• 18.04.2010 16:43

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Ecclestone: "Nach Hause? Vielleicht im Juni!"

Ein isländischer Vulkan setzt die Formel 1 außer Gefecht - Material steckt in Schanghai fest, Fahrer können nicht nach Hause fliegen

(Motorsport-Total.com/SID) - Das Vulkanchaos in Europa droht auch die Formel 1 im 10.000 Kilometer entfernten Schanghai lahmzulegen. "Nach Hause? Vielleicht im Juni", sagt Bernie Ecclestone mit typisch britischem Humor, nachdem am Sonntag nicht nur das Rennen, sondern Flugpläne, Annullierungen und die verrücktesten Alternativrouten das große Gesprächsthema waren. Das Flugverbot in ganz Europa zwang Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Co. in die Warteschleife.

Titel-Bild zur News: Ausbruch des Eyjafjallajökull

Die Aschewolke des Eyjafjallajökull legt den Flugverkehr in Europa lahm

Rekordweltmeister Schumacher war zum ersten Mal in dieser Saison und auch erstmals bei einem Rennen in China nicht mit seinem Privatflugzeug unterwegs und ist wie alle anderen im Fahrerlager auf den normalen Linienverkehr angewiesen. Seine Pressesprecherin Sabine Kehm sucht wie viele andere vergeblich nach noch offenen Flughäfen und freien Plätzen. "Ich würde natürlich gerne so schnell wie möglich nach Hause, da die Familie wartet", sagt Schumacher.#w1#

Transsibirische Eisenbahn als Alternative?

"Ich weiß nicht, vielleicht fahren wir Zug", meinte Sebastian Vettel am Sonntag vor dem Start. Nach der Pole-Position am Samstag war der Red-Bull-Pilot noch etwas sorgloser gewesen: "Kein Problem, ich habe doch ein schnelles Auto!" Vettels Teamkollege Mark Webber wollte ins eigentlich aschefreie Australien fliegen, würde aber nicht durch das völlig überfüllte Drehkreuz Singapur kommen. 'Motorsport-Total.com'-Experte Marc Surer will über Singapur nach Spanien fliegen und von dort mit dem Auto nach Hause in die Schweiz fahren.

Noch eine Stunde vor dem Start sah man auch immer wieder Fahrer zusammenstehen und diskutieren. "Hast du einen Flieger?", fragte Timo Glock den Kollegen Schumacher, der nur lächelnd den Kopf schüttelte. "Vielleicht sollten wir die Transsibirische Eisenbahn nehmen", schlägt Mercedes-Sportchef Norbert Haug scherzhaft vor. Für die Einreise nach Russland wäre aber ein Visum nötig, das nur im Heimatland ausgestellt werden kann. Die zeitnah ablaufenden Visa für China wollte zumindest der Streckenbetreiber zur Verlängerung bei den Behörden anmelden.

Adrian Sutil will kurzfristig einen Urlaub einschieben. "Irgendwo, aber nicht in Shanghai", sagt der Force-India-Pilot, der keine Chance sieht, Richtung Europa zu fliegen. Keine Sorgen macht sich dagegen Mercedes-Pilot Nico Rosberg: "Ich fliege sowieso Richtung Thailand", erklärt der 24-Jährige, der dort auch schon vor dem Rennen mit seiner Freundin Viviane Urlaub gemacht hatte.

¿pbvin|512|2001||0|1pb¿Ähnliche Pläne hat Weltmeister Jenson Button: "Ich werde halt versuchen, das Beste daraus zu machen und nach diesem Sieg ein paar Tage zu relaxen. Oder wir mieten uns einfach ein paar Autos und fahren zurück nach Europa ein Rennen! Das wäre lustig." Dessen McLaren-Teamkollege Lewis Hamilton muss auch nicht zurück nach England, sondern zu einem PR-Termin nach Südafrika, wo er übrigens Nelson Mandela treffen wird.

Was für die Fahrer noch relativ einfach zu verschmerzen ist, stellt die Logistiker der Teams vor riesige Schwierigkeiten. Das komplette Material hängt bis auf Weiteres in Schanghai fest und das nächste Rennen steht am 9. Mai in Barcelona an. Doch auch dafür hat Ecclestone eine Lösung parat: "Dann machen wir halt einen spanischen Grand Prix hier in Schanghai", witzelt er.

Normalerweise packen die Teams ihr Material zusammen und stellen es in Containern in die Boxengasse, wo es von der Crew von Formel-1-Logistikchef Alan Woollard abgeholt wird. "Solange die Flughäfen geschlossen sind, bleiben wir hier", seufzt er. Das Problem: Die sechs Boeing-747-Jets, die normalerweise für den Transport verwendet werden, sind noch nicht einmal in Schanghai, sondern dürfen nicht aus Europa ausfliegen.

Teams planen Charterflug

Aber nach dem Rennen gab es Hoffnung: "McLaren hat sich heute Morgen dem Plan angeschlossen, für Mittwoch eine Maschine zu chartern, um nach Spanien zu fliegen", erläutert Teamchef Martin Whitmarsh. "Wir sind die Ersten, die dem zugestimmt haben. Jetzt können sich die anderen anschließen, aber ich hoffe natürlich, dass das Flugzeug am Ende nicht halbleer ist! Heute Morgen hatten einige Teams noch Zweifel, aber jetzt werden sie hoffentlich alle schnell an Bord kommen."

"Spanien ist im Moment das einzige Land, das angeflogen werden kann. Hoffentlich können wir unsere Jungs am Mittwoch ausfliegen und dann mit Bussen von Santander oder so nach Hause bringen", erklärt er. Nicht ganz ernst gemeinter Einwurf von 'Motorsport-Total.com'-Reporter Dieter Rencken: "Habt ihr für uns Journalisten auch noch Plätze frei?" Dabei hat unser Kollege noch Glück, denn er fliegt nicht wie ursprünglich geplant nach München, sondern in seine eigentliche Heimat Südafrika...


Fotos: Großer Preis von China, Sonntag


Norbert Haug nimmt die ganze Sache recht locker: "Am 28. November findet hier ein Lauf zur DTM statt. Vielleicht können wir uns ja die Hin- und Rückreise sparen", lacht der Mercedes-Sportchef. "Ich denke, wir sind wohl noch ein paar Tage hier. Aber selbst wenn wir uns darum kümmern, geht es auch nicht schneller. Wir können hier mit Telefon, E-Mail und allem arbeiten. Viele Grüße nach Hause - wir kommen, sobald wir können!

"Wir haben genau zwei Möglichkeiten", wirft Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali ein. "Entweder unsere gesamte Mannschaft macht sich auf die Reise, oder wir bleiben alle gemeinsam hier. Vielleicht müssen wir eine weitere Woche oder noch einmal zehn Tage hier bleiben. Auf welchem Weg wir zurückkehren können, weiß ich derzeit nicht. Wir schauen uns gegenwärtig auch andere Möglichkeiten an, ob wir zum Beispiel einen Charterflug erwischen könnten." Das wäre dann der McLaren-Plan.

Auslöser der Sperre des Luftraums über Europa, die die Formel 1 ins logistische Chaos stürzt, ist der Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull in Island. Aufgrund der Aschewolke, die der Eyjafjallajökull ausgespuckt hat und immer noch ausspuckt, können derzeit nur spanische Flughäfen in Europa angeflogen werden - und es besteht wenig Aussicht auf Besserung: Bei der letzten Eruption im Jahr 1821 kam der Vulkan zwei Jahre lang nicht zur Ruhe...