Franz Tost im großen 'F1Total.com'-Interview
Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost über die Fortschritte seines Rennstalls, die Arbeit mit Gerhard Berger und Adrian Newey, die Fahrerfrage und vieles mehr
(Motorsport-Total.com) - Franz Tost kann auf eine bewegte Karriere im Motorsport zurückblicken: Mitte der 1980er-Jahre begann er als Chefinstruktor in der renommierten Rennfahrerschule von Walter Lechner, über Umwege stieß er dann auf Willi Weber, der ihm unter anderem die frühe Karriere von Ralf Schumacher anvertraute, und 2000 landete er schließlich als Cheflogistiker bei BMW.

© Red Bull
Franz Tost genießt seine vielfältige Arbeit für Red Bulls Scuderia Toro Rosso
Dort arbeitete der Tiroler eng mit seinem Landsmann Gerhard Berger zusammen, der nun als 50-Prozent-Teilhaber der Scuderia Toro Rosso wieder sein Vorgesetzter ist. Tost ist Teamchef des ehemaligen Minardi-Rennstalls, agiert aber zum ersten Mal in einer derart verantwortungsvollen Position. Bisher macht er seinen Job ganz hervorragend - allerdings auch dank Bergers Hilfe, der mit seiner Erfahrung in der Formel 1 unverändert viel bewegen kann.#w1#
Noch kein WM-Punkt nach acht Rennen
Nach acht Rennen steht die Scuderia Toro Rosso zwar noch ohne WM-Punkte da, doch die Resultate waren zum Teil recht ermutigend. Im Interview mit 'F1Total.com' sprach der 50-jährige Tost unter anderem über die zufrieden stellenden Fortschritte seiner Mannschaft, die technischen und personellen Pläne für 2007, die endlich zu den Akten gelegte Diskussion um den Cosworth-V10-Motor, seine Begeisterung für den aktuellen Job und vieles mehr.
Frage: "Franz, es war bisher eine sehr arbeitsreiche Saison für euch. Seid ihr mit dem bis jetzt Erreichten zufrieden?"
Franz Tost: "Die Arbeitsquantität ist nicht zurückgegangen, sondern es wird eigentlich immer noch mehr Arbeit. Ich muss aber sagen, dass wir Fortschritte machen. Wir sind zufrieden mit der Entwicklung des Teams und der Fahrer. Man darf ja nicht vergessen, dass wir ein Team übernommen haben, und es dauert immer eine gewisse Zeit, bis ein Team entsprechend zusammenarbeitet und bis in den einzelnen Abteilungen die Kooperation so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Dann haben wir zwei junge und unerfahrene Fahrer. Auch hier gibt es sicherlich noch viel Arbeit, die vor uns liegt. Im Ingenieurssektor gibt es auch da und dort noch einige Defizite. Im Großen und Ganzen sind wir mit den Fortschritten zufrieden, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns, bis wir den entsprechenden Erfolg haben werden."
Frage: "Das klingt nach einer großen Herausforderung, auch wegen der Sprachbarriere, denn ihr seid ein italienisches Team, das von Österreichern geführt wird..."
Tost: "Das ist richtig, aber das ist bei allen Formel-1-Teams ähnlich. Es ist ja auch nicht so, dass bei den englischen Teams nur Engländer beschäftigt sind. Es sind alle Teams sehr international. Von dem her unterscheiden wir uns kaum von anderen. Sprachlich gibt es keine Probleme, auch von der Kommunikation her sind wir recht gut aufgestellt. Es wird in erster Linie Englisch gesprochen - und natürlich auch Italienisch."
Berger ist ein alter Bekannter von Tost
Frage: "Wie siehst du die Zusammenarbeit mit Gerhard Berger? Die kam ja relativ kurzfristig vor Saisonbeginn zustande..."
Tost: "Die Zusammenarbeit mit Gerhard ist super. Ich habe mich riesig gefreut, als ich diese Nachricht erfahren habe. Wir kennen uns ja schon ewig lange, sind zusammen auch in der Formel Ford gefahren und waren dann bei BMW lange zusammen. Ich freue mich sehr, dass Gerhard Teilhaber dieses Teams ist. Das wird die ganze Operation hoffentlich noch schneller zum Erfolg führen. Die Arbeitsumfänge werden etwas aufgeteilt, denn Gerhard kann mit seiner Riesenerfahrung und mit seinen guten Verbindungen da und dort Weichen stellen, wie es sonst nicht möglich wäre."
Frage: "Zumal er ja a) selbst Fahrer war und sich damals selbst gemanagt hat und b) viel Erfahrung von BMW mitbringt."
Tost: "Genau. Diese ganzen Faktoren zusammen machen ihn so stark."
Frage: "Wie stark bringt er sich ins Tagesgeschäft ein? Arbeitet er eher im Hintergrund?"
Tost: "Er ist nicht ins Tagesgeschäft integriert, aber ich würde es nicht als Arbeit im Hintergrund bezeichnen. Gerhard ist über alle Abläufe bestens informiert. Er ist - gemeinsam mit Dietrich Mateschitz - für die großen Entscheidungen verantwortlich, die die Zukunft dieses Teams betreffen."
Frage: "Wie laufen die Fortschritte in der Entwicklung, speziell mit dem neuen Auto?"
Tost: "Die technische Weiterentwicklung des STR1 läuft auf Sparflamme - nicht von den Kosten, sondern von den Entwicklungsmöglichkeiten her, die wir haben. Wir werden demnächst mit dem 1:1-Auto in den Windkanal gehen. Wir haben einige Teile vorbereitet und hoffen, dass wir die Performance des Autos verbessern können, aber ansonsten gibt es eigentlich keine großen Weiterentwicklungen."
Scuderia Toro Rosso plant weiter mit einem Red-Bull-Chassis
Frage: "Das heißt, es wird für 2007 ein eigenes Auto der Scuderia Toro Rosso geben und kein gebrauchtes Chassis von Red Bull Racing?"
Tost: "Von einem gebrauchten Red Bull Racing kann man auch dieses Jahr nicht sprechen. Welches Auto wir nächstes Jahr fahren werden, ist noch nicht entschieden. Da haben wir noch etwas Zeit. Es wird aber kein abgenütztes, altes und gebrauchtes Auto sein, sondern wir werden uns sicher etwas einfallen lassen, damit wir die Performance und das Gesamtpaket steigern können."

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Adrian Newey bringt sich gelegentlich auch bei der Scuderia Toro Rosso ein Zoom
Frage: "Könnt ihr auch von Adrian Newey beim Schwesternteam profitieren oder ist das streng getrennt?"
Tost: "Das muss in dem Fall nicht streng geteilt werden. Newey ist sicherlich einer der besten und erfahrensten Designer in der ganzen Formel-1-Welt. Wenn wir Fragen an Newey haben, hat er für uns Gott sei Dank immer ein offenes Ohr. Wir werden sicherlich auch in Zukunft von seiner Anwesenheit profitieren."
Frage: "Christian Klien hat uns gesagt, dass die Scuderia Toro Rosso anfangs eine kleine Bremse für Red Bull Racing war. Warum sieht er das so?"
Tost: "Das weiß ich nicht. Für die Red-Bull-Racing-Leute können wir gar keine Bremse gewesen sein, denn das Red-Bull-Racing-Team ist eine separate Abteilung. Wenn, dann hat er vielleicht die Produktionsfirma gemeint, die ja für beide Teams Teile produziert hat. Das ist aber immer eine Frage der Organisation. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Toro Rosso für irgendwelche Langzeitentwicklungen oder Lieferzeiten verantwortlich ist. Mir ist davon zumindest nichts bekannt."
Frage: "Siehst du es so, dass ihr vier Red-Bull-Fahrer und zwei Testfahrer habt, oder wird da getrennt zwischen Red Bull Racing und Scuderia Toro Rosso?"
Tost: "Im Grunde genommen sind wir eine große Familie, allerdings betreiben wir ja auch Wettkampfsport. Am Sonntag ab 14:00 Uhr sind die Fahrer Gegner. Da ist ein Christian Klien für unseren Tonio Liuzzi genauso ein Gegner wie ein Fisichella oder irgendein anderer Fahrer. Da gibt es dann keinen Unterschied mehr."
Keine Kritik an den beiden jungen Fahrern
Frage: "Wie zufrieden seid ihr mit Vitantonio Liuzzi und Scott Speed?"
Tost: "Bis jetzt sind wir eigentlich sehr zufrieden mit ihnen. Sie machen einen guten Job. Wir haben gewusst, dass beide unerfahren sind, und das schlägt sich natürlich da und dort nieder, aber die Lernphase, in der sie sich befinden, ist eigentlich genau in dem Bereich, in dem wir sie erwartet haben. Die Lernkurve zeigt nach oben. Bis dato sind sie voll entwicklungsfähig. Das passt! Wir sind also voll im Fahrerfahrplan."
Frage: "Fahrerfahrplan ist ein gutes Stichwort, denn das Transferkarussell dreht sich immer schneller. Würde es aus eurer Sicht Sinn machen, mit Christian Klien einen jungen, aber dennoch erfahrenen Piloten zur Scuderia Toro Rosso zu holen?"
Tost: "Klien gehört zur Familie der Red-Bull-Fahrer, also kann es nicht ausgeschlossen werden, dass er eventuell einmal bei Toro Rosso fahren wird, aber diese Entscheidung trifft Dietrich Mateschitz gemeinsam mit Gerhard Berger."
Frage: "Beobachtest du auch die Red-Bull-Nachwuchstalente wie Michael Ammermüller oder Sebastian Vettel?"
Tost: "Da kommen Supertalente nach! Sowohl Ammermüller als auch Vettel sind zwei hochtalentierte Fahrer. Wir werden sehen, wie sie sich weiterentwickeln, denn sie haben ja noch Zeit. Dass sie ein Jahr GP2 oder Formel 3 gefahren sind bedeutet ja nicht automatisch, dass sie dann sofort Formel 1 fahren müssen. Vettel wird dieses Jahr in der Formel 3 fahren, dann wird man sehen, wie es sich für die Zukunft entscheidet. Ammermüller ist bis jetzt eine hervorragende Saison gefahren, aber auch da muss man noch abwarten, wie er sich weiterentwickelt und was er nächstes Jahr macht. Da gibt es noch keine Entscheidung."
Tost hat nichts gegen Talente aus dem Red-Bull-Kader
Frage: "Ihr seid aber schon involviert in die Nachwuchsförderung, die Red Bull auf allen Ebenen betreibt, nicht wahr?"
Tost: Ja, natürlich! Die Idee ist ja, dass Toro Rosso für die Nachwuchsfahrer offene Türen hat. Das war ein Grund, wieso Dietrich Mateschitz das Team gekauft hat. Wenn sie reif genug sind, spricht nichts dagegen, dass sie bei uns fahren."
Frage: "Anfang der Saison gab es einige Diskussionen um euren V10-Motor. Sind die jetzt komplett verstummt?"
Tost: "Ja. Diese so genannten Experten, die es da gegeben hat, sind momentan einmal ganz ruhig. Die Meldungen, die es zu Beginn der Saison von verschiedenen Leuten gegeben hat, waren völlig falsch, wie man jetzt sehen kann. Ich kann mich noch erinnern, dass uns beim ersten Rennen in Bahrain ein Podestplatz prophezeit wurde. Es wäre schön gewesen, wenn es eingetreten wäre, aber leider haben sich diese so genannten Fachleute geirrt. Sowohl die FIA als auch Cosworth haben einen sehr guten Job gemacht, denn der Motor gehört nicht zu den schlechtesten, aber auch nicht zu den besten. Wir sind mit dem Motorenreglement zufrieden. Es entspricht unseren Erwartungen."
Frage: "Wie sieht es in der Motorenfrage für 2007 aus?"
Tost: "Das werden wir sehen. Es kann durchaus sein, dass es so weitergeht. Man muss jetzt einmal abwarten, wie das Motorenreglement für 2007 wirklich genau aussieht, ob mit Stand Ende Juni die Motoren eingefroren werden, ob es eine Weiterentwicklung gibt oder nicht. Von dieser Entscheidung hängt es letzten Endes auch ab, welchen Motor wir fahren werden."
Frage: "Was hat es mit dem 'Volkswagen'-Logo auf euren Pressemitteilungen auf sich? Es gibt ja vielseitige Kooperationen zwischen Red Bull und 'Volkswagen'..."
Tost: "Richtig. 'VW' arbeitet mit Red Bull sehr eng zusammen - im Tourenwagensektor mit 'SEAT' zum Beispiel. Die Paris-Dakar-Rallye wird von Red Bull immer wieder mitfinanziert - am Touareg von 'VW' ist Red Bull drauf. Dann gibt es in verschiedenen anderen Bereichen enge Zusammenarbeiten. Wir von Toro Rosso und von Red Bull Racing bekommen lediglich Autos zur Verfügung gestellt, die allerdings nicht auf der Rennstrecke fahren... (lacht; Anm. d. Red.)"
Gute Chancen in Hockenheim, Budapest, Istanbul?
Frage: "Welche Ziele habt ihr für den Rest der Saison?"
Tost: "Es gibt einige Strecken, da werden wir sicherlich keine Chancen haben - Monza wird schwierig, Kanada, Indianapolis. Es gibt aber auch Strecken, wo wir gar nicht so schlecht aussehen sollten. Ich denke da an Hockenheim, Budapest, eventuell auch in der Türkei. Wir sind im Qualifying häufig zwischen Platz zehn und zwölf, aber es wäre gut, wenn wir einmal das dritte Qualifying erreichen und in die ersten Zehn hineinfahren könnten. Vielleicht sind dann irgendwann durch glückliche Umstände ein oder zwei Punkte drin. Das wäre das Ziel."

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Plausch mit dem ehemaligen Chef: Franz Tost im Gespräch mit Willi Weber Zoom
Frage: "Indianapolis ist ja das Heimrennen von Scott Speed, dem ersten Formel-1-Amerikaner seit langer Zeit. Da wird einiges auf euch zukommen..."
Tost: "Es wäre schön, wenn viele Fans dort hinkommen würden. Ich hoffe, dass wir in Amerika ein gutes Rennen haben werden, obwohl die Chancen wegen unseres vom Reglement vorgeschriebenen Motors natürlich nicht die besten sind."
Frage: "Die amerikanischen Fans sind nach dem Fiasko von 2005 natürlich enttäuscht. Macht ihr mit Scott Speed gerade deswegen noch zusätzlich etwas für das Publikum?"
Tost: "Ja. Es gibt drüben eine Fülle von Marketing- und Presseveranstaltungen. Wir wollen den Leuten zeigen, dass die Formel 1 ein ganz anderes Gesicht hat als das, das vergangenes Jahr zum Vorschein gekommen ist. Ich hoffe, dass wir mit einigen Aktionen von unserer und von Red-Bull-Seite unterhalten können und dass wir ein Superrennen liefern werden, damit sie die Vergangenheit vergessen."
Frage: "Du hast ja schon viele Stationen im Motorsport hinter dir, hast Fahrer wie Ralf Schumacher betreut, warst bei BMW und so weiter. Ist das jetzt die Station, die wie die Faust aufs Auge passt?"
Tost: "Es ist auf alle Fälle diese Station, weil ich in der Formel 1 bin! Noch dazu bin ich dank Red Bull und dank Mateschitz und Berger dazu in der Lage, das Toro-Rosso-Team leiten zu dürfen. Es ist ein sehr umfangreiches Themengebiet, mit dem man täglich konfrontiert wird, und mir macht das unheimlich viel Spaß. Ich hoffe, dass ich diese Position noch lange bekleiden darf."

