powered by Motorsport.com

Fittipaldi: "Vettel darf nicht denken, er sei der Beste"

Wegbegleiter und Experten über Vettel: Warum er frühzeitig Autofahren durfte, wieso sein Entdecker leer ausging und welche Gefahren nun lauern

(Motorsport-Total.com) - Das Echo auf den ersten Titelgewinn von Sebastian Vettel ist enorm. Von allen Seiten gibt es Glückwünsche, Experten und Wegbegleiter machen sich Gedanken über die Zukunft des jüngsten Formel-1-Weltmeisters der Geschichte - er ist derzeit zumindest in den deutschen Massenmedien das bestimmende Thema. Für die meisten 23-Jährigen wäre es wohl eine enorme Gefahr, so im Mittelpunkt zu stehen wie der Red-Bull-Pilot. Doch Vettel scheint dafür gerüstet, sich in diesem Gewirr nicht selbst zu verlieren. "Mir ist wichtig, mir selbst treu zu bleiben", bestätigte er bei der Red-Bull-Pressekonferenz in Salzburg.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Vettel-Mania: Der Weltmeister ist derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses

Diese Charakterfestigkeit scheint Vettel schon immer mitgebracht zu haben. BMW-Motorsportchef Mario Theissen erinnert sich bei 'spox.com' an seinen ersten Kontakt mit dem nunmehrigen Champion im Jahr 2003: "Bei einem unserer Formel-BMW-Rennen kam ein Drei-Käse-Hoch auf mich zu, zupfte an meinem Arm und sagte ganz unbekümmert: 'Hallo, ich heiße Sebastian Vettel. Und im nächsten Jahr fahre ich auch in eurer Serie'. Schon damals hat mir sein Auftreten imponiert."

Diesen Eindruck bestätigte Vettel auch weiterhin. "Sebastian war seinen Altersgenossen weit voraus", meint Theissen. "Für die meisten bedeutete der Wechsel vom Kart zur Formel BMW eine Orientierungsphase, er dagegen ging die neue Aufgabe wie ein gestandener Profi an." Ich habe von ihm als 16-Jährigem Rennreports, von denen sich manch gestandener Werkspilot eine Scheibe abschneiden kann."

Hebt Vettel nun ab?

Auch Ex-BMW-Pilot Hans-Joachim Stuck bestätigt den professionellen Zugang Vettels: "Im Vergleich zu den anderen jungen Kerlen, die damals dabei waren, war Sebastian sehr akribisch. Er ist mit seinem Vater zusammen alle neuen Strecken abgelaufen und hat sich Notizen in sein Büchlein gemacht. Er wusste über jedes Detail genau Bescheid. Das hat mich sehr an Michael Schumacher erinnert."

Ist Vettel also der neue Schumacher? Stuck winkt ab: "Einen großen Unterschied zu Schumacher gab es schon immer. Sebastian kommt unheimlich sympathisch und offen rüber." Doch ist dieser offene Zugang für einen Weltmeister überhaupt ein gangbarer Weg? Oder bleibt ihm aufgrund des enormen Interesses der Öffentlichkeit vielleicht gar nichts anderes übrig, als auf Distanz zu gehen?

"Sebastian kommt im Gegensatz zu Schumi unheimlich sympathisch und offen rüber." Hans-Joachim Stuck

Theissen ist sicher: "Er wird nicht abheben. Er wird aber auch nicht mehr jederzeit und für jeden zu sprechen sein. Wer das als Abheben deutet, liegt falsch. Es ist einfach nur die konsequente Fortsetzung seiner Linie: volle Konzentration auf die sportliche Leistung. Und deshalb wird der Weg zum WM-Titel auch künftig nur über Sebastian Vettel führen."

Fittipaldi warnt Vettel

Auch der zweifache Formel-1-Champion Emerson Fittipaldi hält die Titelverteidigung gegenüber der 'Welt' für "möglich", dennoch rechnet er damit, dass ihm Fernando Alonso 2011 mit Ferrari das Leben schwer machen wird. Auch Schumacher sieht er als Titelanwärter. Wovon es abhängen wird, dass Vettel weiter Titel einfahren kann? "Er darf jetzt nach diesem Erfolg nicht ausschließlich denken, er sei der Beste. Das ist der erste Schritt zur Niederlage", warnt Fittipaldi.

Der Brasilianer ortet beim jungen Deutschen in einem Punkt Verbesserungspotenzial: "Er kann stolz auf sich sein, aber er muss lernen zu verlieren. Er braucht Unterstützung in schlechteren Phasen, und die werden kommen. Als Weltmeister stehst du auf Platz eins, also ist alles andere schlechter. Das ist schwer, aber ich traue Sebastian und seinem Team zu, damit umgehen zu können."

"Er kann stolz auf sich sein, aber er muss lernen zu verlieren." Emerson Fittipaldi

Gelingt es dem Deutschen, weitere Titel zu holen, dann ist dies auch ein persönlicher Triumph für dessen Entdecker Gerd Noack, Präsident des Kartclubs Kerpen. Schließlich wird dessen Titelsammlung immer größer. "Wir sind achtfacher Weltmeister", schmunzelt er gegenüber dem 'Tagesspiegel' und spielt damit auf die sieben Titel von Schumacher an, den er ebenfalls entdeckte.

Entdecker Noack: Kein finanzieller Gewinn durch Vettels Triumph

"Ich war spätestens 1997 davon überzeugt, dass das der neue deutsche Formel-1-Weltmeister wird nach Michael", erzählt Noack, der damals sogar sein Geschäft verpachtet hat, "um mehr Zeit zu haben für Sebastian." Dementsprechend groß war die Freude, als Vettel in Abu Dhabi sein Ziel endlich erreicht hatte. Und auch ein bisschen persönlicher Stolz war dabei, wie Noack zugibt: "Ja, mit Sicherheit. Ich habe wirklich sehr viel Zeit und Kraft reingesteckt und zehn Jahre versucht, für ihn die Wege zu ebnen, damit er immer zur richtigen Zeit den richtigen Ansprechpartner hatte. Deswegen ist das dann natürlich ein bewegender Moment, wo man sagt: Ja, die Investition hat sich doch gelohnt. Der Erfolg ist das Größte, was man zurückkriegen kann."

Außerdem beschreibt er Vettel als äußerst angenehmen Zeitgenossen, mit dem er gerne gearbeitet hat: "Er ist sehr bodenständig, das liegt, glaube ich, in der Familie. Die war immer mit dabei, Vater, Mutter, Schwester, bei jedem Rennen. Da hat man nicht im Hotel gewohnt, sondern im Wohnmobil, und das prägt einen jungen Kerl natürlich. Er hatte auch nie Allüren, die hätten wir ihm auch sehr schnell abgewöhnt. Er ist ein lieber, lustiger Kerl, der sehr gut mit allem umgehen kann."

"Ich war spätestens 1997 davon überzeugt, dass das der neue deutsche Formel-1-Weltmeister wird." Gerd Noack

Dass Vettel nun wie Schumacher Millionen verdient und er weiterhin ein "normales Leben" lebt, stört den 58-jährigen Noack nicht: "Alle Welt ist nur geldorientiert, aber mir geht es um den Erfolg. Gut, in Sebastian haben wir sehr viel investiert, und wenn ich das mal zurück kriegte, was ich schon in Rennfahrer investiert habe, könnte ich schon lange in Rente gehen. Aber ich verdiene mein Geld selber, ich brauche niemanden, der das für mich macht."

Warum Vettel schon mit 17 Autofahren durfte

Und auch von der Politik erhielt Vettel in jungen Jahren Unterstützung - als es darum ging, schon vorzeitig am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen. Dafür sorgte 2004 der heute 51-jährige Matthias Wilkes, Landrat des Kreises Bergstraße. Da es damals das begleitete Fahren mit 17 noch nicht gab, erteilte er Vettel einen Tag vor Weihnachten eine Ausnahmegenehmigung, am 28. Dezember hatte Vettel dann seinen ersten Führerschein.

"Laut Gesetz kann man zwischen 17 und 18 Jahren eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Aus wirtschaftlichen Gründen oder bei Krankheitsfällen", erklärt Wilkes gegenüber 'bild.de'. Vettel war die erste von einigen Ausnahmen: "Sebastian hatte den Antrag gestellt. Er hatte einen Vertrag bei BMW, wo er auch für Werbezwecke fahren musste. Ich bin die Führerscheinstelle und erteilte die Ausnahme auch, weil er als Motorsportler sein Können am Steuer nachgewiesen hatte. Vielleicht habe ich damit einen kleinen Beitrag dazu geleistet, dass Sebastian Weltmeister wurde."

"Vielleicht habe ich einen kleinen Beitrag dazu geleistet, dass Sebastian Weltmeister wurde." Matthias Wilkes