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  • 20.02.2017 13:57

  • von Dominik Sharaf

Formel 1 mit mehr Vollgas: Sind diese Kurven bald keine mehr?

Die Regelnovelle könnte Mythen wie den von Copse in Silverstone zerstören, aber dafür neue schaffen - Helmut Marko plädiert für die Abschaffung von DRS

(Motorsport-Total.com) - Wenn die Formel 1 in der kommenden Saison dank der Novelle ihres Technikreglements an Tempo zulegt, verspricht sich die Szene mehr Spektakel und eine größere Herausforderung für die Fahrer. Doch das Gegenteil könnte der Fall sein, deutet Red-Bull-Technikchef Adrian Newey an. "Copse in Silverstone oder Kurve 9 vor der Gegengeraden in Barcelona - es werden keine Kurven mehr sein, sondern Knicke in Geraden", erklärt der Brite mit Blick auf den zusätzlichen Abtrieb der Boliden.

Titel-Bild zur News: Jolyon Palmer

Die Duelle auf der Strecke könnten sich mit den neuen Regeln wandeln Zoom

Denn mit den steigenden Kurvengeschwindigkeiten sinkt auch die Notwendigkeit, auf die Bremse zu treten. Ein Phänomen, das nicht neu ist. Die alten Mutpassagen verschwinden nach und nach, weil die Autos im Trockenen mehr mitmachen. "Wir haben es in der Vergangenheit mit Eau Rouge in Spa-Francorchamps erlebt", erinnert Newey an einen Mythos, der verblasst. Er hätte auch die Blanchimot-Kurve in Belgien nennen können, die Parabolica in Monza oder die 130R in Suzuka.

Entgegenzuhalten ist dem, dass sich die Grenzen des Machbaren nur verschieben. Die Puhon-Kurve in Spa, die früher Grund war, deftig in die Eisen zu steigen, lässt die Piloten heute zwischen Chance und Risiko abwägen. So mancher bezahlte das Zocken mit einem Einschlag in die Reifenstapel. Gut möglich, dass sich 2017 Analogien ergeben, was die Königsklasse tiefgreifend umkrempeln würde. Dennoch relativiert Newey: "Die Veränderungen sind aerodynamisch nicht ganz so groß wie 2017."

Auswirkungen auf das Überholen spaltet die Gelehrten

Entsprechend vorsichtig beurteilt Red Bull auch Auswirkungen auf das Überholen. "Umso mehr Abtrieb die Autos produzieren, umso mehr könnten andere profitieren", überlegt Aerodynamiker Dan Fallows mit Blick auf Windschattenduelle, während Kritiker die Konkurrenten in schnellen Abschnitten zu großen Abstand gezwungen sehen - weil Luftverwirbelungen ("Dirty Air") Auffahren unmöglichen machen könnten, wenn die Autos instabil werden. Chefingenieur Paul Monaghan ergänzt, dass haltbarere Reifen die Rennen "nicht unbedingt zum Schlechteren verändern" würden.

Das Geschehen auf der Strecke muss die Antwort geben. Auch darauf, ob der umklappbare Heckflügel eine Zukunft in der Formel 1 hat. Beim neuen Formel-1-Sportchef Ross Brawn steht er bereits auf der roten Liste. Auch Helmut Marko gefällt DRS nicht: "In einem Zweikampf ist derzeit der Vordermann wehrlos. Das ist kein richtiges Überholen, sondern passiert nur aufgrund technischer Zuhilfenahme, eine Art Vorbeiwinken", moniert der Red-Bull-Berater in 'auto motor und sport'.


Sauber präsentiert den C36

Er hoffe sehr, dass die Technik 2018 gestrichen würde. "Weil es eine künstliche Sache ist", meint Marko und schielt wohl auch darauf, dass Piloten wie Max Verstappen sich mit ihrer Fahrtechnik Vorteile verschaffen. "Das extreme Ausbremsen ist eine der entscheidendsten Fähigkeiten von Topfahrern. Wenn wir in der Formel-1-Geschichte zurückschauen, dann waren das die rennentscheidenden Szenen - siehe Prost, Senna und dergleichen. Dort sollten wir wieder hinkommen."