Ecclestone fordert: Alle Macht den Herstellern!

Während ein Medienkonzern aus Hongkong 800 Millionen Euro für die Formel 1 bietet, will Ecclestone lieber an die Hersteller verkaufen

(Motorsport-Total.com) - Während die Automobilhersteller heute ihre Vorschläge für die zukünftige Gestaltung des Formel-1-Reglements an die FIA schickten, zeichnet sich im Hintergrund auch auf kommerzieller Basis eine Lösung im leidigen Streit zwischen FIA, Herstellern und Bernie Ecclestone ab. Letzterer hat vor, die Königsklasse des Motorsports in die Hände der Hersteller und Teams zu übergeben.

Titel-Bild zur News: Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone will die Formel 1 an die Hersteller und Teams verkaufen

Seit Losbrechens des leidigen Machtkampfes vor einigen Jahren forderten die in der Formel 1 engagierten Hersteller - im Moment sind dies BMW, DaimlerChrysler, Fiat, Honda, Renault und Toyota - eine fairere Verteilung der Einnahmen aus der Rechtevermarktung. Dabei geht es vor allem um die TV-Gelder, die unverändert nur in etwa zur Hälfte an die Teams gehen, aber auch um mehr Mitspracherecht bei wichtigen sportpolitischen Entscheidungen.#w1#

Ecclestones Tage neigen sich dem Ende zu

Spätestens beim Indianapolis-Fiasko, das selbst Ecclestone trotz seines jahrzehntelangen Diktats nicht verhindern konnte, zeichnete sich ab, dass die Alleinherrschaft des 74-Jährigen langsam zu bröckeln beginnt - und nun scheint er offenbar auch selbst zur Einsicht gekommen zu sein, dass er sich früher oder später von seinem Imperium trennen muss.

Zum Hintergrund: Die Formel-1-Rechte werden derzeit von der SLEC-Holding kontrolliert, die nach Ecclestones Ehefrau Slavijca benannt ist. Dem Briten gehören davon freilich nur noch 25 Prozent, die er mit seinem Bambino-Familientrust kontrolliert. Die restlichen 75 Prozent liegen im Besitz der Gesellschaft Speed Investments, die sich ihrerseits aus Beteiligungen der Bayerischen Landesbank, JP Morgan und Lehman Brothers zusammensetzt.

Die drei Banken sind eher zufällig an diese Anteile gekommen, die Ecclestone seinerzeit erst an die Haffa-Brüder und EM.TV und später an den Medienmogul Leo Kirch verkauft hatte. Als der Kirch-Konzern in Konkurs ging, wechselten die 75 Prozent in den Besitz der Gläubigerbanken über, die so zumindest indirekt an jenes Schuldengeld kamen, welches sie von Kirch nicht mehr zurückgezahlt bekommen hätten. Der Gegenwert betrug damals geschätzte 1,5 Milliarden Euro.

Medienkonzern bietet angeblich 800 Millionen Euro

Naturgemäß sind die Banken nicht an einem langfristigen Engagement in der Formel 1 interessiert, weshalb sie nie einen Hehl daraus gemacht haben, dass sie ihre Anteile gerne verkaufen würden, solange nur der Preis stimmt. Auch Ecclestone scheint nun bereit zu sein, auch das letzte Viertel seines Lebenswerkes an einen potenten Käufer abzutreten. Stellt sich nur noch die Frage: Wer kann spontan eine Milliarde Euro auf den Tisch legen?

In diesem Zusammenhang hat der 'Daily Telegraph' enthüllt, dass ein Repräsentant des Milliardenkonzerns Hutchinson Whampoa kürzlich Kontakt zu Ecclestone aufgenommen und nach den Rahmenbedingungen für eine mögliche Übernahme der SLEC für umgerechnet 800 Millionen Euro angefragt haben soll. Die Kontaktaufnahme sei über die TOM-Gruppe erfolgt, heißt es, ein Tochterunternehmen des Hutchinson-Whampoa-Konzerns.

Hutchinson Whampoa beschäftigt mehr als 200.000 Angestellte

Bei Hutchinson Whampoa handelt es sich um einen in 51 Länder operierenden Dachkonzern mit mehr als 200.000 Angestellten, die im Wesentlichen in fünf Kernbereichen operieren: Schiffshäfen und verwandte Dienstleistungen, Telekommunikation, Immobilien und Hotels, Einzelhandel und Produktion sowie Energie und Infrastruktur. 2004 wurde in diesen Brachen insgesamt ein Umsatz von knapp 20 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Ein TOM-Sprecher ruderte heute aber zurück, was das angebliche Angebot an die Banken und Ecclestone angeht: "Zu behaupten, dass TOM in Verhandlungen über einen Abschluss stehe, ist verfrüht", erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur 'Reuters'. "Als expandierende Mediengruppe hat TOM schon immer verschiedene Möglichkeiten im Umfeld der Sportvermarktung sondiert, und von Zeit zu Zeit treten wir in vorbereitende Gespräche über Kooperationen oder Investments ein."

Dies sei auch in Sachen Formel 1 der aktuelle Stand der Dinge, ist aus Unternehmenskreisen zu vernehmen. Doch für Ecclestone ist ein Verkauf an die finanzstarken Interessenten aus Hongkong ohnehin kein ernsthaftes Thema: "Ich habe mit Hutchinson Whampoa gesprochen, aber sie haben einen Jungen geschickt, der den Job eines Mannes machen soll", so der Brite. "Wir sind nicht daran interessiert, an sie zu verkaufen."

"Wollen, dass die Teams ihren eigenen Sport kontrollieren"

Was er sich schon eher vorstellen könnte: "Ich möchte, dass die Teams und Hersteller ihre Probleme aussortieren und den Sport kontrollieren", erklärte der 74-Jährige der 'Times'. "Sie würden dann alles verwalten, also auch die kommerziellen Rechte und die TV-Verträge. Wir wollen, dass die Teams ihren eigenen Sport kontrollieren, denn dann ist alles gut und das Ziel erreicht. Es gibt keinen Zeitrahmen, aber ich bin sicher, dass wir das erreichen können."

Angebote wie von Hutchinson Whampoa beziehungsweise TOM trudeln laut Ecclestone "jeden Tag" in seinem Büro am Londoner Princess Gate ein, "aber das ist nicht das, was wir für die Zukunft der Formel 1 wollen." Sollte sich allerdings ein Deal mit den Herstellern einfädeln lassen, wären alle happy: die Hersteller, weil sie endlich die Kontrolle hätten, die Banken, weil sie das Kirch-Kapitel zu den Akten legen könnten, und Ecclestone selbst, weil er noch einmal ordentlich abkassieren würde.

"Dass das Technische Reglement für 2008 jetzt etwas klarer geworden ist, ist schon einmal ein Schritt nach vorne", hatte Formel-1-Insider David Richards schon im Juni gegenüber 'F1Total.com' vorhergesagt. "Die finanzielle Situation von Bernie Ecclestone wird der nächste Schritt sein, und hoffentlich sehen wir dann endlich Licht am Ende des Tunnels. Es ist aber ein sehr, sehr schwieriges Arbeitsumfeld für all die verschiedenen Beteiligten."