powered by Motorsport.com
  • 21.10.2015 12:54

  • von Gary Anderson (Haymarket)

Frag Gary Anderson: Wann wird McLaren erfolgreich sein?

Wird McLaren-Honda 2016 erfolgreich sein? Ex-McLaren-Teammitglied Gary Anderson beantwortet Leserfragen zu diesem und weiteren Themen

(Motorsport-Total.com) - Wann wird die Mclaren-Honda-Partnerschaft erfolgreich sein? Warum gab es beim Grand Prix von Russland auf der Strecke in Sotschi kaum Reifenverschleiß? Und wie könnte eine gerechtere Entwicklungsarbeit der Hersteller aussehen, damit Renault und auch Honda näher an Mercedes und Ferrari herankommen können? Der ehemalige Formel-1-Designer Gary Anderson beantwortet diese und andere Fragen interessierter Leser.

Titel-Bild zur News: Gary Anderson

Experte Gary Anderson erklärt den Lesern die Formel 1 und ihre aktuellen Probleme Zoom

Gordon Chree (Twitter): "Warum hasst du McLaren so sehr?"
Gary Anderson: "Gordon, das hast du komplett falsch verstanden. Ich bin ein großer Unterstützer des McLaren-Teams. Vor vielen Jahren habe ich für McLaren gearbeitet, und es sind immer noch ein paar Leute dort, mit denen ich in den späten 1970er-Jahren schon zusammengearbeitet habe."

"Ich hasse das, was aus McLaren geworden ist. Sie haben alles was nötig ist, um Red Bull oder Mercedes - oder wer auch immer an der Spitze ist - anzustoßen, doch haben sie es über viele Jahre hinweg verspielt. Im Vorjahr hatte McLaren Mercedes-Antriebseinheiten, die die Saison im Heck des Werksteams dominiert haben. Wie Williams gezeigt hat, konnte man diese sehr effektiv als Kundenteam einsetzen - aber vergeblich bei McLaren."

"In diesem Jahr wechselte McLaren zu Honda. Wir alle wissen, um damit erfolgreich zu sein, wird es ein Langzeitprojekt werden. Ich möchte aber Leidenschaft sehen, ein bisschen wie Fernando Alonso über den Teamfunk in Suzuka gesagt hat. Vor nicht allzu vielen Jahre hat Ron Dennis eine seiner berühmten Äußerungen getätigt, als ihm zum zweiten Platz gratuliert wurde: 'Der Zweite ist der erste Verlierer'. Jetzt sagt er nicht wirklich viel. Ich dachte nie, dass ich das einmal sagen würde, aber persönlich - und hoffentlich spreche ich für viele McLaren-Fans - würde ich gerne hören, wie er über die schwierige Situation, in der er derzeit steckt, redet."

Tim Jellema (Facebook): "Wie konkurrenzfähig wird McLaren in der nächsten Saison sein?"
Anderson: "Ich war enttäuscht, dass Honda in Suzuka nicht mehr gezeigt hat. In all den Jahren, in denen ich mit Honda gearbeitet habe, haben sie immer etwas für ihr Heimrennen gefunden. Daher denke ich, dass es immer noch eine Frage der richtigen Entwicklungsrichtung ist. Die Regeln für die Entwicklung der Antriebseinheit wurden nicht - wie ursprünglich geplant - für 2016 verschärft. Das sollte den Arbeitsumfang erlauben, den Honda brauchen wird, um (a) zu verstehen, was der Ursprung des Rückstandes ist und (b) um darauf zu reagieren."


Fotostrecke: Glorreiche Sieben: Alle McLaren-Champions

"Außerdem ist McLaren mit einem Motorenhersteller in diese Saison gestartet, der sich im ersten Jahr dieser neuen Motoren-Formel befunden hat. Trotzdem haben sie im Heck ein sogenanntes 'Size-zero'-Chassis gebaut. Wenn man sich im ersten Jahr befindet, sollte man dem Partner die Möglichkeit geben, Dinge auszuprobieren. Man kann sie nicht in eine Ecke drängen. Schon des Öfteren in diesem Jahr musste Honda Kompromisse aufgrund des Kühlungssystems finden. Ja, jeder Bereich der Performance ist wichtig, aber ich denke, dass man einen besseren Kompromiss hätte finden können."

Andersons Vorschlag: Alternative Token-Verteilung

Scott Adam (E-mail): "Wenn du mit Honda oder Renault arbeitest, würdest du dann für Entwicklungsarbeit während der laufenden Saison pushen - im Wissen wie groß der Vorteil von Mercedes/Ferrari ist und die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen? Ob Honda und Renault aufholen, hängt doch auch davon ab, wie viel Potenzial die anderen noch haben, oder?"
Anderson: "Scott, was ich gerne sehen würde ist, dass wer auch immer den besten Job macht, den geringsten Spielraum für Entwicklung bekommt. Und die anderen - mir ist egal, wer das ist - haben die besten Möglichkeiten, um aufzuholen. Wir alle wollen enges Racing, die Hersteller behalten und andere anlocken, also muss es Licht am Ende des Tunnels geben."

"Ich würde das so machen, indem man die Entwicklungstoken basierend auf der Position in der Herstellermeisterschaft verteilt. Unterhalb werde ich ein paar Punkte-versus-Token-Vorschläge einbringen. Das sind keine aktuellen Zahlen, nur ein Anstoß, wie ich eine Formel aufsetzen würde, die den Herstellern Bewegungsspielraum lässt."

"Dafür gibt es Punkte pro Auto, die die Aufteilung der Token regelt. Macht man es auf diese Art, dann hilft das auch, um Hersteller zu überzeugen neue Teams zu beliefern, da sich das auf die Autoanzahl, möglicherweise aber nicht auf ihre Punkteausbeute bezieht."

"Der bestplatzierteste Hersteller, sagen wir er beliefert acht Autos insgesamt. 800 Gesamtpunkte dividiert durch acht ergibt 100 Punkte pro Auto. Der erstplatzierte Hersteller bekommt vier Token für die Entwicklung vor oder während der Saison 2016. Es ist die Entscheidung des Herstellers, wann er diese nutzt."


Fotos: Mercedes feiert den Konstrukteurstitel


"Der zweitplatzierte Antriebshersteller beliefert, sagen wir, sechs Autos insgesamt. Gesamtpunktezahl von 480 dividiert durch sechs ergibt 80 Punkte pro Auto. Der Zweitplatzierte bekommt 20 Token plus vier, das sind 24 Token insgesamt. Entweder für Entwicklung vor oder während der Saison 2016. Wieder ist es die Entscheidung des Hersteller, wann er diese einsetzt."

"Der drittplatzierte Hersteller beliefert vier Autos. Die Gesamtpunkte von 240 werden durch vier dividiert, das macht 60 Punkte pro Auto. Der drittplatzierte Hersteller bekommt 40 Token plus vier, das macht 44 Token für Entwicklung vor oder während der Saison 2016. Und der viertplatzierte Hersteller, der nur zwei Autos beliefert, dessen 80 Gesamtpunkte werden durch zwei dividiert, macht 40 Punkte pro Auto. Dieser bekommt 60 Token plus vier, macht 64 Token insgesamt für vor oder während der Saison."

Feuergefahr dank Tank-Design enorm reduziert

"Ich würde außerdem ergänzen, dass jeder Hersteller in der Lage sein muss, Antriebseinheiten zu liefern abhängig von der Anzahl der Teams. Hoffentlich würde sich so das Risiko solch einer dummen - und ich muss auch sagen selbst verschuldeten - Red-Bull-Situation reduzieren. Wenn man also nur einen Hersteller hat, muss dieser das gesamte Feld plus ein Team mehr - um einem neuen Team den Einstieg zu ermöglichen - beliefern. Wenn man zwei hat, dann sind es 50 Prozent plus ein Team. Bei drei sind es ein Drittel des Feldes plus ein Team und so weiter..."

Phil Irwin (E-mail): "Wenn man sich Bilder von Nigel Mansell 1992 im Williams ansieht, dann sieht man eine weiße Röhre zur Luftzufuhr. Warum wird das nicht mehr verwendet? Ich frage, weil bei dem Unfall von Carlos Sainz wieder die Anmerkung kam, dass Fahrer unter den Barrieren eingeschlossen werden könnten, und wenn dann Feuer ausbricht..."
Anderson: "Diese Röhre war mit einer Flasche Sauerstoff verbunden. Ja, das gab es für den Fall, wenn Feuer ausbrechen sollte, was damals viel häufiger passiert ist als heute. Obwohl die Sauerstoffzufuhr eine Hilfe für den Fahrer darstellte, war es keine so gute Idee bezüglich der Feuer-Prävention."

Nigel Mansell

1992: Nigel Mansell gewinnt in dieser Saison den Titel mit dem Williams-Team Zoom

"Um deine Frage zu beantworten, warum man nicht etwas erfunden hat, um es zu ersetzten? Es war niemals verpflichtend und die Teams haben einfach damit aufgehört, es zu verwenden. Zu dieser Zeit damals wurde auch viel mehr Aufwand in das Design der Tanks gesteckt, wodurch das Risiko eines Feuerausbruchs bei einem Unfall erheblich reduziert wurde."

"Doppel-Mischung": Ein bisschen Qualifying-, ein bisschen Rennreifen

Alan Briggs (E-mail): "Sotschi war eine der wenigen Strecken, auf der Reifenabtrieb ein größeres Problem als Reifenverschleiß war. Welche Faktoren bestimmen das und welche Rolle spielen dabei die Streckenoberfläche und -konfiguration?"
Anderson: "Grundsätzlich müssen zwei Sachen zusammenarbeiten, das sind die Fahrbahnoberfläche und der Reifen. In Sotschi war diese Balance besser als auf den meisten anderen Strecken. Was Sotschi gezeigt hat war, dass der harte Reifen besser war, als ein Reifen, der nach nur ein paar Runden an Hitzeverschleiß leidet."

"Man konnte sehen, dass es sehr schwierig war, in der ersten schnellen Runde im Qualifying eine gute Zeit hinzubekommen. Im Rennen, wie uns Sergio Perez gezeigt hat, war es schwierig eine Einstoppstrategie mit einem frühen Boxenstopp zu machen."

"In der Vergangenheit haben einige Reifenhersteller einen Reifen mit einer Art Doppel-Mischung verwendet. Die obersten 0,5 Millimeter waren eine weichere Qualifying-Mischung, und wenn diese heruntergefahren war nach zwei oder drei Runden, dann wurde die Mischung härter, um einen besseren, konstanteren Rennreifen zu haben. Das wäre eine Richtung, in welche ich gehen würde. Ich möchte sehen, wie die Fahrer alles geben, um im Qualifying die ultimative Runde hinzuknallen. Im Rennen möchte ich aber auch konstante Reifen sehen, um ihnen zu erlauben einen Plan zu schmieden, wie sie damit umgehen werden."

Ravi Putcha (Twitter): "Was denkst du über die Idee, dass Teams ihre Reifen bei Pirelli bestellen, um das Racing spektakulärer zu machen?"
Anderson: "Ich bin total dagegen. Ich habe mit Jordan gearbeitet als Ferrari ihre Reifen auf Bestellung von Bridgestone bekam und wir, der Kunde, mussten nehmen, was Bridgestone (billig) produzieren konnte. In der Realität ist es nervtötend, weil es noch eines dieser Dinge ist, wogegen du nichts machen kannst. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum so etwas die Rennen aufpeppen sollte. Wenn du ein großes und gut finanziertes Team bist, wirst du eine Gruppe von erfahrenen Reifeningenieuren anstellen, und dadurch die besten Reifenkombinationen für jede Strecke haben."


Fotostrecke: GP Russland, Highlights 2015

"Bist du ein kleines Team mit einem limitierten Budget, dann wird das nicht möglich sein und die Kluft wird nur größer werden. Auch für die Zuschauer, wie soll ein Kommentator das erklären? Die TV-Übertragungen haben jetzt schon Probleme damit zu erklären, wer auf welchem Reifen unterwegs ist. Also führe noch ein Element zusätzlich ein und es wird eine schon jetzt chaotische Situation nur noch verwirrender gestalten."

Fährt die Formel 1 bald auch im Winter?

Bob Rowland (E-mail): "Ich habe gelesen, dass du mit dem Team Ireland in der A1GP gearbeitet hast. Was denkst du über das Konzept des 'World Cup of Motorsport' und glaubst du, dass es ein Verlust ist, dass es nicht mehr existiert?"
Anderson: "Ja, das habe ich und es hatte das Potenzial zu einer wirklich tollen Formel. Aber wie bei so vielen dieser guten Ideen waren die Leute an der Spitze keine Rennfahrer, sie waren nur dabei, um möglichst viel herauszuholen - ein bisschen wie CVC und die Formel 1 im Moment."

"Sie haben es außerdem unterschätzt, wie lange es dauert die Formel zu unterstützen, bevor man ein eigenes Momentum geschaffen hat. Eigentlich ist die Formel E nicht weit weg von diesem Businessplan, es wird also interessant sein zu sehen, ob sie die Höhen und Tiefen in den ersten Jahren überstehen werden. Es ist ein Verlust, dass wir nun keine Form einer Winterserie haben. Vielleicht sollte die Formel 1 weniger Rennen in der regulären Saison veranstalten, sagen wir 18, und dafür eine zehn Rennen andauernde Winterserie mit jungen Fahrern und reduzierten Teams bezüglich des Personals einführen."

"Das wäre eine gute Idee und würde den Formel-1-Ersatzpiloten Zeit im Rennwagen geben. Wenn man das richtig angeht, könnte man die tollen Strecken, wie Monza, behalten und trotzdem neue Kurse einbringen, wo die Sonne scheint, während wir in Europa an der Schwermut des Winters leiden."