Elektronik: MES bekommt Zuwachs

Der Halbleiter-Hersteller Freescale unterstützt MES bei der Entwicklung der neuen Elektronik-Steuereinheit - Neue Energiequellen ab 2014 eine große Herausforderung

(Motorsport-Total.com) - Seit 2008 fährt die Formel 1 mit einer von McLaren Electronic Systems (MES) und Microsoft entwickelten Standard-Elektronik. Der Vertrag mit MES/Microsoft wurde zunächst über drei Jahre abgeschlossen und dann um zwei weitere Jahre bis Ende 2012 verlängert. Nun existiert wieder ein Dreijahresvertrag bis Ende 2015.

Titel-Bild zur News: Standardelektronik von MES/Microsoft

Klein, aber oho: So sieht eine aktuelle Formel-1-ECU von MES/Microsoft aus

Ursprünglich hätte zeitgleich das neue Motorenformat eingeführt werden sollen, doch die neuen Öko-Triebwerke kommen nun erst 2014. Das heißt, dass MES die neue Steuereinheit (ECU) schon ein Jahr vor dem neuen Motor an den Start bringen und 2014 nachrüsten muss. Mit von der Partie ist dann ein weiterer neuer technischer Partner: Der Halbleiter-Hersteller Freescale arbeitet gemeinsam mit der McLaren-Tochterfirma an der Motorensteuerung der Zukunft.

"Derzeit kommt die standardisierte Antriebselektronik aus einer Hand. Ab 2014 wird die Master-ECU weiterhin von McLaren Electronic Systems geliefert, aber viele Nebeneinheiten für die Elektromotoren, Zündung und Benzineinspritzung gehen zu Freescale", erklärt MES-Geschäftsführer Peter van Manen. Ziel der beiden Partner sei vor allem, bei der Einführung der neuen Technologie nicht für Schlagzeilen zu sorgen: "Wenn du eine komplette Plattform für eine Rennserie bringst, muss es funktionieren. Wir wollen keine Nachrichten-Story sein."

Formel 1, IndyCar und NASCAR

Denn: "Es kostet 50 Millionen Dollar, solche Teile aus dem Nichts zu entwickeln. Es zu verbocken, wäre also gelinde gesagt ein Problem", sagt Steve Wainwright, Vizepräsident für Verkauf und Marketing bei Freescale. MES ist zumindest kein unbeschriebenes Blatt, beliefert seit Jahren nicht nur die Formel 1, sondern auch die IndyCar-Serie und den NASCAR-Cup. "In allen drei Serien haben sie das Motorenformat entweder kürzlich geändert oder es wird bald geändert", erklärt van Manen.

Am dramatischsten war sicher der Schritt der NASCAR, von einem Vergaser zu einem Benzineinspritzungs-System zu wechseln, während die IndyCars auf einen Direkteinspritzer-Turbo umgestellt haben. "Da gibt es Ähnlichkeiten mit dem Formel-1-Verbrennungsmotor ab 2014", findet van Manen. Den künftigen Formel-1-Motor (V6-Turbo mit 1,6 Liter Hubraum und doppelter Energierückgewinnung) bezeichnet er als "benzineffizienten Hybrid-Turbomotor für den Rennsport. Als solcher hat er viele außergewöhnliche Merkmale."

"Der größte Unterschied zum aktuellen Motor: Es ist die wichtigste Übung, einerseits Drehmoment und andererseits auch die Nutzung der Energie zu managen. Denn es gibt mehrere Drehmoment-Quellen innerhalb des Antriebsstrangs: Erstens den Verbrennungsmotor. Zweitens das KERS, das doppelt so stark sein wird wie bisher und nicht mehr nur auf Knopfdruck aktiviert werden darf, sondern auf die gesamte Runde, wie ein echter Hybrid. Und drittens die Energierückgewinnung aus den Auspuffgasen des Turbo."


Vorstellung von McLaren Electronic Systems

"Die Motorenhersteller und die Konstrukteure benötigen dafür mehr Flexibilität. Daher wird es in Zukunft ein anderes Elektroniksystem geben als jetzt", fährt er fort. "Das Gehäuse sieht von außen sehr ähnlich aus wie das der aktuellen Box, darunter verbirgt sich aber ungefähr die fünffache Prozessorleistung. In Sachen Datenaufzeichnung können mehr Parameter aufgezeichnet werden als jetzt. Momentan sind es ungefähr 500 Haupt- und 13.000 Hilfsparameter. Die neue Box wird das Doppelte schaffen."

Und: "Wechselt man von einem 60- auf einen 120-kW-Motor, dann wird der Motor unweigerlich größer. Es geht nicht nur um die Leistungsabgabe, sondern auch die Einschaltdauer ist viel länger. Die Elektronik, die den Wechselrichter für den Elektromotor kontrolliert, wird größer, weil sie viel mehr Hitze ausgesetzt sein wird. Allein die thermische Seite bedeutet, dass die Elektronik größer werden muss. Diese Einheiten werden größer, aber wir ersetzen Wechselrichter mit nur ein bisschen größeren Teilen, die dafür doppelte Leistung liefern."

Mehr Energiequellen zu managen

Ein besonders interessanter Aspekt des Formel-1-Motors der Zukunft ist die Energierückgewinnung, künftig ERS statt KERS (das K steht für kinetisch) genannt. Denn ab 2014 wird die Energie für den Antrieb nicht mehr nur aus den Bremsen "recycelt", sondern auch aus den Auspuffgasen. Einerseits ist das positiv, aber: "Die Hybrid-Elemente werden ein großes Investment erfordern, wie das auch bei der Einführung von KERS der Fall war", weiß van Manen. "Die größten Kostentreiber sind die neuen Teile, zum Beispiel die Benzin-Direkteinspritzung. Es wird viel Geld dafür ausgegeben, die Brennkammer zu optimieren."

Und das, obwohl der Technologietransfer zwischen Motorsport und Serie in diesem Bereich sehr beschränkt ist: "Es gibt kein Teil eines Formel-1-KERS, das in einem Straßenauto auftaucht", gibt van Manen zu. Das bedeute jedoch nicht, dass die Übung komplett für die Katz ist, denn: "Es entsteht ein grundlegendes Know-how über Batteriemanagement und darüber, wie man Motoren kleiner machen kann. Dieses Know-how fließt direkt in Straßenautos."

Peter van Manen

Peter van Manen ist Geschäftsführer von McLarens Elektronik-Division MES Zoom

Am wichtigsten ist aber, dass die Formel 1 ab 2014 zu einer Effizienz-Formel werden soll. Pro Stunde dürfen maximal 100 Kilogramm Benzin verbrannt werden. Van Manen erwartet deswegen aber kein radikales Umdenken: "Es wird genauso sein wie jetzt: Wenn du 100 Kilogramm Benzin verwenden darfst, dann werden alle versuchen, 99,9 Kilogramm zu nutzen. Das Energiemanagement wird dadurch komplizierter, als es jetzt ist." Aber ein neues Benzinsterben wie in der Turbo-Ära, als viele Autos in den letzten Runden ausgerollt sind, erwartet er nicht: "Das gibt es doch jetzt auch schon!"

"Die Autos haushalten mit ihrer Benzinmenge für das Rennen. Der größte Unterschied zwischen jetzt und vor 15 Jahren ist, dass man das Haushalten jetzt auf verschiedene Phasen des Rennens verteilen kann, weil man viel genauer darüber Bescheid weiß, wie viel Benzin noch übrig ist und wie viel man bei welchem Motorenmapping noch braucht. Früher ist jemand am Ende langsamer geworden, jetzt lässt es ein Fahrer halt in der Mitte des Rennens ein bisschen ruhiger angehen und hofft, dass es kein Rennen ist, in dem er die ganze Zeit voll attackieren muss", so der MES-Geschäftsführer.

Neu ist auch: "Ein Teil der Software wird standardisiert sein, ein Teil von den Teams selbst geschrieben", so van Manen. "Das Interessante daran ist: Wie schafft man ein dermaßen flexibles System, sodass man aber Features wie zum Beispiel eine unerlaubte Traktionskontrolle trotzdem kontrollieren kann? Der Kern der Lösung ist, Teile der Prozessoren innerhalb der Steuereinheiten zu partitionieren. Dann kann man sagen: 'Hierauf habt ihr Zugriff, mit diesen Inputs und Aktoren dürft ihr spielen. Und mit der Softwäre könnte ihr in diesem Bereich machen, was ihr wollt, aber in diesem Bereich nicht.'"