• 10.09.2006 10:04

  • von Fabian Hust

Ein kurzes russisches Intermezzo

Alexander Shnaider schaut zurück auf seine kurze Zeit in der schillernden Formel-1-Welt, die einst mit der Übernahme des Jordan-Rennstalls begann

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich wollte Stahlmilliardär Alexander Shnaider mit einem eigenen Rennstall erst in diesem Jahr in die Formel 1 einsteigen, doch als sich die Chance auftat, das kurz vor dem finanziellen Aus stehende Jordan-Team von Eddie Jordan zu übernehmen, schlug der in Kanada lebende Russe ein Jahr früher als geplant zu. Erst mit dieser Saison wurde der Rennstall aber samt russischer Lizenz unter dem Namen MF1 Racing ins Rennen geschickt - ein Novum in der Formel 1.

Titel-Bild zur News: Alexander Shnaider

Alexander Shnaider kümmert sich nun wieder um seine "echten" Geschäfte

MF1 Racing besteht überwiegend aus ehemaligen Jordan-Mitarbeitern und ist auch weiterhin in Silverstone stationiert. Doch abgesehen von Teameigentümer Shnaider gibt es kaum Russland-Bezug: Als Fahrer wurden Christijan Albers (Niederlande) und Tiago Monteiro (Portugal) engagiert, der in Rumänien geborene Deutsche Colin Kolles, ein gelernter Zahnarzt, ist Teamchef und die Arbeitsverträge der Briten Johnny Herbert und Adrian Burgess lauten auf Sportdirektor.#w1#

Die MF1-Racing-Philosophie ist, Superstars nicht einzukaufen, sondern sie selbst aufzubauen (inklusive der deutschen Testfahrer Adrian Sutil und Markus Whinkelhock) - ein prinzipiell lobenswerter Ansatz, mit dem bisher allerdings noch keine Bäume ausgerissen werden konnten. Obwohl Shnaider das Formel-1-Budget eigentlich aus seiner Portokasse bezahlen könnte, verfügt MF1 Racing bei weitem nicht über die Ressourcen der Topteams.

2005 war das Team noch unter dem Namen Jordan Grand Prix an den Start gegangen. Shnaider erinnert sich an die damalige Übernahme des Rennstalls: "Der Zeitrahmen war knapp, aber durch den Kauf von Jordan profitierten wir davon, ein schon fertiges Team zu haben, samt den Leuten, den Anlagen und dem Know-how. Alle Elemente waren vorhanden, die wir zuvor alle zusammenfügen wollten."

"Ein Jahr vor dem Plan in den Sport zu kommen war leichter mit einem etablierten Team zu bewerkstelligen, auch wenn das 2005 für uns zu einer steilen Lernkurve führte. Aber das ist in Ordnung, wir haben während dem Übergang eine Menge gelernt." Nur knapp zwei Monate nach dem Kauf begann für den Rennstall in Melbourne 2005 eine neue Saison. Aus diesem Grund war es zunächst das Ziel des Teams gewesen, überhaupt mit drei Autos nach Australien zu fliegen.

Zudem musste man binnen kürzester Zeit Geld aufbringen, um den Motorenvertrag mit Toyota zu erfüllen und Motoren zu erhalten. Man war jedoch auch gefordert, das Chassis aus dem Vorjahr anzupassen, damit es die V10-Triebwerke der Japaner schlucken kann und ein neues Getriebe zu entwickeln, Sponsoren suchen und neue Fahrer unter Vertrag zu nehmen.

Der nächste Schritt war es gewesen, die Zuverlässigkeit der Einsatzautos sicherzustellen und die Kosteneffizienz des Teams zu verbessern. Bestehende Lieferantenverträge wurden untersucht und ersetzt, falls man dies als sinnvoll erachtet hat. Die Zuverlässigkeit bekam das Team tatsächlich in den Griff, 2005 sah man in 84 Prozent der Rennen die Zielflagge.

In der dritten Phase wurde das Auto von 2005, der EJ15, weiterentwickelt. Beim Frankreich-Grand-Prix 2005 wurde der EJ15B eingeführt, während im Hintergrund gleichzeitig die Entwicklung an einem "richtig neuen" Auto vorangetrieben wurde, dem M16. Damit konnte das Team die Lücke auf die Konkurrenz deutlich verringern und kam der Spitze im Schnitt um zwei Sekunden pro Runde näher.

Abseits der Strecke wurden die Anlagen und die Ausrüstung des Teams komplett aufpoliert, es gab ein neues Motorhome - was allerdings zu Beginn zu mehr Sorgenfalten denn zu Momenten der Freude führte. In die Fabrik wurde also ebenso Geld investiert wie in den Windkanal, der derzeit verbessert wird, um statt 40- bald 50-Prozent-Modelle aufnehmen zu können.

"Mit unseren Plänen für das Team lagen wir im Soll", so Shnaider. "Das Jahr 2005 war wie erwartet schwierig, aber wir haben die Herausforderung genossen und haben hart gearbeitet. 2006 haben unsere Pläne begonnen, verbesserte Ergebnisse hervorzubringen. Das Team ist nun nur einen Katzensprung vom Mittelfeld entfernt und kommt ihm in jedem Rennen näher. Zudem ist seine Zuverlässigkeit besser als bei einigen Teams weiter vorne in der Startaufstellung."

"In der Fabrik wurde alles neu organisiert und das Team ist entschlossen, den Durchbruch in den nächsten Level zu schaffen. Spyker erkennt das an und wir haben bei Spyker die Fähigkeit erkannt, attraktive Sponsoren von einem robusten und enthusiastischen Formel-1-Markt anzuziehen. Wir haben das Gefühl, dass diese Sponsoren-Dollars zusammen mit einer ähnlichen Investition durch den Besitzer wie der unsrigen, die Ergebnisse schneller einbringen werden, als dies mit unserem Plan möglich gewesen wäre."

"Ich habe die Hochs und die Tiefs erfahren, als ich Teambesitzer war, und die meiste Zeit über habe ich es immens genossen. Aber ich habe ein paar andere geschäftliche Interessen außerhalb der Formel 1, die monetär gesehen viel bedeutender sind, auch wenn sie weniger profiliert sind."

"Ich habe generell Zeit gefunden, sowohl 2005 als auch 2006 fünf bis sechs Rennen zu besuchen und ich hoffe, dass ich in der Lage sein werde, dieses Niveau zu halten. Michiel Mol hat mich eingeladen, zu kommen und das Team zu besuchen, wann immer ich möchte, und ich freue mich darauf, die Action zu verfolgen und mit meinen Gästen im Fahrerlager zu entspannen."

"Ich möchte mich des Weiteren bei allen bedanken, die uns dabei geholfen haben, in dieser herausfordernden Umgebung binnen kürzester Zeit so viel zu erreichen: unsere Fahrer, Mechaniker, Ingenieure, Designer, die Belegschaft der Fabrik und das Teammanagement sowie unsere Lieferanten und Sponsoren", so der 38-Jährige abschließend. "Sie alle haben wunderbare Arbeit geleistet und ihre Zukunft in diesem Sport ist wohlverdient glänzend."