• 27.08.2017 15:29

  • von Christian Nimmervoll & Fabian Hust

Formel 1 Spa 2017: Vettel verpasst Chance gegen Hamilton

Lewis Hamilton lässt in den entscheidenden Situationen nichts anbrennen und verkürzt in der Fahrer-WM seinen Rückstand auf Sebastian Vettel auf sieben Punkte

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton hat den Grand Prix von Belgien gewonnen und hält damit die Formel-1-WM 2017, in der er nun nur noch sieben Punkte Rückstand auf Sebastian Vettel hat, offen. Der Mercedes-Fahrer gewann das Rennen in Spa-Francorchamps 2,4 Sekunden vor seinem Ferrari-Rivalen und 10,8 Sekunden vor Daniel Ricciardo (Red Bull).

Vettel hatte im Grunde genommen drei große Chancen zu gewinnen: Erstens den Start. Tatsächlich klebte er durch Eau Rouge im Windschatten des führenden Silberpfeils. Zweitens die Strategie. Hamilton kam in der zwölften, Vettel in der 14. Runde zum Boxenstopp - doch dadurch wuchs der Rückstand sogar an, von 1,9 auf 3,5 Sekunden. Und drittens der Restart. Den bezeichnet Vettel im Nachhinein als "verpasste Chance".

"Beim Restart habe ich ein bisschen ins Lenkrad gebissen", gibt er zu. "Ich hatte Angst, nicht nahe genug dran zu sein, dabei war ich letztendlich zu nahe dran! So musste ich auf dem Hügel lupfen. Er hat ein bisschen Gas rausgenommen vor Eau Rouge, um das zu provozieren. Darum bin ich nicht ganz happy."

Doch trotz der verpassten Chance beim Restart in Runde 34 durfte Vettel für die letzten elf Runden mit dem Sieg spekulieren. Denn beim durch das Safety-Car möglich gemachten zweiten Boxenstopp wechselte Mercedes auf den härteren Soft-, Ferrari hingegen auf den weichsten Ultrasoft-Pirelli. Aber daraus ergaben sich keine konkreten Überholmöglichkeiten mehr: "Ich habe jede Runde darauf gewartet, dass Lewis einen Fehler macht", seufzt Vettel.

Eine haarige Situation war aber schon die Runde vor dem Safety-Car-Restart, als Hamilton das Tempo diktierte und Vettel so nahe wie möglich dranbleiben wollte. Hamilton trieb das Stop-&-Go-Spielchen bis ans Limit, mehrmals berührten sich die beiden fast. An die Kollision in Baku, so Mercedes-Sportchef Toto Wolff, "haben in dem Moment wahrscheinlich beide gedacht. Und wir auch! Aber Lewis weiß ganz genau, was er zu tun hat."

Während der Restart auf den Kampf um den Sieg keine Auswirkungen hatte, wurde der Kampf um Platz drei sehr wohl in Runde 34 entschieden - und zwar bei der Windschattenschlacht vor Les Combes. Bei der hatte Daniel Ricciardo (Red Bull) im Dreikampf gegen Kimi Räikkönen (Ferrari) und Valtteri Bottas (Mercedes) das bessere Ende für sich.

Bottas fuhr bis dahin einem vermeintlich sicheren dritten Platz entgegen und ist daher "sehr enttäuscht" über den unaufmerksamen Moment, der ihn wichtige WM-Punkte kostet. Und auch Landsmann Räikkönen erlebte keinen perfekten Nachmittag. Der "Iceman" spürte die volle Härte des (FIA-)Gesetzes, als er eine Stop-&-Go-Strafe (zehn Sekunden) absitzen musste - wegen Ignorierens von Doppel-Gelb.

Ein Vergehen, das seit dem Bianchi-Unfall in Suzuka besonders hart bestraft wird - was Räikkönen im konkreten Fall nicht verstehen kann: "Das Auto war zur Hälfte hinter den Leitplanken. Ich finde nicht, dass das gefährlich war. Ziemlich überflüssig, wie sie manchmal Strafen vergeben." Esteban Ocon (9./Force India) und Nico Hülkenberg (6./Renault) konnte er aber unmittelbar nach der Strafe auf der Strecke überholen.

Zu dem Zeitpunkt war Max Verstappen schon längst aus dem Rennen. Der von 40.000 "Oranjes" gefeierte Red-Bull-Star schied in der achten Runde an fünfter Stelle liegend aus - und war der Grund für das Doppel-Gelb, das Räikkönen zum Verhängnis wurde. Besonders bitter: Verstappens Auto blieb ausgerechnet vor der "Oranje"-Tribüne bei Kemmel stehen.

"Unglaublich. Ich kann das nicht glauben"", schimpfte er noch am Boxenfunk. Mit etwas Abstand wirkt er kaum cooler: "Das sechste Mal in diesem Jahr! Das darf natürlich nicht passieren." Schuld daran ist wieder einmal Renault: "Ein Zylinder ist ausgefallen. Die genaue Ursache wissen wir noch immer nicht", erklärt Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko und knurrt: "Das ist fast nicht mehr zu ertragen."

Noch schlechter als bei Red Bull ist die Stimmung derzeit bei Force India. Unglaublich: Schon in der ersten Runde drängte Sergio Perez den von hinten attackierenden Ocon auf dem Weg runter zur Eau Rouge in die Mauer - und in der 29. Runde passierte der gleiche Zwischenfall noch einmal! Blieb es beim ersten Mal bei einem blauen Auge, wurde beim zweiten Mal Ocons Bodywork beschädigt und Perez' rechter Hinterreifen aufgeschlitzt.

"Er setzt ohne Grund unser Leben aufs Spiel!", tobt Ocon. Perez sieht das anders: "Das erste Mal nehme ich auf meine Kappe. Beim zweiten Mal war Esteban zu optimistisch. An der Stelle ist kein Platz für zwei Autos." Unmittelbare Konsequenz des Teams, das so eine Situation schon aus Baku kennt: "In Zukunft wird das nicht mehr passieren. Wir lassen sie nicht mehr frei gegeneinander fahren", kündigt Betriebsdirektor Otmar Szafnauer an.

Das Unheil hatte sich angebahnt: Zur ersten Berührung kam es, weil Perez im falschen Startmodus war und nicht volle Leistung abrufen konnte. Später kassierte er eine Fünf-Sekunden-Strafe, weil er beim Verteidigen gegen einen Haas in die Wiese kam. Und kurz vor der zweiten Situation schimpfte Ocon am Funk, es sei inakzeptabel, dass man Perez vor ihm zum Reifenwechsel geholt habe. Denn plötzlich hatte er den längst abgehängt geglaubten Mexikaner wieder vor der Nase ...

So profitierten andere und holten gute Punkte: Romain Grosjean (Haas) wurde 3,4 Sekunden hinter Hülkenberg Siebter, Felipe Massa (Williams) nach einem bis dahin schwachen Wochenende Achter, Carlos Sainz (Toro Rosso) Zehnter. Fernando Alonso (McLaren) brillierte zwar mit einem Superstart von P10 auf P7 und zeigte gegen Hülkenberg ein beherztes Duell, aber letztendlich schied er doch wieder einmal aus.

"Peinlich", funkte er, als er wegen des viel zu geringen Topspeeds von einem Gegner nach dem anderen überholt wurde. Zwischendurch reagierte er schnippisch auf gut gemeinte Ratschläge seines Renningenieurs: "Keine Funksprüche mehr bis zum Ende des Rennens!" Und nach 25 Runden stellte er ab: "Es war ein Motorproblem. Punkte wären aber sowieso nicht drin gewesen."

Ebenso wenig wie für Pascal Wehrlein (Sauber), der von Freitag bis Sonntag ein katastrophales Wochenende erlebte. Im Rennen war früh Schluss, weil "die Aufhängung oder die Stabis" kaputt waren. Noch dazu gab er in den TV-Interviews bekannt, dass er 2018 wahrscheinlich nicht mehr für Sauber fahren wird. Stattdessen soll ein Ferrari-Junior kommen.

In der Fahrer-WM bleibt es jedenfalls spannend. Vettel ist guter Dinge: "Wir waren das ganze Rennen dran und hatten ein sehr, sehr gutes Auto. Wenn wir Silverstone und hier miteinander vergleichen, ist das wie Tag und Nacht", freut er sich über die jüngsten Fortschritte. Wolff nickt zustimmend: "Ferrari hat einen großen Sprung nach vorne gemacht. Das muss man ihnen zugestehen."

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