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Ferrari-Protest: Was Vettel jetzt "doof und scheiße" findet

Das Ferrari-Team findet sich mit der Entscheidung der FIA ab und schleppt den Fall Kanada nicht zum CAS in Lausanne - Sebastian Vettel in erster Reaktion emotional

(Motorsport-Total.com) - Das Ferrari-Team hat bestätigt, die Entscheidung der FIA im Fall Sebastian Vettel zu akzeptieren. Damit bleibt es endgültig beim Sieg von Lewis Hamilton beim Grand Prix von Kanada. Im Vorfeld des Hearings am Freitag in Le Castellet war für möglich gehalten worden, dass Ferrari den Fall zum Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne verschleppen könnte. Aber das wird nicht passieren.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel ist enttäuscht über die Entscheidung der FIA-Rennkommissare Zoom

Teamchef Mattia Binotto stellte sich am Freitagabend den Medien, und besonders gesprächig war er, was das abschließende FIA-Urteil betraf, nicht. Ferrari sei "sehr unglücklich und enttäuscht" über die Entscheidung, sagte er. Gleichzeitig betonte der in der Schweiz geborene Italiener, dass er "die Entscheidung nicht groß kommentieren" werde.

Auf Nachfrage eines Journalisten, ob der Fall für Ferrari nun abgeschlossen sei, vor dem Hintergrund der Spekulationen über einen Gang zum CAS, antwortete Binotto dann aber doch: "Ja. Er ist abgeschlossen." Ferrari akzeptiert damit das Urteil der FIA-Rennkommissare - wenn auch zähneknirschend.

Sportdirektor Laurent Mekies hatte in der FIA-Pressekonferenz am Freitag nämlich selbstbewusst angekündigt, dass man "overwhelming new evidence" vorlegen könne, also "überwältigende neue Beweise", die belegen sollen, dass Vettel beim Grand Prix von Kanada gegen keine Regel verstoßen hat.

Vorgelegte neue Beweise nicht ausreichend

Um 14:15 Uhr traf sich Mekies dann mit drei der vier Kanada-Kommissare, um ihnen dieses neue Beweismaterial vorzulegen. Die beiden FIA-Kommissare Gerd Ennser (Deutschland), Mathieu Remmerie (Belgien) und Experten-Kommissar Emanuele Pirro (Italien) waren persönlich anwesend. Mike Kaerne (Kanada) wurde per Videokonferenz zugeschaltet.

Bereits im Vorfeld hatten sich Experten gefragt, was Ferrari vorliegen will, was den Kommissaren am Sonntag in Kanada noch nicht bekannt gewesen sein soll. Berechtigte Zweifel, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, denn von den sieben Beweismitteln waren fünf schon in Montreal verfügbar. Zwei weitere wurden als nicht relevant eingestuft.

Dabei handelte es sich a) um eine Video-Analyse von Karun Chandhok im englischen Pay-TV, die laut FIA-Ansicht unzulässig ist, weil sie lediglich eine subjektive Drittpartei-Meinung darstellt. Und b) um eine Helmkamera von Vettel, die die Formel 1 erst nach dem Rennen herausgerückt hat. Diese zeige aber, so die FIA, keine nennenswert neue Perspektive des Geschehenen.

Die fünf anderen Beweise, die Ferrari einbrachte, wurden zurückgewiesen, weil sie kein neues Beweismaterial darstellten. Dabei handelte es sich um Telemetriedaten des Vettel-Autos, eine Video-Analyse der Onboard-Kameras, Fotos, eine Analyse der GPS-Daten von Vettel und Hamilton sowie eine Zeugenaussage von Vettel.

Protest wird gar nicht erst verhandelt

Um 16:25 Uhr herrschte dann Klarheit: Die FIA lehnte Ferraris Ansuchen nach einem Revisionsverfahren ab, weil das vorgelegte Beweismaterial einerseits nicht neu war und andererseits nicht relevant genug, um eine Neubewertung einzufordern. Der bereits am Sonntag in Kanada angemeldete Protest wurde als unzulässig abgewiesen, bevor er verhandelt werden konnte.

Das ist aus Vettels Sicht "enttäuschend, aber es bringt nichts, da jetzt noch lange drüber zu reden. Ich habe meine Meinung und werde sie auch nicht ändern. Das wird nichts mehr ändern", seufzt der 31-jährige Deutsche. Überrascht sei er nicht, denn: "Wir haben so viele Seiten im Reglement. Wenn man will, findet man die passende Regel dazu."

Vettel klingt frustriert, wenn er sagt: "Das Wort haben wir schon lange den Anwälten gegeben. Wer jetzt schuld ist, weiß ich nicht. Aber es ist natürlich dann schade. Vor allem für die Leute, die dann am Fernseher oder an der Strecke sitzen und eigentlich den Sport sehen wollen. Das ist einfach doof und sieht scheiße aus."

Ein Journalist will wissen, ob er eine Möglichkeit sieht, etwas zu unternehmen, um die Dinge zu ändern. Vettel überlegt kurz, sagt dann: "Zurücktreten! Dann bin ich zumindest nicht mehr in Schwierigkeiten." Als die ersten Medienvertreter begeistert ihre Bleistifte spitzen, relativiert er: "Das war ein Witz!" Dass die Aussage trotzdem Schlagzeilen machen werde, sei ihm "egal".

Vettel klagt an: "Werden nicht gehört"

"Das Problem ist, dass wir nicht gehört werden bei solchen Dingen. Das hat schon vor langer Zeit angefangen, als es darum ging, ob einer eine weiße Linie überfahren darf oder zu viel Randstein mitgenommen hat. Lasst uns fahren, wie wir wollen! Wenn ihr damit nicht zufrieden seid, baut andere Strecken! So einfach ist es. Baut halt Parkplätze mit Linien und Randsteinen, so wie hier."

Es gebe "zu viele Paragraphen", analysiert Vettel entnervt. Wie man das ändern kann? "Verbrennt die Dokumente!", fordert er. "Ich bin kein Fan von dem Ganzen. Klar, gleiches Recht für alle, aber auf der anderen Seite müssen wir mal die Kurve kriegen. So kann es nicht weitergehen mit den ganzen Paragrafenreitern."

Immerhin hat die Sache auch ihr Positives: Die Aufregung, die die vergangenen beiden Wochen medial dominiert hat, die ist nun vorbei. Vettel muss grinsen, als er mit dieser Überlegung konfrontiert wird. Denn er hatte auch so keine schlaflosen Nächte, obwohl sein Montreal-Zwischenfall die Journalisten auf Trab gehalten hat.

"Ich habe da die letzten zwei Wochen nicht wirklich drüber nachgedacht", winkt der Ferrari-Pilot ab. Genau wie sein Team hat auch er vor, die Sache nun auf sich beruhen zu lassen. Es sei zwar jetzt "natürlich enttäuschend zu hören", so Vettel, "dass man sich das nicht einmal mehr anschaut. Aber so ist es jetzt."