Die Änderungen im Detail - Schumi: Kann damit gut leben
Wir stellen Ihnen die neuen Reglement-Beschlüsse im Detail vor und verraten Ihnen, was Michael Schumacher dazu sagt
(Motorsport-Total.com) - Wir stellen Ihnen die neuen Reglement-Beschlüsse im Detail vor und verraten Ihnen, was Michael Schumacher dazu sagt

© Ferrari
Auch Ferrari wird die Verwendung der Elektronik drastisch reduzieren
Zwei Treffen hat die Technische Arbeitskommission (TWG) der Formel 1 benötigt, dann hatte man sich mit dem Automobilweltverband FIA auf Änderungen am Reglement für die kommende Saison geeinigt. Grundsätzlich konnte sich FIA-Präsident Max Mosley mit seinen Vorschlägen durchsetzen. Teilweise werden bestimmte Modifikationen aber erst mit Verzögerung durchgeführt. Alles in allem konnte jedoch ein Kompromiss gefunden werden, der die Formel 1 kostengünstiger und zusammen mit den bereits fixen Änderungen am Reglement, wie dem neuen Qualifying-Modus, spannender gestalten sollte.
Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher erfuhr am Dienstagabend am Rande der Testfahrten in Barcelona von der Einigung zwischen der FIA und der TWG und zeigte sich auf seiner Homepage zufrieden: "Ich bin froh, dass die Diskussionen nun zu Ende sind und wir wissen, woran wir sind. In meinen Augen sind die Lösungen, die nun gemeinsam gefunden wurden, sehr vernünftig. Ich kann damit sehr gut leben." Ferrari wird nun umgehend damit beginnen, sich laut den neuen Vorschriften auf die kommende Saison vorzubereiten.
Bei der zweiten Sitzung der TWG am Dienstag waren neben Charlie Whiting, dem Technischen Delegierten der FIA, und den Technischen Direktoren der Teams auch unabhängige Elektronikexperten und die Elektronikspezialisten der Teams anwesend. Die Gespräche rund um die Elektronik führten schlussendlich zu einem Kompromiss, mit dem sowohl die FIA als auch die Teams leben können
Telemetrie
Ab der kommenden Saison ist der Einsatz einer bi-direktionalen Telemetrie, die erst im Mai 2001 freigegeben worden war, nicht mehr erlaubt. Es dürfen ausschließlich Daten vom Auto an die Box übertragen werden, nicht jedoch in der umgekehrten Richtung. Somit kann verhindert werden, dass das Team "ferngesteuert" das Auto manipulieren kann, zum Beispiel die Leistung des Motors reduziert, um verkappt eine Stallorder durchzuführen.
Ab der Saison 2004 dürfen die Teams dann gar keine eigene Telemetrie mehr einsetzen. Da die Systeme mit immer mehr Sensoren zunehmend ausgefeilter werden, entstehen den Teams enorme Kosten. Dennoch wird man nicht ganz auf die Telemetrie verzichten. So wird es aus Sicherheitsgründen Standard-Datenaufzeichnungssysteme geben, so dass die Ingenieure einen Einblick haben, wie sich die Komponenten im Auto verhalten. Dieses System kann jedoch aus Kostengründen nicht schon diese Saison eingeführt werden.
Boxenfunk
Den Vorschlag von Max Mosley, den Funkverkehr komplett zu untersagen, haben die Teams kategorisch abgelehnt. Die FIA wollte damit verhindern, dass über Funk die Anweisung zur Durchführung einer Teamorder an den Fahrer gemeldet wird. Dieses Argument ist jedoch nicht nachvollziehbar, denn die Teams würden auch über andere Wege einem Fahrer das entsprechende Signal zukommen lassen können, beispielsweise über ein Signal unter Zuhilfenahme der Boxentafel.
Die Teams argumentierten, dass der Einsatz eines Boxenfunks nicht sehr kostspielig ist. So wird es auch in Zukunft einen Boxenfunk geben, so dass Fahrer zum Beispiel vor Gefahren gewarnt werden können. Die Systeme dürfen jedoch nicht mehr verschlüsselt sein, so dass nicht nur die Konkurrenz mithören kann sondern auch die Rennleitung und die Fernsehzuschauer. Die Rennleitung kann so das Thema Stallorder im Auge behalten, die Fernsehzuschauer profitieren von mehr Einblicken hinter die Kulissen.
Damit über den Boxenfunk nicht eine Telemetrie realisiert werden kann, ist die Übermittlung anderer Daten strikt verboten. Um dies zu überprüfen und um auch die Kosten weiter senken zu können, wird derzeit darüber nachgedacht, eine Standard-Boxenfunk-Lösung einzusetzen, die dann bei allen Teams Verwendung finden würde.
Ersatzauto
Um Kosten zu reduzieren wird die Verwendung eines Ersatzautos grundsätzlich verboten sein. Bisher setzten die Teams in der Regel ein drittes Auto pro Rennwochenende ein, das bereits häufig im Qualifying und spätestens im Warm Up Verwendung fand, wenn ein Fahrer ein zweites Auto für das Rennen vorbereitete. Dass hierdurch Zusatzkosten entstehen, ist völlig logisch.
Die FIA wollte ein komplettes Verbot des Ersatzautos, doch hier würde man wohl am falschen Ende Geld sparen, da die Fans um spannende Rennen gebracht werden könnten, wenn ihr Star oder vielleicht sogar das halbe Feld nach einem Unfall zusehen müsste, da das Einsatzauto nicht mehr nutzbar ist und der Einsatz eines T-Cars verboten ist. Aus diesem Grund hat man sich auch hier auf einem Kompromiss geeinigt.
Ein T-Car darf nun nur noch dann eingesetzt werden, wenn dies in den Augen der Rennleitung absolut notwendig ist. Zum Beispiel nach einem schweren Unfall, wenn das Einsatzfahrzeug des Piloten irreparabel zerstört ist. Falls eine Reparatur möglich ist, muss diese vom Team durchgeführt werden. Ob hierbei auch der Faktor Zeit eine Rolle spielt ? wenn das Team zum Beispiel zum Qualifying das Auto nicht rechtzeitig reparieren kann ? stellt im Moment noch eine offene Frage dar.
Wenn ein Auto kurz vor dem Rennen ausfällt, so darf sofort auf das Ersatzauto umgestiegen werden. Der Fahrer muss dann jedoch aus der Boxengasse starten und dem Feld hinterherfahren. Bisher konnte er seine ursprüngliche Startposition wieder einnehmen. Dies soll den Teams ein Anreiz sein, die Autos zuverlässiger zu bekommen. Ein Ersatzauto darf auch dann eingesetzt werden, wenn die Rennleitung den Grand Prix innerhalb der ersten zwei Runden abbricht.
"Arbeitsverbot" am Auto
Beibehalten wird die Regelung, dass die Autos nach dem Qualifying am Samstag im Parc Fermé abgestellt werden müssen und bis zum Rennen von den Mechanikern nicht mehr berührt werden dürfen. So müssen die Teams das Qualifying im Renn-Setup bestreiten, ein Einsatz von speziellen Qualifying-Motoren, Bremsanalagen oder Tanks ist somit nicht mehr möglich, was ebenfalls Kosten einsparen wird.
Die Autos, die von der FIA bewacht in der Garage der Teams aufbewahrt werden, dürfen nur dann vom Team "berührt" werden, wenn ein Sonderfall vorliegt. Die FIA wird eine Liste ausarbeiten, wann dies erlaubt sein wird. Denkbar wäre hier zum Beispiel ein Motorwechsel nach einem kapitalen "Platzer", die Reparatur von undichten Leitungen oder der Austausch von Flügeln nach Unfällen oder wenn dies geänderte Witterungsbedingungen erforderlich machen.
Elektronik adé
Die Traktionskontrolle wird erst zur Saisonmitte nicht mehr erlaubt sein, vermutlich ab dem elften Rennen am 20. Juli in Silverstone. Die Traktionskontrolle reguliert automatisch die Leistung des Motors entsprechend der durch die Reifen zur Verfügung stehenden Haftung. Dadurch werden durchdrehende Räder vermieden, so dass die Beschleunigung optimiert wird und das Auto in Kurven nicht mehr mit dem Heck ausbricht.
Die Startautomatik wird nur dann nicht mehr erlaubt sein, wenn die Teams in der Lage sind, ihre Kupplungen manuell zu bedienen. Bisher übernimmt dies zum Teil die Elektronik. Die so genannte "Launch Control" erlaubte es den Teams, die Autos mit der optimalen Beschleunigung starten zu lassen, in dem der Schlupf und die Schaltpunkte ideal programmiert sind. Der Fahrer musste für einen perfekten Start lediglich einen Knopf drücken oder loslassen.
Ebenfalls verboten sind ab Juli Automatikgetriebe. Diese haben ? wenn es der Fahrer denn überhaupt wollte ? selbstständig hoch- und runtergeschaltet. In Zukunft werden wieder halb-automatische Getriebe verwendet, die zwar ebenfalls beim Schalten das Bedienen einer Kupplung oder gar das Geben von Zwischengas nicht erfordern, jedoch den Fahrer zwingen, sequenziell über Schaltwippen die Gänge manuell anzuwählen.
Die Kontrolle
Zusammen mit den Elektronikexperten konnte man sich ganz offenbar auf Maßnahmen einigen, wie man das Elektronikverbot sicher kontrollieren kann. Im Mai 2001 wurden die Fahrhilfen frei gegeben, da die Allgemeinheit der Meinung war, dass man das Verbot nicht kontrollieren konnte und geschummelt wurde. Nun will man mit "neuer Technologie und zusätzlichen Sensoren der FIA" das Verbot kontrollieren können.
Ferner wird wie bisher eine Kopie der von den Teams eingesetzten Softwarebestandteile von der FIA verwahrt, um zur Not einen Vergleich durchführen zu können. Man ist sich aber so sicher, eine 100-prozentige Kontrolle durchführen zu können, dass man bereits beschlossen hat, keine Standardelektronikbox einzusetzen. Die Hersteller können sich also weiterhin auf dem Elektroniksektor austoben, was allerdings einen theoretischen Raum für Schummeleinen offen hält und außerdem in den Augen der Experten nicht für eine Kostenreduzierung sorgt.

