Sonntag die verschiedensten Gefühle gehabt haben. Nach einem Leistungstief in den vergangenen Rennen konnte der Mönchengladbacher in Montréal wieder einmal toll auftrumpfen - musste aber gleichzeitig mit ansehen, wie Teamkollege Robert Kubica den ersten Sieg für das BMW Sauber F1 Team einfuhr. Ganz so hatte sich Heidfeld den Premierenerfolg wahrscheinlich nicht vorgestellt, war aber dennoch mit Platz zwei zufrieden.

Titel-Bild zur News: Nick Heidfeld

Pure Fröhlichkeit strahlte Nick Heidfeld nach dem Rennen nicht aus...

Frage: "Nick, du warst offensichtlich auf einer anderen Strategie unterwegs als Robert. Aber am Ende steht ein großartiges Ergebnis..."
Heidfeld: "Ja, ich bin natürlich sehr zufrieden mit dem zweiten Platz. Ich freue mich sehr für Robert und das Team - das ist unser erster Doppelsieg. Für mich war es ein gutes Rennen und in meiner aktuellen Lage auch ein wunderbares Ergebnis."#w1#

Zweiter Platz als Erlösung

"Ich hatte in letzter Zeit etwas zu kämpfen und denke, man konnte am Wochenende ablesen, dass es wieder etwas besser für mich lief. Ich hatte einen schlechten Start und bin hinter Rubens Barrichello zurückgefallen. Ich habe ihn überholt und hatte wohl die beste Pace im Feld, einmal abgesehen von Lewis (Lewis Hamilton; Anm. d. Red.) auf den harten Reifen, und das war gut so."

"Ich befand mich dann in der glücklichen Lage, auf einem sehr langen ersten Stint zu sein und konnte so eine große Lücke aufbauen und für den zweiten Stint sogar vor Robert herauskommen. In dieser Phase haben wir entschieden, mich mit den weichen Reifen zu einem Einstopper umzurüsten und das war die richtige Wahl. Ich hatte auf den weichen Reifen aber zu kämpfen. Das hatte ich schon im Qualifying beobachtet und das hat mich nicht gerade beruhigt."

Frage: "Wie schwierig war der Option-Reifen zu fahren? Du hast darauf ungefähr 40 Runden zurückgelegt..."
Heidfeld: "Das war schon sehr schwierig, ja, aber auf der anderen Seite viel besser als noch im Vorjahr. Wenn man sich zurückerinnert, dann wurde Fernando (Fernando Alonso; Anm. d. Red.) im letzten Stint von Takuma Sato überholt. Daran kann sich wohl jeder erinnern. In diesem Jahr lief es dort für mich nicht ganz hervorragend in einem fast vollen Auto, aber ich konnte beispielsweise wenigstens Alonso hinter mir halten."

Alonso im Windschatten

Frage: "Fernando machte auch mächtig Druck..."
Heidfeld: "Ja, er machte hinter mir mächtig Dampf. Ich habe das Team gefragt, ob ich ihn vorbeilassen kann, weil ich der Ansicht war, dass er ohnehin noch einmal würde stoppen müssen. Aber zuerst haben sie mir gesagt, dass ich meine Position verteidigen sollte, was mich etwas überrascht hat. Ich habe das dann aber gemacht und ein Auge auf ihn gehabt."

"Später haben sie mir dann gesagt, dass wenn er viel schneller als ich sein sollte und mich attackieren würde, dass ich ihn dann vorbeilassen sollte. Aber ich hätte dabei wohl mehr Zeit verloren als so. Ich habe ihn einfach beobachten und dann tauchte er einmal auf der Innenseite von Kurve zehn auf und ich ließ die Türe für ihn offen. Da ging er dann aber geradeaus und kurz darauf crashte er."

Frage: "Du hast von der Überlegung gesprochen, Fernando vorbeizulassen. Wusstest du zu diesem Zeitpunkt, dass du Robert zum Sieg verhelfen würdest, wenn du Fernando hinter dir behieltest?"
Heidfeld: "Ich habe daran gedacht, aber ich helfe Robert gerne, solange es mein eigens Rennen nicht ruiniert. Das war ja nicht der Fall. Ich hatte Fernando hinter mir und das war für mich ja keine große Sache. Aber zu einem Zeitpunkt dachte ich, dass Robert ohnehin zu weit weg war und Alonso keine Gefahr mehr für ihn dargestellt hätte, auch wenn er mich noch überholt hätte."

Barrichello als früher Gegner

Frage: "An Barrichello vorbeizukommen war unbedingt notwendig..."
Heidfeld: "Ja, es war sehr wichtig, an Rubens vorbeizugehen, denn ich hatte ja leider einen schlechten Start. Die rechte Seite war einfach nicht so gut. Er (Rubens Barrichello; Anm. d. Red.) ging sogar an Kovalainen (Heikki Kovalainen; Anm. d. Red.) vorbei, der ihn dann seinerseits auf der Geraden kassierte, das war nicht leicht für mich. Ich war deutlich schneller aber nachdem ich ihn überholt hatte, konnte ich schnell zu Kovalainen aufschließen."

"Aber ich hatte keine Überholchance, denn der Speed der McLaren-Mercedes auf der Geraden war zu gut, selbst wenn wir Seite an Seite aus Kurve zehn gekommen wären. Aber dann kann ja ohnehin das Safety-Car heraus. Ich habe dann zugesehen, wie alle Autos vor mir in die Box gefahren sind und ich blieb draußen und sparte Sprit."

"Deshalb konnte ich überhaupt erst auf einen Stopp umswitchen. Das war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich die richtige Entscheidung. Ich habe das eigentlich vorgeschlagen und fragte, ob das überhaupt möglich wäre. Aber im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, dass es wohl nicht allzu viel ausgemacht hätte, wenn ich auch zwei Stopps eingelegt hätte, denn ich bin ja so oder so vor Robert rausgekommen."

Ein großer Tag für BMW

Frage: "Wie waren die Streckenbedingungen? Wie hat der Kurs die Temperaturen verkraftet?"
Heidfeld: "Einerseits sollte ein Formel-1-Kurs garantiert nicht so aussehen, auf der anderen Seite war es viel besser als noch im Qualifying am Samstag. Da war es noch schlimmer als gestern gegen Ende des Rennens. Die Reparaturarbeiten waren also okay, aber trotzdem noch nicht wirklich genug."

Frage: "Du bist genau wie jeder andere ein Teil dieses Teams - was sind dein Gedanken an diesem großen Tag für das BMW Sauber F1 Team?"
Heidfeld: "Ja, ich war von Anfang an bei diesem Team an Bord. Ich habe mit BMW schon bei Williams und auch bei Sauber zusammengearbeitet. Es ist einfach großartig für das Team, durch Robert den ersten Sieg eingefahren zu haben und dann gleich auch noch einen Doppelsieg."

"Das zeigt doch sehr gut, dass wir in die richtige Richtung gehen. Das verdeutlicht auch, dass wir in den vergangenen drei Jahren immer unsere Ziele erreicht haben und ich denke, wir haben diese für Formel-1-Verhältnisse recht hoch angesetzt. Das Ziel für dieses Jahr war es, ein Rennen zu gewinnen und das haben wir geschafft."

"Unser Ziel für das kommende Jahr ist es, um die Meisterschaft zu fahren und ihr könnt euch sicher sein, dass wir da Vollgas geben werden. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an das Team, vor allem an die Jungs in Hinwil, die ein neues Chassis für mich gebaut haben. Nachdem Alonso mich in Monaco abgeschossen hatte, war das ziemlich ramponiert."

Freud und Leid bei Heidfeld

Frage: "Dein Teamkollege hat gestern gewonnen, freust du dich ausschließlich oder bist du auch etwas frustiert?"
Heidfeld: "Etwas von beidem. Ich würde es jetzt nicht Frustration nennen, denn ich schaue auch auf meine Situation in den vergangenen Rennen, wo ich etwas zu kämpfen hatte. Deshalb ist der zweite Platz nicht ganz übel, wenn man ihn vom achten Startplatz aus erreicht hat, und auch wenn man meine Pace aus dem ersten Stint betrachtet."

"Nachdem ich an Barrichello vorbei war, bin ich wohl gemeinsam mit Lewis der Schnellste im Rennen gewesen und war noch auf mehr Sprit unterwegs. Aber es war mit der hohen Spritladung auf den Option-Reifen einfach sehr schwierig. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir exakt an diesem Zeitpunkt die Möglichkeit dazu bekamen. Ein großartiges Resultat für das Team."

Frage: "Wenn man sich die WM-Wertungen ansieht - ist das BMW Sauber F1 Team jetzt ein Topteam?"
Heidfeld: "Wir haben die Konstrukteurswertung schon früher in dieser Saison angeführt, jetzt liegt Robert in der Fahrerwertung vorne. Wir sollten also mittlerweile schon ein Topteam sein. McLaren-Mercedes und Ferrari haben meiner Meinung nach in diesem Jahr schon einige Fehler gemacht, haben hier und dort ein paar Rennen verschenkt. Aber natürlich braucht es auch ein Topteam und gute Fahrer um diese Fehler nicht zu machen, also würde ich mit 'Ja' antworten."

Keine Teamorder bei BMW

Frage: "Du hast deine persönliche Situation angesprochen. Ist der zweite Platz nun eine positive Entwicklung für dich oder eher nicht, weil dein Teamkollege gewonnen hat?"
Heidfeld: "Wie ich schon sagte, etwas von beidem. Ich freue mich natürlich für Robert, denn er hat heute großartige Arbeit geleistet. Er hat den Sieg verdient. Aber was wäre ich für ein Rennfahrer, noch dazu im selben Team, wenn ich so nahe an meinem ersten Sieg nicht etwas enttäuscht wäre?"

Frage: "Wurdest du vom Team dazu aufgefordert, Robert überholen zu lassen?"
Heidfeld: "Nein, denn Teamorder ist ja nicht erlaubt. Aber ich war ja auf einer Einstoppstrategie und viel schwerer als Robert. Mit diesem Wissen im Hinterkopf ist das innerhalb des Rennstalls eine klare Sache, dass ich es Robert nicht allzu schwer machen wollte."