Der schlafende Riese Indien entdeckt die Formel 1

Sponsoren haben gewaltige Summen auf den Tisch gelegt, um Narain Karthikeyan als ersten Inder in die Formel 1 zu bringen

(Motorsport-Total.com) - Nahrain Karthikeyan wird in der kommenden Saison für Jordan an den Start gehen, obwohl er in diversen Nachwuchsklassen zwar keineswegs schlecht, aber ganz bestimmt nicht überragend abgeschnitten hat. Für ihn spricht jedoch in erster Linie seine indische Herkunft - und eine gigantische Sponsorenmitgift.

Titel-Bild zur News: Narain Karthikeyan

Narain Karthikeyan schreibt als erster Inder in der Formel 1 Geschichte

Insgesamt 30 Millionen Dollar, also umgerechnet rund 23,5 Millionen Euro, haben sich einige Firmen das Engagement ihres Schützlings in der Königsklasse des Motorsports kosten lassen. Zweifel, dass sich dieses Investment auch rechnen wird, hat aber kaum jemand, da gemeinhin davon ausgegangen wird, dass in Karthikeyans Heimat nun ein Formel-1-Boom ausbrechen wird. Auch die auf Eis gelegten Pläne einer Rennstrecke bei Hyderabad werden möglicherweise wieder aufgetaut.#w1#

Indien einer der weltweit interessantesten Märkte

Für die Formel 1, die in den letzten Jahren einen immer stärker werdenden Expansionsdrang entwickelt hat, ist ein Inder aus marktwirtschaftlicher Sicht ein wahrer Segen. Motorsport ist in dem Land mit gut einer Milliarde Einwohnern derzeit noch kein Thema von Interesse, doch durch Karthikeyan könnte sich dies rasch ändern. Der Formel 1 könnte gar nichts Besseres passieren, ist Indien doch neben China einer der weltweit interessantesten Märkte.

Gleich 661 Millionen Einwohner Indiens sind zwischen 15 und 64 Jahre alt und fallen damit in die Zielgruppe jener Firmen, die als Sponsoren in den Motorsport investieren. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt sagenhafte 385 Milliarden Euro, was allerdings pro Kopf nur 365 Euro entspricht. Auch 42 Milliarden Euro Importvolumen und ein - gemessen an europäischen Verhältnissen - beeindruckendes Wirtschaftswachstum von 4,3 Prozent lassen die Augen eines jeden Marketingexperten glänzen.

Diese Zahlen können freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Indien in jeder Hinsicht als Entwicklungsland einzusortieren ist. Nur 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung sind Studenten, was einer Analphabetenrate von knapp über 40 Prozent in der Gruppe der über 14-Jährigen gegenübersteht. Lediglich 7,4 Prozent aller Inder besitzen ein Fernsehgerät, 0,67 Prozent haben Zugang zum Internet und 0,61 Prozent ein eigenes Mobiltelefon.

Nur jeder 200. Inder besitzt ein eigenes Auto

Für die Automobilhersteller sind freilich die Motorisierungsraten am interessantesten: Während beispielsweise in Deutschland knapp 45 Millionen PKWs im Umlauf sind, sind es in Indien nur ungefähr fünf Millionen, obwohl in Deutschland 13 Mal weniger Menschen leben. Oder, anders ausgedrückt: Mehr als die Hälfte aller Deutschen haben ein eigenes Auto, während in Indien nicht einmal fünf Autos auf 1.000 Einwohner entfallen.

Aus all diesen Daten lässt sich das gigantische Wachstumspotenzial Indiens herauslesen, welches die Verpflichtung Karthikeyans durch Jordan in einem anderen Licht erscheinen lässt. Insofern ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich mit der 'Tata'-Gruppe, die sich mit verschiedensten Industriezweigen beschäftigt, 'JK Tyres', einem Reifenhersteller, und einigen weiteren Firmen ausreichend Sponsoren gefunden haben, um ein 23,5-Millionen-Euro-Budget auf die Beine zu stellen.

Sponsoren stehen voll und ganz hinter Karthikeyan

Man habe die erforderliche Summe "ohne nachzudenken" überwiesen, erklärte beispielsweise ein 'JK-Tyres'-Sprecher: "Es hat nicht lange gedauert, bis wir Jordans Angebot zugestimmt haben. Wir haben einem Inder auf die Motorsport-Landkarte verholfen." Und ein 'Tata'-Repräsentant fügte an: "Wir wollen eines der ersten indischen Geschäftshäuser in der globalen Arena sein und freuen uns sehr darüber, dass wir einen Inder auf die Überholspur bringen konnten."

Karthikeyan selbst ist sich der massiven Unterstützung aus seiner Heimat bewusst und möchte den Sponsoren Leistung für Bares bieten: "All das wäre nicht ohne meine Sponsoren, insbesondere 'Tata' und 'BPCL' (Mineralölkonzern; Anm. d. Red.), möglich gewesen. Außerdem möchte ich mich bei den vielen Fans bedanken, die mich dazu inspiriert haben, meinen Traum bis zum Schluss zu verfolgen", so der 28-Jährige.

Welches Ausmaß die Formel-1-Euphorie in Indien annehmen könnte, beweisen Expertenmeinungen, die lauten, dass zum Saisonauftakt am 6. März in Melbourne die TV-Quoten besser sein könnten als beim parallel stattfindenden Länderspiel zwischen Indien und Pakistan im Cricket. Cricket ist bekanntlich die mit Abstand populärste Sportart in Indien, was angesichts der Commonwealth-Mitgliedschaft nahe liegt.