Formel 1 China 2016: Hamilton im Pech, Rosberg auf Pole

Lewis Hamilton (letzter Startplatz) und Ferrari schenken Nico Rosberg in Schanghai die Pole-Position - Taktik-Vorteil für den Start dank cleverer Reifenwahl in Q2

(Motorsport-Total.com) - Die Formel-1-Saison 2016 verläuft weiterhin ganz nach dem Geschmack von Nico Rosberg. Der Sieger der beiden ersten Rennen in Australien und Bahrain sicherte sich beim Grand Prix von China in Schanghai (Formel 1 2016 live im Ticker) die Pole-Position und profitierte im Hinblick auf das WM-Duell auch noch vom Pech seines Teamkollegen Lewis Hamilton, der morgen als Letzter ins Rennen gehen muss.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo, Nico Rosberg, Kimi Räikkönen

Daniel Ricciardo und Nico Rosberg gingen noch an Kimi Räikkönen vorbei Zoom

Hamilton meldete gleich bei seiner ersten Ausfahrt ein "Motorproblem", konnte danach noch einmal für eine Installationsrunde auf die Strecke gehen, aber wegen eines ERS-Defekts letztendlich keine Zeit setzen. "Ich bin mir sicher, dass die Jungs genauso enttäuscht sind wie ich. Aber wir gewinnen und verlieren zusammen", nimmt der Weltmeister und Vorjahressieger seine Crew (die 2015 übrigens noch für Rosberg gearbeitet hat) in Schutz.

Rosberg schwebt indes auf Wolke sieben, darf es aber nach außen nicht zeigen: "Lewis hatte Pech und war gar nicht dabei. Somit bin ich jetzt nicht euphorisch", spielt er den fairen Sportsmann. Tatsächlich läuft derzeit alles für ihn, denn als einziger Fahrer schaffte er es mit den härteren Soft-Reifen durch Q2 - was bedeutet, dass er morgen auf diesen starten darf, während alle anderen ihren ersten Stint auf Supersoft absolvieren müssen. Laut Experte Marc Surer "ein Riesenvorteil".

"Ist vielleicht ein kleiner Vorteil, mit diesem Reifen zu starten", relativiert der Polesetter. Dabei hatte es in Q3 zunächst gar nicht nach dem ersten Startplatz ausgesehen, denn nach einem Fahrfehler unmittelbar nach der ersten Zwischenzeit lag er 0,139 Sekunden hinter Kimi Räikkönen (Ferrari) an zweiter Stelle. Mit einer "Monster-Runde" (Toto Wolff) schob sich Rosberg aber noch am Finnen vorbei. "Ferrari war sehr, sehr nahe dran dieses Wochenende", weiß er.

Und hätte alle Chancen auf die Pole gehabt, wenn nicht sowohl Räikkönen als auch Sebastian Vettel einen Schnitzer in ihre entscheidende Runde eingebaut hätten - noch dazu in der gleichen Kurve (Haarnadel nach der langen Gerade)! "Das hat viel Zeit gekostet", ärgert sich Räikkönen (+0,570), der am Ende sogar noch hinter Daniel Ricciardo (Red Bull/+0,515) auf den dritten Platz zurückfiel. "Sehr schade, denn wir hatten heute die Chance, ganz vorne zu stehen."

Vettel setzte auf eine andere Taktik, wollte sich einen Reifensatz sparen und ging daher in Q3 nur einmal raus. Auf dieser entscheidenden Runde wollte er "loslegen wie ein Stier. Da war ich vielleicht ein bisschen übermütig." Dass die Supersoft-Reifen bei minimal feuchten Bedingungen kritisch waren ("Sie verzeihen nicht viel"), lässt er aber nicht als Ausrede gelten: "Auf die will ich es nicht schieben, denn ich habe es davor auch hinbekommen."


Fotostrecke: Formel-1-Strecken 2016: Schanghai

Vettel fehlten nach seinem groben Fahrfehler in der Haarnadel 0,844 Sekunden auf Rosberg und gut drei Zehntelsekunden auf seinen Ex-Teamkollegen Ricciardo. Der hätte mit der ersten Startreihe nicht gerechnet: "In Q1 war die Balance nicht gut. In Q3 fanden wir ein bisschen mehr Speed. Der Supersoft ist hier ziemlich schwierig zu managen. Das haben wir gut hinbekommen, als es drauf ankam, und die Ingenieure haben mit dem Frontflügel auch gute Arbeit geleistet."

"Wer hätte das auf einer Strecke, auf der Motorleistung gefragt ist, mit der langen Geraden, gedacht?", wundert sich Experte Surer über die Red-Bull-Performance. Aber Mercedes-Sportchef Wolff wirft ein: "Der Renault-Motor ist viel besser geworden." Dass Daniil Kwjat (6./0,997) nicht weiter vorne stand, lag a) am starken Valtteri Bottas (5./Williams/+0,894) und b) an einem Fahrfehler im ersten Q3-Run, durch den er an Qualifying-Momentum einbüßte.

Die beiden Toro-Rosso-Junioren mussten sich mit den Plätzen acht (Carlos Sainz) und neun (Max Verstappen) begnügen, getrennt durch drei Zehntelsekunden. Besonders Sainz witterte die Chance auf einen Top-6-Platz, konnte im Finish aber nicht mehr ausreichend zulegen und rutschte so noch hinter Sergio Perez (7./Force India/+1,463) zurück. Dessen Teamkollege Nico Hülkenberg war heute übrigens einer der Pechvögel des Tages.

Am Ende von Q2 rollte der Deutsche plötzlich ohne linkes Vorderrad aus. "Das Rad ist von der einen Sekunde auf die andere runtergesprungen. Normalerweise kündigt sich das an. Keine Ahnung, was da passiert ist", wundert er sich. Dass das Rad von den Mechanikern nicht festgezogen wurde, sei "ziemlich ausgeschlossen"; trotzdem erwartet er eine mögliche Strafe wegen "unsafe release": "Kann gut sein, dass da noch was auf uns zukommt."

Durch die roten Flaggen wegen Hülkenberg verpassten die Fahrer außerhalb der Top 10 die Chance, ihre Zeit zu verbessern, was besonders die McLaren-Stars frustrierte: "Du machst Witze!", funkte Jenson Button, am Ende 13., heute geschlagen von Fernando Alonso (12.). Der fühlt sich wieder fit und nimmt sein Pech gelassen: "Sehen wir es positiv: Das Auto wird immer besser. Punkte sind das Ziel. Gestern waren wir nicht superschnell, aber wir haben am Auto einiges verändert."

Button, dem 0,267 Sekunden auf Alonso fehlten, ärgert sich mehr: "Wir sind die erste Runde mit gebrauchten Reifen gefahren. Dann fährt man am Ende mit frischen Reifen, aber das konnten wir nicht mehr zeigen. Frustrierend!" Neben den McLaren-Fahrern schieden in Q2 auch Felipe Massa (11./Williams), Romain Grosjean (14./Haas) und die beiden Sauber-Piloten aus, die sich in Q1 zur Freude von Monisha Kaltenborn knapp gegen Renault durchgesetzt hatten.

Pascal Wehrlein konnte die Gunst der anfangs noch feuchten Strecke diesmal nicht nutzen. Bereits auf seiner ersten schnellen Q1-Runde crashte der Manor-Pilot auf der Start- und Zielgerade plötzlich in die Leitplanken. Was zunächst nach einem kuriosen Fahrfehler aussah, entpuppte sich als Verkettung unglücklicher Umstände aus den schwierigen Wetterbedingungen und einer Bodenwelle an der denkbar ungünstigsten Stelle.

"Das Problem ist, dass dort eine Bodenwelle ist. Wenn du da drüberfährst und dann auch noch DRS aktivierst, hast du ein Problem", nimmt Routinier Massa den Rookie in Schutz. Dazu kommt, dass ausgerechnet an der Stelle eine der letzten Wasserlachen war, die sich durch heruntertropfendes Wasser von der Überdachung gebildet hatte. Und weil Manor auch noch von Anfang an mit Slicks zockte, hat Wehrlein wohl recht, wenn er sagt: "Ich hatte keine Chance."

Die Spannung vor dem morgigen Rennen ist groß. Mercedes hat den Defekt bei Hamilton zwar noch nicht restlos identifiziert, vermutet aber ein durchgeschmortes Kabel - und wird den Antrieb möglicherweise wechseln, "um in aller Ruhe zu prüfen, was kaputtgegangen ist", so Sportchef Wolff. Hamilton selbst versucht indes, guter Dinge zu bleiben: "Man kann hier überholen. Ich werde alles geben, um nach vorne zu kommen."