• 23.03.2012 16:52

  • von Sven Haidinger & Dieter Rencken

Ferrari-Schwäche: Aufhängungs-Geometrie schuld?

Technikexperte Gary Anderson glaubt, die Ferrari-Problemzone entdeckt zu haben, während Teamchef Stefano Domenicali weiter um Geduld bittet

(Motorsport-Total.com) - Ferrari ist nach wie vor im Rückstand. Das zeigte das Freie Training am Freitag in Malaysia. Fernando Alonso fuhr die insgesamt siebtbeste Zeit - auf die Bestmarke von Lewis Hamilton fehlten dem Spanier 0,870 Sekunden. Wie schon in Melbourne ist die Performance Alonsos deutlich besser als die des F2012 - die wahre Schieflage zeigen die Platzierungen von Felipe Massa: Dem Brasilianer fehlten heute 1,875 Sekunden auf die Bestzeit, das reichte gerade mal für Platz 17.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Anderson ortet die Ferrari-Probleme im Bereich der Vorderräder

Doch wo genau liegen die Schwachstellen des F2012? "Wie ich schon am Sonntagabend nach dem Rennen in Melbourne gesagt habe, fehlt uns vielleicht etwas Traktion in langsamen Kurven und Speed", erklärt Teamchef Stefano Domenicali. "Das sind die zwei fundamentalen Probleme, die wir lösen müssen."

Interessant ist, dass Gary Anderson die Vorderrad-Aufhängung als Problemzone des F2012 ortet. "Bei Ferrari scheint nach wie vor Unruhe zu herrschen", sagt der ehemalige Jordan-Technikchef gegenüber der 'BBC'. "Eines ihrer Probleme hat etwas mit der Geometrie der Vorderachse zu tun."

Andersons Theorie

Wie er zu diesem Schluss kommt? "Beide Vorderreifen sammeln Gummiabrieb von der Strecke auf", erklärt der Ire ein in der Formel 1 übliches Phänomen. "Normalerweise handelt es sich um einen Streifen auf der inneren Schulter des Reifens, der zwei oder drei Zentimeter dick ist. Bei Ferrari ist er aber zehn Zentimeter dick."

Dadurch fehlt dem Boliden Grip, was sich unter anderem in einer schlechteren Traktion bemerkbar macht. Anderson erklärt seinen Gedankengang im Detail: "Wenn sich das Auto in der Kurve befindet, dann neigt sich der Reifen aus einer statischen Position zu einem positiven Sturz. Bei Ferrari neigt er sich aber zu stark, weshalb sie bei niedriger Geschwindigkeit so viel Sturz wie möglich fahren müssen. Sie haben den Kompromiss zwischen den beiden Varianten nicht hingekriegt, und das resultiert darin, dass sie den Reifen nicht korrekt nutzen."

Laut Anderson hängt dies mit der Aufhängungsgeometrie zusammen: "Um das zu ändern, müssten sie das Layout ihrer Vorderrad-Aufhängung ändern, die Position der Querlenker und so weiter." Der Technikexperte will aber nicht bestätigen, dass die Zugstreben-Lösung, auf die Ferrari dieses Jahr erstmals und als einziges Team setzt, das Problem ist: "Natürlich wird dem sehr viel Aufmerksamkeit gewidment, aber obwohl es einen Zusammenhang geben könnte, wird das nicht speziell durch Druckstreben erwirkt."

Domenicali stellt klar: Noch keine Fortschritte

Teamchef Domenicali stellt klar, dass man derzeit noch keine Lösungen für die Probleme am Auto ausprobiert: "Zunächst ist es wichtig, dass wir die Probleme mit dem Auto identifiziert haben und zu Hause daran arbeiten, sie zu lösen. Derzeit müssen wir das Beste auf der Strecke herausholen - das ist es."

Stefano Domenicali (Teamchef)

Auch Stefano Domenicali ist von der Ferrari-Krise gezeichnet Zoom

Der Mann aus Imola hofft insgeheim auf ein chaotisches Rennen am Sonntag - sonst wird es für Ferrari auch diesmal nicht möglich sein, in den Kampf um den Sieg einzugreifen: "Im Rennen kann alles passieren, also müssen wir fokussiert bleiben. Klar ist aber, dass man ohne Zauberstab nichts tun kann."

Enorme Leistungsdichte als Chance?


Fotos: Ferrari, Großer Preis von Malaysia


Domenicali macht keinen Hehl daraus, dass er angesichts der schwierigen Lage enttäuscht sei, zumal Ferrari diese Saison eigentlich mit einem innovativen Auto zurückschlagen wollte. Für Frust sei aber derzeit kein Platz: "Ich bin nicht glücklich, aber das hilft uns nicht weiter. Ich habe meine Ingenieure gebeten, sich weiter auf die Arbeit zu konzentrieren, denn das ist ihre Aufgabe. Ich muss sicherstellen, dass wir zu Hause bei der Entwicklung des Autos pushen, denn seit dem vergangenen Wochenende kennen wir die Probleme."

Hoffnung geben ihm derzeit die knappen Abstände in der Formel 1. "Wir müssen jetzt unsere Probleme so schnell wie möglich lösen, denn in so einem engen Feld macht ein kleiner Schritt einen großen Unterschied", übt er sich in Durchhalte-Parolen. "Wenn es so eng ist und man sich in einer schwierigen Situation befindet, dann muss man einfach punkten, denn es ist immer noch alles möglich."