• 24.05.2007 17:47

Die Formel 1 entdeckt den Stadtverkehr

Die Formel 1 kehrt in die großen Metropolen zurück, was nur folgerichtig ist, denn dort werden auch die besten Geschäfte gemacht...

(Motorsport-Total.com) - Sinneswandel in der Formel 1: Konnten die neuen Rennstrecken der letzten Jahre weitläufiger nicht sein, wird es künftig ganz bewusst wieder eng und zäh: Die nächsten drei Großen Preise, die neu in den Kalender aufgenommen werden, versprechen reinen Stadtverkehr. Ob Valencia, Singapur oder Abu Dhabi - der Motorsport kehrt ins Herz der Metropolen zurück. Was nur folgerichtig ist, denn dort werden auch die besten Geschäfte gemacht. Unkalkulierbar in der schönen Rechnung ist nur der Risikofaktor, wie unsere Kollegen vom 'emagazine' der Credit Suisse recherchiert haben.

Titel-Bild zur News: Robert Kubica

In Zukunft sollen weitere Strecken dem Beispiel Monte Carlo folgen

Die kilometerlangen Staus rund um den Nürburgring, um Silverstone oder in Magny-Cours sind Grand-Prix-Vermarkter Bernie Ecclestone längst ein Dorn im Auge. Die strukturschwachen Regionen haben weder Glamour, noch gute Verkehrsanbindungen noch genügend Hotelzimmer. Deshalb sucht der Grand-Prix-Vermarkter sein Glück künftig - im Wortsinn - auf der Straße. So kann er die ebenso hungrigen wie zahlungswilligen Rennbewerber in aller Welt auch schneller in den Formel-1-Kalender integrieren. Schon im kommenden Jahr soll das in Valencia und Singapur geschehen, 2009 dann auch in Abu Dhabi und eventuell in Yuanyang in Südkorea. Auch Delhi und Moskau, die schon lange Wunschkandidaten bei der Ausdehnung des Rennsportgeschäfts sind, könnten so ihre Träume verwirklichen.#w1#

Fahrergewerkschaft hat Sicherheitsbedenken

Monte Carlo, der großen und schillernden Ausnahme der Formel 1, würden so zwar ein paar Zacken aus der Krone fallen, aber die Trendwende ist nicht mehr aufzuhalten: Das Rennen soll zu den Menschen gebracht werden statt umgekehrt. Doch gerade der Große Preis von Monaco darf auch als warnendes Beispiel genannt werden, mahnen doch die Fahrergewerkschaftler seit Jahren für den Fall eines Unfalles hohe Risiken für Piloten und Zuschauer an.

Die Hafenrundfahrt im Fürstentum war auch beim Automobilweltverband FIA nur ob ihrer Sonderstellung geduldet und sah sich in den letzten Jahren einschneidenden Änderungen in der Streckenführung ausgesetzt. Stillschweigendes Übereinkommen: So lange nichts passiert, darf weitergefahren werden. Es ist zu erwarten, dass ob der allgemeinen Landflucht die Pilotenvertretung GPDA in den nächsten Wochen ihre Sicht der Dinge - mehr oder weniger massiv - formulieren wird. Der Kompromiss wird dann zur kniffligen Planungsaufgabe.

Wenn die Kasse stimmt, darf die Ausnahme auch mal zur Regel werden. Nun muss Hermann Tilke, der als vorbildlicher Streckenarchitekt gerade in Sachen Sicherheit gilt, seine Wunschpisten eben mit dem Reißbrett der Stadtplaner vergleichen. Einen entscheidenden Nachteil hat der Aachener, der so etwas wie der Hofbaumeister von Bernie Ecclestone ist, bereits gegenüber den Freiheiten auf der grünen Wiese ausgemacht: "Häuser kann man nicht abreißen." Nur umfahren. Was mehr oder weniger elegant geschieht - je nach Laune und Geldbeutel des Veranstalters.

Unbestritten ist, dass sich der Wert des Spektakels bei einem City-Grand-Prix erhöht - der Zuschauer ist, Anachronismus hin oder her, mittendrin statt nur dabei. Planer Tilke, der mit seinen Sicherheits-Motodromen neue Maßstäbe gesetzt hat, gesteht der neuen Herausforderung seinen Reiz zu: "Auf Stadtkursen wird eine ganz besondere Atmosphäre erzeugt." Die Aufgabe des Baumeisters (Wahlspruch: "Ich gebe Kurven einen Sinn!") wird es sein, nicht einfach eine Monaco-Kopie abzuliefern - er muss jedem Rennen einen anderen Erlebnischarakter verleihen. Die unterschiedlichen Kulissen bekommt er ja - im Gegensatz zu den üblichen Rundstrecken - frei Haus geliefert.

Kalender wird bald 20 Rennen umspannen

Die entscheidenden Argumentationshilfen liefert im Einzelfall allerdings nicht Baumeister Tilke, sondern der jeweilige Verwalter des städtischen Geldsäckels. Mit der Aneinanderreihung von City-Rennstrecken kommt Ecclestone schnell auf eine Ausdehnung der Saison auf 20 Rennen, und er versucht so auch die Nachteile der Zeitverschiebung auf dem europäischen Kern-Fernsehmarkt zu umgehen. In Singapur soll erstmals ein Nachtrennen ausgetragen werden; in der Vorzeigemetropole Asiens ist es sicher kein Problem, alles taghell zu erleuchten.

"Wir freuen uns auf den exotischen Zuwachs", ließ Ecclestone zu seinen Expansionsplänen ausrichten - es gilt als offenes Geheimnis, dass neue Rennveranstalter bei der Entrichtung der Antrittsgelder nicht kleinlich sind. Abu Dhabi als Nachtmittagsveranstaltung wirft auch keine Probleme auf, und sogar der in Spanien politisch nicht unumstrittene Valencia-Grand-Prix rund um den America's-Cup-Hafen passt gewinnmaximierend ins Schema: Er könnte als Großer Preis von Europa zum Saisonende für Quotenrekorde sorgen.

Mit der nötigen Gewinnbeteiligung lässt sich der Kurswechsel auch den Rennställen schmackhaft machen. Für Ecclestone hat die neue Gattung des Metropolensports überdies den Nebeneffekt, dass er die Betreiber permanenter Rennstrecken auch besser auf Linie und zu Verbesserungen bringen kann. Malaysia dürfte sich ob der neuen Konkurrenz im nahen Singapur mächtig strecken, in Spanien hat das schon funktioniert: Sicherheitshalber hat der Circuit de Catalunya seinen bereits bis 2011 gültigen Vertrag um fünf Jahre verlängert.

In Valencia sollen sich die Kosten für das Schaulaufen nur auf 26 Millionen Euro belaufen. In Singapur wird das Doppelte an Investitionen fällig. Aber das Prestige lässt sich die Finanzzentrale Asiens bezahlen - zum einen von einem Hoteltycoon, zum anderen von den Besuchern, die man anlockt. In der Grand-Prix-Woche dürfen die Herbergen der Stadt, ob nun mit keinen oder gleich fünf Sternen dekoriert, eine 30-prozentige-Zusatzsteuer erheben. Wenn die Rechnung aufgeht, lohnt sich das für den Stadtstaat: In den nächsten fünf Jahren würden jeweils 48 Millionen Euro an zusätzlichen Tourismuseinnahmen in den Stadtstaat fließen. Mit einer einmaligen Attraktion wartet die Piste von Singapur in jedem Fall auf: An der Marina Bay soll über eine Brücke gerast werden...