Ein Blick auf die Boxenstopps bei Ferrari
Der Boxenstopp in Monza hat das Rennen zugunsten von Fernando Alonso entschieden - Ferrari-Techniker Diego Ioverno erklärt die komplexen Hintergründe
(Motorsport-Total.com) - Ein Blick auf die Boxenstopps bei Ferrari

© Ferrari
Die menschliche Komponente ist bei den boxenstopps entscheidend
Der Boxenstopp in Monza hat das Rennen zugunsten von Fernando Alonso entschieden - Ferrari-Techniker Diego Ioverno erklärt die komplexen Hintergründe
Die Entscheidung über den Monza-Sieg ist in den Boxen gefallen. Jenson Button und Fernando Alonso sind beide fehlerfrei gefahren, doch für ein richtiges Überholmanöver reichte es für beide nicht. In Runde 36 bog Button zu seinen McLaren-Mechanikern in die Boxengasse ab. Einen Umlauf später folgte Alonso. Diese eine Runde plus die schnelle Arbeit der Ferrari-Mechaniker brachten den Spanier vor dem Weltmeister wieder auf die Strecke.
3,4 Sekunden brauchten die 16 Mechaniker für den Reifenwechsel am roten Auto mit der Startnummer acht. Es war aber nicht der beste Stopp der Scuderia in der laufenden Saison. Der glückte in Kanada in 3,3 Sekunden, als man Alonso vor Lewis Hamilton wieder auf die Bahn schicken konnte. Im Durchschnitt dauern die Reifenwechsel bei Ferrari 3,7 Sekunden.#w1#
Was ist das Geheimnis für diese flinke Arbeit? "Wir haben sehr viel Zeit dafür aufgewendet, um den Wechselprozess zu optimieren", sagt Diego Ioverno, der Chef der Rennoperationen. "Bis zum Ende der vergangenen Saison bestimmte die Zeit zum Nachtanken die Länge eines Boxenstopps. Die Mechaniker für die Reifenwechsel hatten ein komfortables Zeitpolster, obwohl es trotzdem nur Sekunden gedauert hat. Heute wird der kleinste Fehler bestraft. Man verliert in den Boxen viel leichter ein Rennen, als eines zu gewinnen."
"Es gibt zwei Geheimnisse: Training und ständiges Üben. Seit Jahresbeginn haben wir über 1.300 Boxenstopps trainiert. In den Wochen zwischen den Rennen üben wir dreimal und simulieren den Stopp ungefähr 30 Mal pro Tag. An der Rennstrecke arbeiten wir von Donnerstag bis Samstag so hart, als wären wir ein Fußballteam. Am Tag vor dem Rennen gibt es noch die Feinabstimmung. Dann ruhen wir uns bis zum Match aus."
"Es ist wichtig, dass die Jungs die Instruktionen auf eine ruhige Art und Weise vermittelt bekommen, ohne aufgeregt zu werden. Sie sind sich bewusst, welche große Verantwortung in ihren Händen liegt", so Ioverno. "Speziell bei Rennen wie in Monza. Es gibt keinen Grund sie anzutreiben, denn das würde nur zu Fehlern führen."
Gegen Saisonhalbzeit hat Ferrari einen neuen Wagenheber für die Front entwickelt. Der Mechaniker steht nicht mehr genau vor dem Auto, sondern versetzt. Damit ist eine schnellere Freigabe des Fahrzeugs möglich. Wichtig für einen schnellen Stopp sind auch die Radmuttern, die optimiert sind. Bereits in der Designphase eines neuen Boliden ist die Boxenstoppmannschaft involviert, um an den Details für ein schnelleres Service zu feilen. Stolz ist man bei Ferrari auf das Ampelsystem, das einen Vorteil von 0,3 Sekunden bringt.
Trotzdem ist der menschliche Aspekt der Hauptfaktor für einen erfolgreichen Stopp. "Es ist wie ein Ballett, das zum Motorengeräusch tanzt. Eine Gruppe von Leuten muss perfekt um den Startänzer, nämlich den Fahrer, herum harmonieren", beschreibt Ioverno. "Der Erfolg hängt auch vom Piloten ab. Es ist entscheidend, dass er an der vorgegebenen Stelle anhält. Zwanzig Zentimeter mehr bedeuten schon, dass die Mechaniker sich bewegen müssen."
Jede Position bei einem Stopp erfordert andere physische und mentale Voraussetzungen. "Zum Beispiel müssen die Leute an den Wagenhebern sehr stark sein, denn das Auto wiegt um die 700 Kilo. Agilität, Ruhe und schnelle Reflexe sind für die Mechaniker wichtig, die die Reifen wechseln. Speziell die Schlagschrauber verlangen technische Fähigkeiten, die nicht einfach sind."
"Im Training haben wir schon fast die drei Sekunden Marke erreicht, aber es zählt nur das Rennen. Die Leistung in Monza war unglaublich. Als ich ihnen das Signal zum Stopp gegeben habe, wussten sie, dass ihre Arbeit das Rennen entscheiden kann. Sie haben es geschafft und man konnte in ihren Gesichtern Stolz und Zufriedenheit sehen. Als Fernando die Ziellinie überquert hat, konnten sie ihre Freude ausdrücken."
Die Arbeit bei Ferrari geht unermüdlich weiter. Nach der Siegesfeier in Monza reiste Alonso am Montag nach Maranello, um einige Stunden im Simulator zu trainieren und sich mit den Ingenieuren zu besprechen. Für Singapur wird es wieder einige Neuheiten geben, hauptsächlich an der Aerodynamik.

