Ferrari-Heck sorgt für Qualifying-Problem

Trotz eines neuen Heckflügels in Abu Dhabi kommt Ferrari im Qualifying nicht auf Touren - Technikexperte Gary Anderson hat eine Theorie für die Ferrari-Probleme

(Motorsport-Total.com) - Ferraris Qualifying-Performance gibt weiter Rätsel auf: Der F2012 ist im Rennen schnell, doch Fernando Alonso sieht sich bei fast jedem Grand Prix in der Anfangsphase zu aggressiven Manövern gezwungen, um an der Spitze mitfahren zu können. Schuld ist die schwache Qualifying-Performance. Klar ist, dass das Auto mit wenig Sprit und mit freigegebenem DRS nicht so funktioniert wie erwartet. Das beweist auch das Wochenende in Abu Dhabi - Alonso fuhr in Q3 mit fast einer Sekunde Rückstand auf Pole-Setter Lewis Hamilton nur die siebtbeste Zeit, Massa war gar nur Neunter in der Zeitentabelle.

Titel-Bild zur News: Ferrari, Diffusor

Ist der Diffusor des Ferrari-Boliden an den Qualifying-Problemen mitschuld? Zoom

Die Problemzone des Autos findet sich im Heck. Das beweist auch das Heckflügel-Rodeo, das man in Abu Dhabi veranstaltete: Im Freien Training auf dem Yas-Marina-Circuit fuhr Alonso zahlreiche Vergleichstests zwischen unterschiedlichen Flügelvarianten, das Problem konnte aber damit nicht gelöst werden: Der F2012 ist im Qualifying-Trim nach wie vor zu langsam.

Red Bull dank Doppel-DRS im Vorteil

Doch was läuft im Heck schief? Ein Faktor, der Ferrari schadet, ist mit Sicherheit, dass man nicht wie Red Bull über ein Doppel-DRS verfügt. Das ermöglicht es Vettel und Webber, mit einer Konfiguration für mehr Abtrieb ins Qualifying zu gehen - durch den zusätzlichen Strömungsabriss beim unteren "Beam-Wing" kommt man schließlich auch auf der Geraden auf Topspeed, weil DRS freigegeben ist.

Felipe Massa

Mit offenem Heckflügel beginnen bei Ferrari die Probleme Zoom

Das ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss, denn auch McLaren ist im Qualifying schnell - allerdings ohne Doppel-DRS. Gut möglich ist allerdings, dass Ferrari beim oberen Heckflügelelement aggressiver agieren muss als Red Bull, weil man beim "Beamwing" keinen Strömungsabriss generieren kann. Mercedes hatte Anfang 2011 derartige Probleme, als der Flügel zwar bei der DRS-Nutzung für einen deutlichen Geschwindigkeitsvorteil sorgte, dann aber nicht rechtzeitig zurückklappte und in der Bremsphase für mangelnde Stabilität sorgte.

Andersons Theorie

Unter mangelnder Stabilität am Kurveneinfang leiden auch die Ferrari-Piloten im Qualifying. 'BBC'-Experte und Ex-Jordan-Technikchef Gary Anderson glaubt, das Problem von Ferrari geortet zu haben. "Es handelt sich um ein Problem des Heckflügels und des Diffusors", meint der Ire. Seine Theorie: Wenn der Pilot das DRS am Kurvenausgang im Qualifying aufmacht, dann kommen die Piloten auf eine bessere Höchstgeschwindigkeit, und das Auto wird nach unten gedrückt. "Das Heck nähert sich dem Boden an, und dadurch kommt es beim Diffusor zu einem Strömungsabriss", erklärt Anderson dieses gewollte Phänomen, was für zusätzlichen Topspeed sorgt. "Wenn der Fahrer dann vor der nächsten Kurve bremst, dann ändert das Auto sein Verhalten und das Heck kommt wieder hoch."

"Ich bin zu 99,9 Prozent sicher, dass in der Bremsphase der Ferrari-Diffusor nicht sofort wieder zu wirken beginnt." Gary Anderson

Doch genau hier liegt laut Anderson das Ferrari-Problem begraben: "Ich bin zu 99,9 Prozent sicher, dass zu diesem Zeitpunkt der Ferrari-Diffusor nicht sofort wieder zu wirken beginnt." Dass der Strömungsabriss beim Ferrari-Diffusor länger anhält als geplant, hat nach Andersons Theorie eine Kettenreaktion zur Folge: "Dadurch ist der Luftstrom am Heck des Autos anders, und auch der Heckflügel beginnt nicht zu wirken. Dadurch geschieht es 18 oder 20 Mal pro Qualifying-Runde, dass das Heck weniger Abtrieb hat und dadurch für einen gewissen Zeitraum instabil ist, bis Diffusor und Heckflügel wieder zu wirken beginnen."

Warum der Ferrari im Rennen funktioniert

Der Ire ist zwar der Meinung, dass man die dadurch verursachte Instabilität des Autos beim Kurveneingang mit dem Setup behandeln kann, das Problem verschiebe sich dadurch aber nur in andere Bereiche: "Um die Instabilität des Hecks zu reduzieren, fährt man vorne mit weniger Abtrieb, aber das verursacht Untersteuern, wenn der Diffusor wieder zu wirken beginnt. Zudem bedeutet weniger Frontflügel auch weniger allgemeinen Abtrieb."

Genau darüber klagten die Ferrari-Piloten in Abu Dhabi im letzten Sektor in Abu Dhabi. Warum dieses Problem im Rennen nicht auftritt? "Auf den Geraden, wo DRS nicht verwendet wird, wird zwar der Diffusor für einen Strömungsabriss sorgen, aber der Heckflügel arbeitet weiter, was zur Folge hat, dass der Diffusor schneller wieder wirkt, wenn der Fahrer bremst", argumentiert Anderson. "Dadurch hat der Fahrer mehr Stabilität im Heck, als wenn er nach der DRS-Nutzung bremst. Das bedeutet, dass der Ferrari im Rennen konstanter ist."