• 03.02.2010 12:12

  • von Christian Nimmervoll & Roman Wittemeier

Designer Wirth "stolz" auf sein Team

Designer Nick Wirth hat den Virgin-Cosworth VR-01 nur am Computer entwickelt und ist davon überzeugt, dass sein Poker aufgehen wird

(Motorsport-Total.com) - Nur im Internet wurde heute der VR-01 vorgestellt, das erste Formel-1-Fahrzeug des neuen Virgin-Teams. Geistiger Vater des VR-01 ist Nick Wirth, der das Auto in seiner Fabrik in Bicester, wo auch der Toro-Rosso-Windkanal steht, entwickelt hat - und zwar nur mit CFD-Computerprogrammen und völlig ohne Windkanaltests, wie Virgin behauptet.

Titel-Bild zur News: Nick Wirth

Nick Wirths revolutionäre Technologie hält 2010 Einzug in die Formel 1

"Heute ist ein sehr stolzer Tag für alle Mitarbeiter von Virgin Racing, aber auch wenn heute eigentlich unser Auto der Star ist, möchte ich mich bei all den fantastischen Kollegen bei Wirth Research bedanken, die so großen Anteil am VR-01 haben", lobt der Chefdesigner sein Team. "Ein Formel-1-Team zusammenzustellen, einen Ingenieursstab aufzubauen und ein neues Auto zu designen, ist in dem Zeitrahmen, der uns zur Verfügung stand, eine epische Aufgabe."#w1#

Von den Besten gelernt

"Ich hatte das Glück, mit den besten Designern der Formel 1 zusammenarbeiten zu dürfen, daher weiß ich heute ganz genau, was notwendig ist, um Erfolg zu haben", fährt er fort. "Wenn man sieht, was die bestehenden Team mit ihren konventionellen Methoden erreicht haben, dann verstehe ich die Skepsis gegenüber unserer reinen CFD-Vorgehensweise. Aber wir befinden uns in einem Sport, der sich wegen wirtschaftlicher Tatsachen gerade enorm verändert."

"Mit regulativ beschränkten Ressourcen wird es zu teuer sein, konventionell zu sein. Ich erwarte, dass Erfindergeist zur Notwendigkeit wird", gibt Wirth zu Protokoll. "Mein Glaube an den digitalen Designprozess ist unerschütterlich und die Gelegenheit, diese CFD-Vorgehensweise auf höchstem Niveau, in der Königsklasse, zu testen, ist unheimlich aufregend. Ich will beweisen, dass das die Zukunft der Formel 1 sein könnte."

"Ich erwarte, dass Erfindergeist zur Notwendigkeit wird." Nick Wirth

Der Designsimulator, den Wirth in Bicester aufgebaut hat, ist in der Formel 1 einzigartig: An einem virtuell begehbaren Modell des Fahrzeugs können die Ingenieure Designveränderungen vornehmen und erhalten in Echtzeit Daten, wie sich diese auswirken. Die Zeitersparnis gegenüber der alten Methode ist enorm, denn früher musste zuerst aus dem Design ein Modell werden, das dann in den Windkanal kam. Ob Wirths schnellere Methode auch treffsicher ist, wird sich zeigen.

"Der VR-01", sagt er, "ist das Produkt intensiver Forschung und der Bewertung aller Faktoren, die in ein Rennauto einfließen müssen, kombiniert mit weiteren spezifischen Parametern aus dem Reglement. Die Auswirkungen auf das Chassisdesign durch das Nachtankverbot waren beträchtlich. Die potenziell hohe Benzinmenge stellte uns im Packaging vor enorme Herausforderungen. Auch die schmäleren Vorderreifen werden sich auswirken, weil es keine Daten aus dem Vorjahr gibt."

"Wir glauben, dass wir ein Auto von erstklassiger Designintegrität gebaut haben, das von hoher aerodynamischer Effizienz und Stabilität profitieren wird", so Wirth. "Zuverlässigkeit stand ebenfalls im Mittelpunkt und alle Bereiche entsprechen den FIA-Sicherheitsvorschriften und Crashtest-Anforderungen: die Nase, das Monocoque, die seitlichen und hinteren Aufprallstrukturen. Die sind wegen der erhöhten Benzinlast besonders heikel."

Für sein Team hat er nur lobende Worte übrig: "Wir haben eine fantastische Design- und Ingenieursmannschaft zusammengetrommelt, von deren Qualität ich nicht einmal zu träumen gewagt hätte, als wir damit begonnen haben, das Team zusammenzustellen. Sie bringen eine gute Mischung aus Jugend, Erfahrung und Kreativität ein, was ein wichtiger Faktor für die Wirth-Research-Gruppe ist", streut der Brite seinen Mitarbeitern Rosen.

Nie vom Zeitplan abgewichen

"Unsere kombinierte Stärke und Tiefe hat gewährleistet, dass wir trotz des herausfordernden Zeitrahmens in unserer Herangehensweise immer ruhig und methodisch geblieben sind. Ich bin besonders froh, dass es Wirth Research stets geschafft hat, in Sachen Chassisproduktion, Getriebedesign, Crashtests und andere Prozesse nie hinter den Zeitplan zu geraten. Wir haben alles pünktlich geschafft", erklärt er.

"Wir sind ein ernsthaftes Rennteam mit ernsthaften Zielen", sagt Wirth selbstbewusst, gesteht aber ein: "Wir erwarten nicht, dass wir sofort laufen können, bevor wir gehen gelernt haben. Wir wollen zunächst Zuverlässigkeit, Sicherheit und Effizienz erreichen und das beste der neuen Teams werden. Die Performance des Autos steigern wir mit konstanter Weiterentwicklung anhand von Computersimulationen."

"Wir sind uns möglicher Probleme bewusst. CFD ist immer nur eine Annäherung." Nick Wirth

Dass seine CFD-Vorgehensweise auch Risiken birgt, ist dem Ex-Simtek- und -Benetton-Ingenieur klar: "Wir sind uns möglicher Probleme bewusst. CFD ist immer nur eine Annäherung. Das ist bei Modellen aber nicht anders. In beiden Fällen merkst du die tatsächlichen Auswirkungen erst auf der Strecke. In beiden Fällen ist es sehr schwierig, alle Faktoren wie zum Beispiel den Einfluss einer Materialhärte auf den Luftfluss darzustellen."

Allerdings stimmt ihn zuversichtlich, dass er seine Technologie schon erfolgreich erprobt hat, beispielsweise mit dem von ihm designten Acura-Sportwagen, der aerodynamisch extrem stark ist: "Wir haben dies alles schon erprobt, sowohl bei Sportwagen als auch bei Formelfahrzeugen. Ich bin sehr zuversichtlich, was die Genauigkeit meiner Vorhersagen anbetrifft. Ich bin gespannt, wie sich unser Entwurf auf der Strecke machen wird."

Auch mit den gewählten Fahrern, die sich aus der gemeinsamen Zeit in der GP2 kennen, ist Wirth zufrieden: "Wir haben mit Timo Glock und Lucas di Grassi zwei sehr fokussierte und entschlossene Piloten. Die Arbeit der beiden Piloten im Hintergrund, mit vielen Kilometern im Simulator und wertvollen Hinweisen für die Entwicklung, wird auch bei der weiteren Entwicklung und bei den Tests von unschätzbarem Wert sein."

"Auch die Zusammenarbeit mit Cosworth ist toll", sagt er. "Sie öffnen ein ganz neues Kapitel ihrer Firmengeschichte. Es ist eine starke Truppe. Ich hatte das Vergnügen, in meiner Zeit bei den IndyCars gegen sie antreten zu dürfen. Sie waren dort richtig stark! Der CA2010 ist ein gutes Paket und die Ingenieure bei Cosworth sind entschlossen, es der Welt zu zeigen. Ich bin sicher, dass schon bald alle erkennen werden, welch guten Job Cosworth gemacht hat."