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  • 03.06.2009 14:45

Der Insider: Das perfekte Formel-1-Auto

Unser Insider erklärt, warum das neue Reglement nicht den gewünschten Effekt erzielt und verweist auf eine interessante Designstudie

Titel-Bild zur News: Designstudie von Fioravanti

Die Studie von Fioravanti zeigt, wie der perfekte Formel-1-Renner aussehen könnte

(Motorsport-Total.com) - Die FIA hat für die Saison 2009 ein neues Reglement in Kraft gesetzt, welches die Formel 1 fundamental verändern sollte. Das Ziel der umfangreichen Änderungen war es, den Zuschauern durch mehr Überholmanöver eine noch bessere und spektakulärere Show zu bieten. Die aerodynamischen Änderungen entstanden hauptsächlich in der Arbeitsgruppe Überholen unter der Führung von Ex-Ferrari-Konstrukteur Rory Byrne.

Viele Teams witterten ihre Chance, durch die Änderungen in der Formel-1-Hierarchie einen großen Schritt nach vorne zu machen. Im Vorfeld wurden massive Zeitunterschiede zwischen den Teams erwartet.

Das Rezept für mehr Überholmanöver: grundsätzlich den Anpressdruck reduzieren. Damit erreicht man niedrigere Kurvengeschwindigkeiten und instabilere Autos. Außerdem wollte man den Anpressdruck auf der Hinterachse reduzieren und durch den großen Frontflügel nach vorne verschieben. Dies sollte ein dichteres Auffahren auf den Vordermann ermöglichen. Durch den kleineren Heckdiffusor wurde die "Dirty Air" hinter den Fahrzeugen vermindert.

Dazu brachte man KERS und ein verstellbaren Frontflap ins Spiel. Nach den ersten sechs Rennen können wir feststellen, dass der gewünschte Effekt weitgehend ausgeblieben ist. Durch KERS gab es ein paar Überholvorgänge mehr, die Fahrer klagen aber weiterhin über heftigen Strömungsabriss hinter den Boliden. Hinzu kommt, dass die Autos im Vergleich zum vergangenen Jahr schneller wurden. Die Zeitabstände zwischen den Teams sind so klein wie noch nie.

BMW Sauber F1.09

Die Teams haben Wege gefunden, weiterhin Luftleitbleche zu verwenden Zoom

Abgesehen von allen technischen Aspekten haben die Autos der Generation 2009 in den Augen vieler Beobachter an Ästhetik verloren. Die Rechnung der FIA ging meiner Ansicht nach aus folgenden Gründen nicht auf: Die Kurvengeschwindigkeiten wurden durch die Slicks tendenziell höher. Das Reglement zielte darauf ab, diverse Zusatzflügel und Luftleitbleche zu verbieten. Die cleveren Ingenieure der Teams fanden für viele Probleme eine Lösung. So verschwanden zum Beispiel die Turning-Vanes beziehungsweise Barge-Boards unter der Nase. Nach Reglement dürfen von oben auf den Wagen gesehen keine Leitbleche sichtbar sein.

Die Leitbleche an den Seitenkästen haben ihr Comeback einer interessanten Regelinterpretation zu verdanken. Das Reglement besagt, dass man in einem bestimmten Fenster zwischen den Radzentren keine Zusatzflügel anbauen kann. Also haben die Techniker den Radstand vergrößert und somit ein Fenster für die Flügelchen geöffnet.

Renault R29

Durch die Erweiterung des Radstands wurde ein Schlupfloch geschaffen Zoom

Auch die doppelten und dreifachen Heckdiffusoren waren bestimmt nicht im Sinne der Arbeitsgruppe Überholen, da diese Konstruktionen große Luftwirbel hinter sich herziehen.

Generell muss man festhalten: Formelautos sind aerodynamisch gesehen nicht ideal für viele Überholmanöver. Hauptgrund sind die Räder. Weil Räder und Radaufhängung nicht durch Karosserieteile abgedeckt sind, verursachen sie viele Verwirbelungen. Windschatten nutzen, wie wir es beispielsweise aus der NASCAR kennen, wird durch die verhältnismäßig großen Räder fast unmöglich.

Toyota TF109

Die offenstehenden Räder in der Formel 1 sind für Aerodynamiker ein Graus Zoom

Ein zweiter Grund ist die dominierende Effizienz des Unterbodens. Bei einem heutigen Formel-1-Wagen wird sehr viel Downforce durch den Unterboden generiert. Das bedeutet, man versucht möglichst viel Fahrtwind unter den Wagen zu bekommen. Dies wiederum verwirbelt den Luftstrom unnötig.

Ein Wagen mit tiefer Nase und Seitenkästen, welche den Fahrtwind über und nicht unter das Auto ziehen (rote Linie), wäre für spannende Rennaction besser geeignet.

Formel-1-Seitenkasten

Zum Vergrößern anklicken: Tiefere Seitenkästen wären eventuell vorteilhafter Zoom

Zum idealen Design fällt mir die Studie der italienischen Designschmiede Fioravanti ein. Das italienische Konzept zeigt sehr interessante Ansätze wie zum Beispiel die Idee, den Heckflügel in den Unterboden zu integrieren. Bei diesem Konzept werden die Kühlöffnungen bewusst klein gehalten. Kühlöffnungen sind aerodynamisch immer schlecht. Der futuristische Renner kühlt den Motor mit Ventilatoren und Wasser. Deutlich zu erkennen sind die Radabdeckungen. Dies wiederum ist nicht zuletzt ein Sicherheitsaspekt. Aufsteigende Autos aufgrund von Rad-an-Rad-Berührungen sind ausgeschlossen.

Ihr

Insider

* Der 'Motorsport-Total.com'-Insider hat sieben Jahre lang für mehrere Formel-1-Teams im Bereich Composite gearbeitet. Ihm wurden jeweils hervorragende Zeugnisse ausgestellt. Heute erläutert er für unsere Leser mit seinem Fachwissen technische Zusammenhänge und er beschreibt fragwürdige Praktiken, die sich in der Königsklasse eingebürgert haben.