• 27.05.2010 21:48

  • von Roman Wittemeier & Dieter Rencken

F-Schacht: Wie groß der McLaren-Vorsprung ist

Beim Grand Prix in Istanbul ziehen viele Konkurrenten nach: Red Bull bringt den F-Schacht erstmals, Mercedes und Ferrari probieren es erneut

(Motorsport-Total.com) - Mit dem F-Schacht ist McLaren 2010 zum Trendsetter geworden. Jenes geniale System, welches auf Geraden einen Strömungsabriss am Heckflügel erzeugt, somit den Luftwiderstand verringert und den Topspeed erhöht, wird derzeit von vielen Teams nachgebaut. Freilich müssen die Nachzügler eigene Lösungen entwickeln. McLaren hatte die Idee frühzeitig und konnte notwendige Luftkanale vor der Homologation im Chassis einplanen.

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McLaren macht Mode: Der F-Schacht findet immer mehr Nachahmer

Die Konkurrenz ist seither auf der Jagd nach der jeweils besten Notlösung. Sauber hatte aufgrund des Wissens von Ex-McLaren-Testpilot Pedro de la Rosa schnell eine eigene Lösung parat, auch Ferrari, Williams und Mercedes experimentierten in der frühen Saisonphase mit dem F-Schacht - allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. In Istanbul wollen Red Bull und Force India nachziehen. Doch das wird nicht einfach.#w1#

"Wir wissen, dass es ein bisschen Zeit braucht, das System feinzutunen. Ich hoffe, dass sie sich damit beschäftigen werden, während wir uns auf das Setup konzentrieren können", freut sich Weltmeister Jenson Button über den Vorsprung seiner Mannschaft. Der Vorteil auf langen Geraden beträgt beim Topspeed bis zu zehn km/h. Das Problem der Konkurrenz: Die Kalibrierung des Systems dauert seine Zeit. Setzt der Strömungsabriss zu spät ein, verliert man an Effizienz. Setzt er zu früh ein, geht Abtrieb verloren.

"Wir folgen unserem ganz eigenen Weg", sagt Mercedes-Teamchef Ross Brawn, dessen Mannschaft in der Türkei ein verbessertes System ausprobieren möchte. Angeblich werden die Silbernen einen F-Schacht präsentieren, der ohne Mithilfe des Piloten funktioniert - also quasi vollautomatisch ist. Bei McLaren wird der Strömungsabriss per Knie vom Fahrer aktiviert, bei Ferrari mussten Fernando Alonso und Felipe Massa zuletzt gar die Hand vom Lenkrad nehmen - eine kritische Variante.

"Es gibt nur wenige Sachen in der Formel 1, die als deutlicher Schritt gelten." Ross Brawn

Aber die Handhabung allein war nicht das einzige Ferrari-Problem. Der F-Schacht der Italiener war im ungewollten Dauerbetrieb. Konsequenz: Der Abtrieb ließ auch dann nach, wenn man es gar nicht gebrauchen konnte, zum Beispiel in schnellen Kurven. Für Istanbul bringt man eine neue Version, die deutlich effizienter und auch für die Piloten einfach zu bedienen sein soll. Auch Williams und Sauber werden veränderte Varianten auspacken, nachdem man die Erkenntnisse aus Spanien und Monaco ausgewertet hat.

"Wir haben einen Test in Schanghai gehabt, dann in Barcelona und nun probieren wir es hier", sagt Brawn und macht damit deutlich, dass man enorme Anstrengungen unternimmt, um den McLaren-Vorteil puncto Topspeed aufzuholen. "In Monaco wurde die Entwicklung kurz unterbrochen, weil man auf dieser Art Strecke keinen Vorteil von dem System hätte. Ich denke, dass uns in Istanbul ein gewaltiger Schritt gelingen wird."

Keine Frage: Der F-Schacht ist in der Formel 1 nicht nur ein Trend, sondern mittlerweile ein Muss. Zu groß ist der Geschwindigkeitsvorteil, den unter anderem Lewis Hamilton schon für einige Überholmanöver nutzen konnte. "Es gibt nur wenige Sachen in der Formel 1, die als deutlicher Schritt gelten", sagt der erfahrene Techniker Brawn. "Wir werden bezüglich des F-Schachts vorankommen, aber ganz sicher werden wir auch die anderen Bereiche nicht vernachlässigen."

Nach der gleichen Maxime agierte man zuletzt auch bei Red Bull. Der gute Speed des RB6 gab den Technikern um Stardesigner Adrain Newey ausreichend Gelassenheit, um den eigenen F-Schacht in Ruhe auszutüfteln. Man stand nicht unter Zugzwang, erkannte aber gleichzeitig, dass 2010 keiner der ernsten WM-Bewerber um eine solche Lösung herumkommt. "Wir geben unserem F-Schacht am Freitag eine erste Chance", meint Barcelona- und Monaco-Sieger Mark Webber.