• 22.03.2009 14:09

Ecclestone-Interview: "Es wird zu viel Geld verschwendet"

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone im Interview über Medaillenträume, Sparmaßnahmen und die verschwenderischen Ingenieure

(Motorsport-Total.com/sid) - Frage: "Der Automobil-Weltverband FIA wollte den Fahrer mit den meisten Siegen am Ende einer Saison zum Weltmeister ausrufen. Wäre das die Erfüllung Ihres Traumes?"
Ecclestone: "Nein. Ich wollte Medaillen, Gold, Silber und Bronze. Weltmeister wäre der Fahrer mit den meisten Goldmedaillen. Wenn es einen Gleichständ gäbe, wäre es dann der Fahrer mit den meisten silbernen. Die FIA wollte bei einem Gleichstand das alte Punktsystem heranziehen."

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone (Formel-1-Chef)Silverstone, Grand Prix Circuit Silverstone

Formel-1-Boss Bernie Ecclestone unterstützt die FIA-Regeländerungen

"Wenn wir ein solches System schon in den letzten 50 Jahren gehabt hätten, dann wären die Resultate anders gewesen. Im Moment versucht ein Fahrer auf Platz zwei nicht unbedingt zu gewinnen, denn zwei Punkte mehr sind ihm das Risiko nicht wert. Lewis Hamilton hätte im vorigen Jahr zwei Rennen mehr gewinnen können, das hat er mir selbst gesagt. Aber er wollte für zwei Punkte nicht das Risiko eingehen, jemanden zu überholen. Mit dem neuen System müsste man überholen."#w1#

Lieber 27 Goldmedaillen als 263 Punkte

Frage: "Das neue System könnte aber auch schnell zu Langeweile fühen..."
Ecclestone: "Es gibt viele Leute, die sagen, dass die WM früh entschieden sein könnte, wenn jemand schnell acht Rennen gewinnt. Das wäre aber beim alten Punktesystem nicht anders. Deshalb ist das Blödsinn. Wenn jemand sechs der ersten acht Rennen gewinnt und noch neun Rennen ausstehen, könnte jemand anderes davon acht oder neun gewinnen. Es würde genauso lange offen bleiben wie mit Punkten. Wenn ich Fahrer wäre, würde ich lieber irgendwann zurücktreten und meinen Kindern erzählen können, ich habe 27 Goldmedaillen gewonnen anstatt 263 Punkte."

"Keiner schert sich um den, der Zweiter wird." Bernie Ecclestone

Frage: "In anderen Sportarten wie zum Beispiel beim Fußball ist am Ende der Saison aber auch die Mannschaft mit den meisten Punkten Meister und nicht die mit den meisten Siegen. Könnte es nicht schwierig werden, den Fans zu erklären, warum der Fahrer mit den meisten Punkten nicht Weltmeister ist?"
Ecclestone: "In der Leichtathletik kennt jeder den Mann, der die 100 Meter gewinnt. Keiner schert sich um den, der Zweiter wird. Wer springt am höchsten, wer ist der Schnellste? Die Menschen interessieren sich für die, die gewinnen, und nicht für die, die hätten gewinnen können."

Frage: "Vielleicht noch mehr Reaktionen haben die Pläne einer Budget-Begrenzung für 2010 hervorgerufen. Hat Sie diese Entscheidung der FIA überrascht?"
Ecclestone: "Nein. Das hätte schon vor langer Zeit passieren sollen."

Frage: "Ist die Summe von 33 Millionen Euro nicht viel zu niedrig?"
Ecclestone: "Das stimmt, das ist ein bisschen zu wenig."

Frage: "Was wäre ihre Vorstellung?"
Ecclestone: "Ich würde sagen, 40 Millionen Euro."

Von der Notwendigkeit der Geldverschwendung

Frage: "Auch das ist aber viel weniger als die Teams im Moment ausgeben. Ist es notwendig, einen solch rigiden Schnitt zu machen? Die Teamvereinigung FOTA hatte selbst Vorschläge gemacht, die Kosten von 2008 bis 2010 zu halbieren. Ging das Ihnen und der FIA nicht weit genug?"
Ecclestone: "Mal angenommen, einige der großen Hersteller haben bislang 300 Millionen ausgegeben. Halbiert man das, ist man bei 150 Millionen. Andere Teams haben im vorigen Jahr vielleicht 70 Millionen ausgegeben, halbiert sind das 35. Wo ist die richtige Zahl?"

"Wir müssen die Notwendigkeit abschaffen, Geld ausgeben zu müssen." Bernie Ecclestone

Frage: "Der Unterschied zwischen großen und kleinen Teams wäre immer noch da, aber nicht mehr so groß wie vorher. Ist das Ziel, einen so drastischen Schnitt zu machen wie ihn die FIA wünscht, nicht ein bisschen zu hoch?"
Ecclestone: "Wenn es keinen Schnitt gäbe, würde es vielleicht so enden wie bei Honda. Niemand kann sich wünschen, in diesem System mitzumischen. Wenn ich Chef eines Unternehmens wäre und sagen würde, wir geben 250 Millionen aus, andere nur 40, dann würde ich fragen, warum können wir nicht auch nur 40 Millionen ausgeben? Vielleicht verschwenden unsere Ingenieure zu viel Geld. Wir müssen die Notwendigkeit abschaffen, Geld ausgeben zu müssen, um wettbewerbsfähig zu sein."

"Es wird so viel Geld verschwendet und unnötig ausgegeben. Das System der Obergrenze bedeutet, wenn ein Team innerhalb dieses Systems fahren will, können wir ihm in technischen Dingen helfen. Seine Ingenieure dürfen ein bisschen erfindungsreicher sein. Leute, die 300 Millionen ausgeben wollen, können ihren beiden Fahrern weiter 40 oder 45 Millionen zahlen oder Geld für andere Dinge ausgeben. Wir versuchen, das ein bisschen auszubalancieren."

Frage: "Ist es überhaupt möglich, die richtige Balance zu halten?"
Ecclestone: "Das Ziel der Regeln ist, dass ein Team mit beschränktem Budget irgendwo im Mittelfeld mitfahren kann und nicht meilenweit hinterher. Vielleicht sind seine Ingenieure ein bisschen sensibler und versuchen, nicht nur durch Geld ausgeben zu gewinnen."

Hoffnung auf stabiles Teilnehmerfeld

Frage: "Wäre es aber nicht viel konsequenter gewesen, eine Obergrenze für alle Teams zu haben?"
Ecclestone: "Ja, auf jeden Fall. Da stimme ich hundertprozentig, ja sogar millionenprozentig zu. Ich bin sicher, dass das schließlich passieren wird."

"Wir versuchen, es für alle einfacher zu machen, in der Formel 1 zu bleiben." Bernie Ecclestone

Frage: "Mit dem jetzigen Modell hätten wir ab 2010 zwei verschiedene Regularien in einer Serie..."
Ecclestone: "Das haben wir schon seit langer Zeit. Wenn momentan die Zahl der Autos im Feld auf unter 18 fiele, würde mit anderen Autos aufgefüllt. Früher mit welchen aus der Formel 3000, heute aus der GP2. Ein GP2-Auto wäre pro Runde vier, fünf Sekunden langsamer, eine fahrende Schikane. Wir haben vor, dass es vielleicht nur eine oder anderthalb Sekunden wären."

Frage: "In der Tourenwagen-WM streitet man seit Jahren über die richtige Einstufung verschiedener Antriebssysteme oder Motoren, Front- oder Heckantrieb, Benziner und Diesel - meist vergeblich."
Ecclestone: "Das hängt aber auch von den Strecken ab, auf einigen Strecken ist dieses System besser, auf anderen das andere. In der Formel 1 wäre das anders. Wir werden es nicht schaffen, eine Chancengleichheit herzustellen, denn die kann es nicht geben. Aber wir würden versuchen, das GP2-Auto zum Beispiel schneller zu machen. Ich wünsche mir 26 Autos im Feld und hoffe, dass die Hälfte davon wettbewerbsfähig wäre."

Frage: "In der ganzen Diskussion um neue Regeln fühlen sich die Teams nicht richtig gehört, ihre Vorschläge zu Sparmaßnahmen wurden zurückgewiesen..."
Ecclestone: "Sie können gerne ihre Kosten halbieren, kein Problem. Wir würden sie nicht davon abhalten."

Frage: "Fürchten Sie, dass aus dem Streit vielleicht eine neue Eiszeit zwischen den Teams und der FIA wird?"
Ecclestone: "Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass alle realisieren, was momentan passiert. Honda war für die WM eingeschrieben. Wenn Sie nicht verschwunden wären, wäre vielleicht gar nichts passiert. Aber was wäre, wenn BMW oder Toyota genau so handeln würden? Wir versuchen, es für alle einfacher zu machen, in der Formel 1 zu bleiben."