• 09.02.2010 11:37

  • von Roman Wittemeier

Force India VJM03: Der Designer erklärt sein Werk

Force-India-Designer Mark Smith über die neuen Vorgaben des Reglements, die Auswirkungen der Benzinlast und die Wirkung des Diffusors

(Motorsport-Total.com) - Die kurzfristige Einpassung des Mercedes-Motors führte beim Force India VJM02 im vergangenen Jahr zu einigen Notlösungen beim Design des Autos. Diese erzwungenen Kompromisse waren auf den Seitenkästen und am gesamten Heck des Autos deutlich zu erkennen. Das neue Modell VJM03 kommt nun viel aufgeräumter daher. Auch die Inder setzen auf eine hohe, filigrane Nase und folgen dem aktuellen Trend. Force-India-Designer Mark Smith erklärt sein neuestes Werk.

Titel-Bild zur News:

Mark Smith hat den neuen Force-India-Mercedes VJM03 entworfen

Frage: "Mark, im vergangenen Jahr musste Force India damit zurechtkommen, dass der Mercedes-Motor und das McLaren-Getriebe kurzfristig eingepasst werden mussten. Lief es in diesem Winter besser?"
Mark Smith: "Es lief deutlich flüssiger ab. Wir konnten den VJM03 entwerfen und wussten von Anfang an, welchen Motor und welches Getriebe wir verwenden. Das war im Vergleich zum Vorjahr ein enormer Vorteil. Ebenfalls wichtig: Wir haben die Beziehungen fest aufgebaut, können viel schneller Daten abgreifen. Das Resultat ist ein schlüssigeres Design und ein besserer Ablauf in der Entwicklung."#w1#

Frage: "2010 gibt es kein Nachtanken mehr, die Vorderreifen sind schmaler, die Radkappen wurden verboten. Haben diese drei Änderungen die größte Rolle gespielt? Oder gab es andere Schlüsselfaktoren?"
Smith: "Bezüglich Fahrzeugdesign und bezüglich der Auswirkungen auf die Performance waren das tatsächlich die drei Schlüsselfaktoren. Die Radkappen waren ein aerodynamisches Hilfsmittel. Du lässt sie also weg und suchst nach neuen Möglichkeiten."

"Das Nachtankverbot hat gravierende Auswirkungen in mehreren Bereichen, zum Beispiel bei Radstand, Layout des Kühlsystems und auch bezüglich des gesamten Kraftstoffsystems, das nun nicht mehr alle 20 Runden mit frischem Benzin versorgt wird. Die schmaleren Vorderreifen haben ein wenig Einfluss auf die Aerodynamik, aber hauptsächlich geht es darum, die Leistung der Reifen am besten vorab einzuschätzen. Die Charakteristik wird sich im Vergleich zum Vorjahr offenbar deutlich verändert haben."

"Das Heck des Autos hat sich am deutlichsten verändert." Mark Smith

Frage: "Welche Unterschiede stehen am neuen VJM03 im Vergleich zum Vorgänger im Fokus?"
Smith: "Der Wagen ist eine natürliche Fortführung in jenen Bereichen, in welchen wir Ende 2009 ganz gut aufgestellt waren. In anderen Bereichen gibt es hingegen grundlegende Änderungen. Das Heck des Autos hat sich am deutlichsten verändert. Das liegt daran, dass wir alle nun ein Jahr lang Erfahrungen mit dem Doppeldiffusor sammeln konnten und ins Jahr 2010 diesbezüglich viel schlauer starten."

"Es gibt dort umfassende Anpassungen. In diesem Jahr kann man behaupten, dass der Wagen auf das Bauteil zugeschnitten ist. Im vergangenen Jahr hat man den Doppeldiffusor einfach nur schnell anbauen können. Es ist logisch, dass man nun das Auto viel besser darauf abgestimmt hat. Das Getriebe ist nun etwas anders angeordnet und auch dort gibt es Anpassungen, die den Diffusor besser wirken lassen. Das sind die grundlegenden Neuerungen an unserem Auto."

Frage: "Wie wirken sich die schmaleren Vorderreifen aus?"
Smith: "Die größten Auswirkungen verspüren wir in Sachen Balance, sowohl aerodynamischer Balance als auch mechanischer und bei der Gewichtsverteilung. Wir haben zwar Daten von den neuen Reifen, werden aber erst bei den ersten Testfahrten auf der Strecke wirklich erkennen können, wie das Zusammenspiel mit dem Auto funktioniert."


Fotos: Präsentation des Force India VJM03


"Die Differenz bezüglich der Benzinmengen ist in diesem Jahr ebenfalls viel größer als 2009. Man darf erwarten, dass dies dafür sorgen wird, dass das Reifenmanagement im Rennen zu einen großen Faktor werden wird. Das bedeutet, dass man auf den Reifenverschleiß immer ein genaues Auge haben muss. Ich denke, dass einige Komibantionen von Autos und Piloten dabei durchaus Vorteile haben können."

Frage: "Wie viel Aufwand ist es, den genauen Tankinhalt zu berechnen? Falls sich jemand verrechnet könnte es doch bei Rennen mit hohem Benzinverbrauch wie zum Beispiel in Montréal oder Valencia Probleme geben..."
Smith: "Wir haben da viel Aufwand betrieben. Weil sich die Größe des Benzintanks auf sehr viele Bereiche des Autos auswirkt, haben wir die Mindestgröße so genau wie möglich berechnet. Wir haben uns alte Datensätze angeschaut, haben dann Faktoren wie höhere Benzinlast oder veränderte Aerodynamik und entsprechende Veränderungen bei Rundenzeiten mit einberechnet. Daraus ergab sich dann ein Verbrauch. Wir haben viel Hilfe von Mercedes bekommen, als es um die Verbrauchsdaten ging."

"Die Autos werden einen langsameren Start ins Rennen hinlegen." Mark Smith

Frage: "Das zusätzliche Benzin muss irgendwo untergebracht werden. Inwieweit wurde das Auto insgesamt dadurch größer?"
Smith: "Die maximale Breite der Benzinblase ist per Reglement festgelegt. Also ist das Chassis als Konsequenz länger geworden."

Frage: "Welche Auswirkungen wird die extreme Benzinlast haben?"
Smith: "Bezüglich der Rundenzeiten wird das sehr viel ausmachen. Man spricht da von bis zu fünf Sekunden. Die Autos werden also einen langsameren Start ins Rennen hinlegen. Für die Fahrer wird es mit dermaßen viel Benzinlast deutlich schwieriger. Unsere Piloten waren damals noch nicht dabei, als das Nachtanken noch nicht eingeführt worden war. Mit den Bremsen muss man auch behutsam umgehen. Wir haben spezielle Methoden, um die Kühlung der Bremsen zu überwachen. Die Vorgaben wurden hier natürlich entsprechend der höheren Belastung angepasst."

Frage: "Im vergangenen Jahr habt ihr euch schnell vom verstellbaren Frontflügel verabschiedet, weil dadurch die Entwicklung neuer Flügel extrem verlangsamt worden wäre. Wird es in diesem Jahr wichtiger sein, eine verstellbare Lösung funktionstüchtig an Bord zu haben?"
Smith: "Ich denke, es könnte deutlich wichtiger sein. Im Fahrerlager hat man im vergangenen Jahr kaum darüber gesprochen. Wir hatten nicht den Eindruck, dass ein solches System den Piloten großartig hilft. Wir waren auch ohne verstellbaren Frontflügel glücklich. Wenn man nun aber im Rennen mit einem sich stark verändernden Auto zurechtkommen muss, dann könnte es eine gute Hilfe sein. Wir werden es im Verlauf des Jahres mal ausprobieren."

Frage: "Bist du insgesamt glücklich mit dem Ergebnis deiner Arbeit?"
Smith: "Diese Frage kann ich wirklich erst beantworten, wenn das erste Rennen vorbei ist. Das Entwicklungstempo in der Formel 1 war im vergangenen Jahr sehr hoch, das haben viele auch über den Winter weiterhin so hoch gehalten. Wie sich das auf die Leistungsunterschiede bei den Teams auswirkt, müssen wir zunächst einmal abwarten."