Ein Jahr danach: Kubica, König von Montréal!

Das BMW Sauber F1 Team feierte in Kanada einen historischen Doppelsieg vor David Coulthard - Hamilton schoss Räikkönen in der Boxengasse ab

(Motorsport-Total.com) - Manche Geschichten schreibt eben nur die Formel 1: Ein Jahr nach seinem Horrorcrash, bei dem er dem Tod nur knapp von der Schaufel gesprungen ist, gewann Robert Kubica heute im kanadischen Montréal seinen ersten Grand Prix, noch dazu in Form eines Doppelsieges des BMW Sauber F1 Teams - und er übernahm auch gleich die WM-Führung!

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

Was für eine Story: Ein Jahr nach dem Crash erster Sieg und WM-Führung!

"Robert, das ist ein historischer Sieg - du führst nun die Weltmeisterschaft an", funkte Kubica-Renningenieur Antonio Cuquerella nach der Zieldurchfahrt seines Schützlings. BMW Motorsport Direktor Mario Theissen hatte bei den ersten Interviews fast Tränen in den Augen, Mercedes-Sportchef Norbert Haug und Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali waren die ersten Gratulanten - nur der coole Pole aus Krakau brachte kaum mehr als ein zufriedenes Lächeln hervor...#w1#

Win on Sunday, sell on Monday...

Kanada 2008, das war nicht das totale Chaos, wie wir es auf dem Circuit Gilles Villeneuve auch schon erlebt haben, aber doch wieder ein sehr unterhaltsames und ereignisreiches Rennen zur europäischen Primetime. Und wieder einmal gilt der Spruch "Win on Sunday, sell on Monday", denn seit der Streichung von Indianapolis aus dem Formel-1-Kalender ist Montréal der einzige Grand Prix auf dem wichtigen nordamerikanischen Automobilmarkt - Wasser auf den Mühlen von BMW...

Begonnen hatte das Rennen erstaunlich ruhig, denn das 20 Mann starke Feld schlängelte sich wie durch ein Wunder ohne Kollisionen durch das Senna-S. Polesetter Lewis Hamilton (McLaren-Mercedes) verteidigte seine Führung vor Kubica und Kimi Räikkönen (Ferrari), während sich dahinter Nico Rosberg (Williams-Toyota) an Fernando Alonso (Renault) vorbeischob. Alonso hätte beinahe noch einen Platz an Felipe Massa (Ferrari) verloren, konnte sich aber behaupten.

Noch in der ersten Runde lieferte Heikki Kovalainen (McLaren-Mercedes) gegen Rubens Barrichello (Honda) das erste von vielen Überholmanövern am heutigen Tag, während vorne Hamilton abgeklärt sein Programm abspulte und mit jeder Runde ein paar Zehntelsekunden Vorsprung herausfuhr. Nach fünf Umläufen hatte er ein Polster von drei, nach 14 schon von fast sieben Sekunden - doch dann kam das Safety-Car auf die Strecke!

Sutil Auslöser der Safety-Car-Phase

Adrian Sutil (Force-India-Ferrari) war wegen eines technischen Defekts der "Übeltäter", denn sein Auto war an einer so ungünstigen Position gestrandet, dass es nicht sofort geborgen werden konnte. Davor hatte Nick Heidfeld (BMW Sauber F1 Team) für einige kleinere Zwischenfälle gesorgt: Erst wäre er beinahe Barrichello in der Haarnadel ins Heck gerasselt, dann bremste er sich sauber am Brasilianer vorbei.

Start in Kanada 2008

Am Start lag zunächst noch der Schnellste des Tages in Führung, Lewis Hamilton Zoom

In der 18. Runde begann die Safety-Car-Phase, die Jenson Button (Honda) zum Verhängnis wurde, weil er an die Box kam, als die Boxengasse noch geschlossen war. In Runde 19 fuhren dann die Top 7 geschlossen zum Nachtanken, wodurch Heidfeld, der ohnehin einen langen ersten Stint geplant hatte, die Führung erbte. Hinter dem Deutschen lagen plötzlich Außenseiter wie Barrichello und Kazuki Nakajima (Williams-Toyota) auf den Plätzen zwei und drei.

Die Szene des Rennens spielte sich aber beim Rausfahren aus der Box ab: Räikkönens Ferrari-Crew arbeitete am schnellsten, aber der Finne stellte sich wegen der roten Ampel am Ende der Boxengasse an, genau wie Kubica. Hamilton übersah jedoch die Ampel, krachte Räikkönen ins Heck - und Kubica dürfte unter seinem Helm hämisch gegrinst haben. Hamilton nahm die Schuld auf seine Kappe, entschuldigte sich bei Räikkönen: "Ich kann nur sagen: Sorry, Kimi!" Dennoch droht ihm eine Strafe...

Heidfeld Profiteur der Safety-Car-Phase

Nach dem Restart in Runde 22 schlug die große Stunde von Heidfeld, denn der Deutsche setzte sich dank "Vorstopper" Barrichello mühelos von den Verfolgern ab und baute so einen Vorsprung von etwa 25 Sekunden auf Kubica auf, der als Zehnter zurück auf die Strecke gekommen war. Das reichte dann auch, um beim Boxenstopp vor dem polnischen Teamkollegen zu bleiben - trotz einer Standzeit von 12,4 Sekunden, weil sein Tank randvoll aufgefüllt wurde.

Heidfeld lag damit effektiv in Führung, hatte aber auch das mit Abstand schwerste Auto und noch dazu die weichen Reifen für den längeren Stint. Das sollte sich rächen: Kubica ging nach nur einer Runde - ohne allzu viel teaminterne Gegenwehr - vor der ersten Kurve an "Quick Nick" vorbei und setzte sich dann sukzessive ab. Zumindest konnte Heidfeld aber Alonso hinter sich halten, der zu jenem Zeitpunkt auf der gleichen Strategie wie Kubica unterwegs war.

Erste Führungsrunden für Glock

Kurzzeitig erbten zwischendurch Fahrer wie Barrichello, Coulthard sowie die Toyota-Piloten Jarno Trulli und auch Timo Glock Führungskilometer, ehe sie an die Box kommen und Kubica an die Spitze durchlassen mussten. Heidfeld fightete indes weiter mit dem heute an und für sich starken Alonso im Rückspiegel, aber in der 44. Runde leistete sich Alonso einen Ausrutscher neben der Ideallinie, der das Ende seines Arbeitstages bedeutete.

Rubens Barrichello

Honda-Altstar Rubens Barrichello lag heute eine Zeit lang in Führung Zoom

Der Doppelweltmeister war damit zumindest in guter Gesellschaft, denn auch andere Topfahrer wie etwa Massa wurden mal neben der Strecke gesehen. Giancarlo Fisichella (Force-India-Ferrari) crashte ebenso wie Nakajima, der ohne Frontflügel an die Box kam und manövrierunfähig in die dort stehende Mauer krachte. Nelson Piquet Jr. musste seinen Renault nach bis dahin starker Vorstellung mit einigen Überholmanövern frustriert in der Garage abstellen.

Doch zurück zur Spitze: Kubica blieb nach seinem wegen des Safety-Car-Risikos vorgezogenen Boxenstopp in Runde 40 locker in Führung und musste den Sieg von da an nur noch nach Hause fahren. Die größte Gefahr stellte im Prinzip der Alonso-Ausfall dar, denn wenn deswegen das Safety-Car auf die Strecke gekommen wäre, hätte er seinen Vorsprung auf Heidfeld verloren und wäre dann beim Boxenstopp zurückgefallen.

Coulthard im Stile eines alten Hasen

Den dritten Platz fuhr sicher David Coulthard (Red-Bull-Renault) nach Hause, der die ganze Cleverness seiner 37 Jahre in die Waagschale warf und abgesehen von einem minimalen Fahrfehler eine souveräne Vorstellung ablieferte - natürlich mit dem nötigen Rennglück. Aus deutscher Sicht erfreulich: Glock rettete seinen vierten Platz ins Ziel und holte damit vier Jahre nach seinen ersten Formel-1-Punkten in Kanada seine ersten fünf Zähler für Toyota.

Der Deutsche hatte heute einen bewegten Tag: Lange lieferte er sich ein Duell mit Teamkollege Trulli, an dem er durch den Boxenstopp vorbeikam. Vom Italiener absetzen konnte er sich aber nicht wirklich - und als er Trulli nach einem kleinen Rutscher im Senna-S den Weg abschnitt, nutzte Massa die Gunst der Stunde und schlüpfte durch. An Glock fand der Ferrari-Pilot aber keinen Weg mehr vorbei, womit unterm Strich Platz fünf herauskam.

Massa lieferte übrigens in der 51. Runde das Manöver des Rennens, als er zusah, wie Kovalainen in der Haarnadel an Barrichello vorbeiging, selbst nach innen zog - und beide in einem Atemzug schnappte, was von der Ferrari-Crew mit frenetischem Beifall bedacht wurde! Bereits zuvor hatte er Mark Webber (Red-Bull-Renault) und Nakajima überholt, sein Pech war aber ein zusätzlicher Boxenstopp kurz nach der Safety-Car-Phase.

13 von 20 Autos im Ziel

Barrichello und der aus der Box gestartete Sebastian Vettel (Toro-Rosso-Ferrari) sicherten sich die letzten beiden WM-Punkte. Unmittelbar dahinter reihte sich Kovalainen ein, der in der Schlussphase viel Druck machte, an Vettel aber keinen Weg vorbeifand. Rosberg, ein Pechvogel der Räikkönen/Hamilton-Situation, Button, Webber und Sébastien Bourdais (Toro-Rosso-Ferrari), bei dem ein Stopp verpatzt wurde, komplettierten die Resultatsliste. Insgesamt sahen 13 der 20 Teilnehmer die Zielflagge.

Flaggen

Polen vor Deutschland in der Formel 1 - aber wie geht es im Fußball aus? Zoom

An der Spitze hatte das BMW Sauber F1 Team in den letzten Runden alles sicher im Griff, Heidfeld fand sich auch rasch mit dem zweiten Platz ab. Nach der Zieldurchfahrt kam aber natürlich Gänsehautfeeling auf, als Kubica ein Jahr nach seinem Horrorcrash seinen ersten Grand Prix gewann. Dass Heidfeld, der so gerne den ersten Sieg für BMW geholt hätte, sich nur verhalten freute, ist jedoch verständlich...

In der Weltmeisterschaft liegt damit nach sieben von 18 Rennen sensationell Kubica (42 Punkte) vor Hamilton, Massa (je 38), Räikkönen (35) und Heidfeld (28) in Führung. Auch in der Konstrukteurswertung machte das BMW Sauber F1 Team heute einen gewaltigen Sprung, denn mit 70 Zählern fehlen nun nur noch drei Punkte auf Ferrari. McLaren-Mercedes (53) liegt vor Magny-Cours an dritter Position.