Droht Webber neben Vettel ein Schattendasein?

Webber macht seine Motivation von der Rolle im Team abhängig - Red Bull verspricht Gleichbehandlung, doch Moss sieht harte Zeiten auf den Australier zukommen

(Motorsport-Total.com) - Viele hatten Mark Webber nach der Niederlage gegen Teamkollegen Sebastian Vettel im Titelfinale vorschnell zur nächstjährigen Nummer zwei degradiert: Der Australier konnte das Tempo des späteren Weltmeister im Saison-Endspurt nicht annähernd mitgehen und zeigte Nerven. Die große Enttäuschung war Webber, der dieses Jahr vier Siege einfuhr, nach der Zielflagge in Abu Dhabi deutlich anzumerken.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Steht Mark Webber 2011 vor einer noch größeren Herausforderung als 2010?

Auch bei der Titelfeier von Red Bull in Salzburg musste er mit ansehen, wie Vettel eine Ehrung nach der anderen entgegen nahm - der 34-jährige Mann aus "Down Under" stand am Ende aber mit leeren Händen da. Kann sich Webber, der in seiner Karriere schon so viele Rückschläge erlitten hatte, noch einmal motivieren und wird er nächstes Jahr wieder um den Titel kämpfen? "Absolut, ich sehe keinen Grund, warum er dies nicht tun sollte", glaubt zumindest Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Gegenüber 'Autosport' kündigt er sogar einen noch stärkeren Webber als 2010 an: "Er fährt ungeheuer gut. Dieses Jahr hat er in einem außergewöhnlich harten Jahr seine Leistung gebracht. Ich denke, dass er 2010 Lektionen gelernt hat, auf denen er 2011 aufbauen wird." Freilich nimmt er auch viel Frust mit in die Winterpause: Zu oft fühlte sich Webber vom Team weniger unterstützt als Vettel, der im Red-Bull-Juniorprogramm groß geworden ist und für den die Herzen im Mateschitz-Team schlagen.

Kampfansage an Vettel

Genau von dieser Thematik macht er nun auch seine Motivation für die kommende Saison abhängig. "Wenn ich nächstes Jahr aufkreuze und mir denke, dass ich zweite Geige spielen werde, dann brauche ich gar nicht erst zu kommen", findet er klare Worte. Doch davon will er vorerst nicht ausgehen: "Sebastian ist verdient Weltmeister. Ich freue mich auf die nächste Saison und werde den Kampf wieder von vorne beginnen. Ich werde in Bahrain wieder kämpfen, denn dann fangen wir wieder alle bei null Punkten an."

Und: "Meine Highlights dieses Jahr waren die Rennen, in denen ich alle mit fairen Mitteln auf der Strecke geschlagen habe. Wenn du konkurrenzfähig bist und denjenigen schlagen kannst, der das gleiche Material fährt wie du, ist es besonders schön - in jedem technischen Sport, seien es zwei oder vier Räder, was auch immer." Das klingt nach einer klaren Kampfansage an den Piloten im eigenen Team, der die Nummer eins auf der Nase tragen wird.

"Wenn ich mir denke, dass ich 2011 zweite Geige spielen werde, dann brauche ich gar nicht erst zu kommen." Mark Webber

Doch vorerst bleibt etwas Zeit, um die erste Enttäuschung nach der WM-Niederlage abzubauen. Webber kann in seiner Heimat Australien Kraft tanken, um dann mit neuer Energie in die kommende Saison zu starten. "Ich denke, dass er etwas Zeit benötigen wird, um zu reflektieren", glaubt auch Horner. "Doch wenn er dann nüchtern auf dieses Jahr zurückblickt, dann kann er auf das Erreichte sehr stolz sein. Er hat vier Rennen gewonnen, darunter das Kronjuwel Monaco, wo er der absolut Beste war. Und er war bis zum letzten Rennen im Titelkampf."

Horner versteht Webbers Frust

Auch der Vergleich mit anderen Piloten sollte es Webber erlauben, seinen Ärger über den verpassten Titel abzulegen, glaubt Horner: "Der Großteil der fünf Titelkandidaten kann sich im Nachhinein denken: Was wäre, wenn... Das einzige Mal, als Sebastian die WM anführte, war nach Abu Dhabi. Mark führte sie hingegen einige Monate lang im Sommer an."

Aus diesem Grund kann Horner gut nachvollziehen, wie es Webber nun geht: So knapp vor seinem großen Lebensziel, endlich einen internationalen Titel im Motorsport einzufahren, schnappte ihm wieder ein anderer den "Kuchen" weg. "Verständlicherweise ist er enttäuscht, weil er sein ultimatives Ziel nicht erreicht hat", weiß er.

"Verständlicherweise ist er enttäuscht, weil er sein ultimatives Ziel nicht erreicht hat." Christian Horner

"Doch ich bin der Meinung, dass er dieses Jahr sehr sehr gut gefahren ist", streut Horner dem Routinier Rosen. "Er wird seine Batterien aufladen und 2011 zurück kommen - mit den Lektionen, die er dieses Jahr gelernt hat. Und ich bin mir sicher, dass er genauso hart pushen wird und genauso konkurrenzfähig sein wird."

Mateschitz: Vettel wurde in Silverstone nicht bevorzugt

Bleibt nur die Frage, wie lange die Motivation hält. Aussagen, wie jene von Red Bull-Mäzen Dietrich Mateschitz in der 'Welt', werden Webber jedenfalls nicht schmecken. Der Österreicher behauptet darin, dass die Flügelaffäre von Silverstone, die den älteren Red-Bull-Piloten merkbar provozierte, gar keine Bevorzugung Vettels war. Damals hatte man nach einem Materialbruch bei Vettel nur noch einen neuen Frontflügel zur Verfügung - diesen entfernte man von Webbers Boliden und montierte ihn beim Heppenheimer.

"Der neue Flügel war nicht schneller oder besser als der alte Flügel, nur anders", sagt Mateschitz. "Rückblickend sieht man deutlich, dass wir die Chancen von Mark und Vettel gleichermaßen aufrechterhalten haben. Von einer Bevorzugung war außerhalb von Medien nie die Rede."

"Der neue Flügel war nicht schneller oder besser als der alte Flügel, nur anders." Dietrich Mateschitz

Auch von einem Weltmeisterbonus will der Teambesitzer nichts wissen: "Mark und er werden auch künftig gleichberechtigt sein. Sebastian muss seine Stärke im nächsten Jahr wieder beweisen. Mark wird versuchen, ihm dies sehr schwer zu machen. Und der Weltmeisterbonus alleine wird dazu nicht reichen."

Moss sieht schwere Zeiten auf Webber zukommen

Sind all dies bloß leere Lippenbekenntnisse? Formel-1-Legende Stirling Moss hält die Frage für bedeutungslos. Er ist der Meinung, dass Webber den Tatsachen ins Auge blicken muss: "Es kann gut sein, dass Vettel populärer ist - er ist jünger und ein Produkt des Red-Bull-Nachwuchsprogramms. Doch es wird für Mark schwer sein, dies zu beweisen, daher muss er es nächstes Jahr einfach akzeptieren."

Der Brite geht davon aus, dass Webber 2011 ein noch rauerer Wind ins Gesicht blasen wird: "Ich denke, dass Vettel für Mark nächstes Jahr ein noch härterer Teamkollege sein wird. Das könnte für ihn sehr deprimierend werden. Er hat dieses Jahr so viel gegeben und sich so stark verbessert - und trotzdem wurde er von Vettel geschlagen, bei dem alles so leicht aussieht. Es ist sehr schwer für einen Fahrer, mit so etwas umzugehen."

"Ich denke, dass Vettel für Mark nächstes Jahr ein noch härterer Teamkollege sein wird." Stirling Moss