• 20.05.2011 20:17

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

FIA verteidigt Zwischengas-Verbot

Charlie Whiting erklärt, warum die FIA plötzlich doch gegen die auspuffangeströmten Diffusoren vorgeht, und spricht über wichtige Hintergründe

(Motorsport-Total.com) - Am 16. Juni wird die Technische Arbeitsgruppe, der neben den Technischen Direktoren aller Teams auch FIA-Cheftechniker Charlie Whiting als Vorsitzender angehört, über das geplante Zwischengas-Verbot diskutieren. Eigentlich hätte dieses kurzfristig schon in Barcelona eingeführt werden sollen, doch die Teams konnten zumindest eine Verzögerung erwirken.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel und Charlie Whiting

Charlie Whiting (rechts) im Gespräch mit Weltmeister Sebastian Vettel

Das ändert freilich nichts daran, dass Whiting den Einsatz von Zwischengas zur Optimierung des auspuffangeströmten Unterbodens für illegal hält: "Ein Auspuff ist dazu da, Abgase aus dem Motor zu leiten", begründet der Regelhüter. "Wenn du nicht auf dem Gas stehst, werden aber keine Abgase produziert, also ist eine Bewegung des Fahrers notwendig, um die aerodynamischen Eigenschaften des Autos zu beeinflussen."

Fahrer als aerodynamisches Steuerelement

Doch das ist eigentlich falsch gedacht, dann das Zwischengas, das den Zweck hat, den Abgasstrom aus dem Auspuff (und somit den Anpressdruck, der dadurch am Unterboden generiert wird) nicht abreißen zu lassen, wird nicht durch Pedaldruck vom Fahrer gesteuert. Vielmehr haben sich die Motorenhersteller Tuningvarianten einfallen lassen, durch die dieser Vorgang vollautomatisch vonstatten geht, wenn zum Beispiel eine Kurve angebremst wird.

Eine technische Möglichkeit, die Cosworth offenbar noch nicht durchschaut hat, sodass man im Fahrerlager vermutet, dass Williams das Zwischengas-Verbot bei der FIA angeleiert haben könnte. Whiting bestätigt, dass er infolge der Beschwerde eines Teams Anfang dieser Woche die Initiative ergriffen hat: "Das war tatsächlich der Fall, aber das betroffene Team möchte nicht, dass wir seinen Namen verraten."

¿pbvin|512|3683||0|1pb¿Sollte Whiting mit seiner Interpretation der Regeln richtig liegen, dann wären neun von zwölf Teams derzeit illegal unterwegs. Insofern ist es auch keineswegs unmöglich, dass Williams, Marussia-Virgin oder HRT dieses Wochenende Protest einlegen: "Diese Möglichkeit besteht", stellt der Technische Delegierte des Automobil-Weltverbandes klar. "Ich habe den Teams klargemacht, dass das passieren kann und dass dann ganz normal die Kommissare entscheiden würden."

"Wir haben bei den technischen Direktiven, die wir nun schon seit vielen Jahren ausschicken, immer betont, dass das nur die Meinung unserer Technikabteilung ist, aber jeder bei den Kommissaren Protest einlegen kann", so Whiting. Dass die dann eine andere Meinung vertreten, passiere nicht oft, "aber es ist schon vorgekommen - zum Beispiel mit den Bremsen in Brasilien 1998". Damals hatte Whiting ein McLaren-System erst abgesegnet, doch später wurde er overrult.

Massendisqualifikation in Barcelona?

Theoretisch könnte also ein erfolgreicher Protest dazu führen, dass in Barcelona der Großteil des Feldes disqualifiziert werden muss. "Ich glaube, dass das nicht passieren würde, aber wer weiß? Es ist nicht völlig ausgeschlossen", sagt Whiting. "Es steht jedem frei, einen Protest einzulegen, und der wird dann von den Kommissaren behandelt." Das sind an diesem Wochenende Mark Blundell (Großbritannien), Paul Gutjahr (Schweiz) und Radovan Novak (Tschechien).

'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer wundert sich übrigens sehr darüber, dass die FIA drei Tage vor Trainingsbeginn in Barcelona plötzlich auf die Idee gekommen ist, gegen die auspuffangeströmten Diffusoren vorzugehen, schließlich sind die Systeme bereits seit einem Jahr im Einsatz. "Jeder wusste das und man konnte es sogar im Fernsehen klar und deutlich hören", kritisiert der Schweizer. "Warum also erst jetzt?"

"Diese Dinge beginnen klein und scheinen zunächst harmlos zu sein, aber dann werden sie immer schlimmer", verteidigt Whiting das Vorgehen der FIA. "Jetzt könnten sogar noch extremere Systeme kommen, also war es an der Zeit, etwas zu unternehmen. Natürlich ist die Nutzung der Abgasströmung nicht neu, sondern die gibt es schon seit Jahren, aber Red Bull hat das Ganze mit dem niedrigen Auspuff im Vorjahr auf eine neue Stufe gehoben."


Fotos: Großer Preis von Spanien, Freitag


Dass die FIA bei so etwas erst seelenruhig zuschaut und nach einer Weile doch noch eingreift, sei keineswegs ungewöhnlich: "So etwas passiert", sagt Whiting. "Wir hatten das auch bei den Bremsschächten, um ein Beispiel zu nennen, weil die mit aerodynamischen Profilen übersät wurden. Irgendwann realisierst du, dass du dagegen einschreiten musst. Insofern ist das, was jetzt passiert, überhaupt nicht ungewöhnlich."

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