• 07.03.2003 12:10

Dennis über die Diskussionen in der Formel 1

McLaren-Boss Dennis sprach im Rahmen einer Pressekonferenz über die Diskussionen hinsichtlich des Concorde Agreements

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ron, erzähle uns zuerst über deine Gefühle über den heutigen und morgigen Tag!"
Ron Dennis: "Ich denke, das heutige Qualifying war die erste Veränderung, die von den Teams vorgeschlagen wurde, denn wir sollten uns daran erinnern, dass das Einzelzeitfahren quasi in einer 'Denkfabrik' der Teams entstanden ist, um der Formel 1 ein neues Gesicht zu verleihen. Ich glaube nicht, dass wir das beurteilen sollten. Wir sind eigensinnige Individuen, die miteinander im Wettbewerb stehen, die leidenschaftlich Motorsport betreiben, und daher betrachtet man seine eigenen Autos im Qualifying viel angespannter als die anderen. Das ist verständlich, aber ich glaube, dass wir deshalb ein Urteil den Zuschauern überlassen sollten. Wie gut das Format funktionieren wird, hängt auch sehr von der Qualität der Kommentatoren ab, wie gut sie recherchiert haben und was für Material sie vorbereitet haben, um das zu präsentieren, was jetzt mit nur noch einem Auto eine ganz andere Show ist als bisher. Daher hoffe ich, dass die Leute, die dieses Einzelzeitfahren präsentieren werden, hart dafür gearbeitet haben, denn ich finde generell, dass es in unserem Sport eine bessere Qualität der Übertragungen im Fernsehen geben könnte. Es gibt so langsame Wettbewerbe wie den America's Cup, der aber sehr interessant rüberkommt, oder aber auch manche Golf-Übertragungen und andere Sportarten, die eigentlich von ihrer Natur her eher an Schildkröten-Rennen erinnern und doch interessant gebracht werden. Daher denke ich, dass der Erfolg des Einzelzeitfahrens auch sehr von der Qualität der Kommentatoren abhängen wird."

Titel-Bild zur News: Ron Dennis

McLaren-Boss Ron Dennis heute bei der FIA-Pressekonferenz

Frage: "Zuletzt gab es ein Wortgefecht mit deiner Beteiligung, wobei das Gefühl ist, dass sich jetzt doch alle auf das Rennfahren konzentrieren wollen. Haben sich die Dinge beruhigt?"
Dennis: "Was heißt beruhigt, es war ja nie anders als ruhig. Wir neigen dazu, gemeinsam zu handeln, weil wir ein Resonanzboden für unsere gegenseitigen Meinungen sind. Wir vertreten unsere Firmen, aber die Entscheidungen, die wir getroffen haben, sind nicht in Isolation passiert. Da wurden auch die Technischen Direktoren und das Management miteinbezogen. Wir haben dann der Öffentlichkeit widerwillig klargemacht, was unsere Position ist. Ich denke, wir waren in diesen Briefen sehr klar, daher möchte ich hier gar nicht mehr darauf eingehen. Wir sind hier, um Rennen zu fahren, um das Beste aus den Regeln zu machen, die bei diesem Rennen gelten. Wir alle fühlen, dass man sich nach drei Rennen an einen Tisch setzen sollte, um einmal alles zu analysieren und zu überdenken. Die FIA hat dem meines Wissens nach ja schon zugestimmt. Dann kann man eventuelle Schwachpunkte verändern. Wenn es diese Offenheit geben sollte, lässt sich die kontroverse Debatte, die es vor diesem Rennen gegeben hat, sicher aus der Welt schaffen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen."

Frage: "Du warst nicht immer Teamchef eines großen und erfolgreichen Rennstalls, sondern musstest auch einmal klein anfangen. Tut es dir im Nachhinein leid oder ist es dir peinlich, was du über Minardi gesagt hast?"
Dennis: "Zuerst einmal wurde das, was ich gesagt habe, ziemlich übertrieben und falsch interpretiert. Ich habe mich gestern Nachmittag mit Paul getroffen und wir haben darüber gesprochen. Das Einzige, was ich über Pauls Team gesagt habe, war in einem aufgezeichneten Interview, in dem ich mich sehr für Eddie Jordan stark gemacht habe, der immer wieder in dasselbe Licht gerückt wurde wie Minardi. Meine Bemerkung dazu, an die ich mich nicht im genauen Wortlaut erinnern kann, war in etwa so, dass man das einfach nicht so formulieren kann. Warum habe ich das gesagt? Es war einer der wenigen Momente, in denen ich Eddie helfen wollte, also wollte ich eine klare Linie zwischen seinem Team und Minardi herstellen. Im Nachhinein war es nicht besonders weise, dass ich das gesagt habe, aber es passierte während zwei oder drei Tagen intensiver und anstrengender Medienarbeit und ich habe Paul klargemacht, dass ich seinem Team nichts anderes als eine positive Zukunft wünsche. Zu meiner Verteidigung kann ich vielleicht sagen, dass der 'Fighting Fund', über den alle reden, auf meine Initiative entstanden ist. Es wird angenommen, dass sich alle Teams wieder von dieser Idee abgewendet haben, aber ? und ich kann nicht für Frank Williams sprechen, aber er sieht es sicher genauso ? McLaren und Williams stehen nach wie vor zu diesem Konzept. Wir haben verdeutlicht, dass wir bereit sind, viele der anfallenden Themen zu lösen, und dass wir ? egal ob Paul in der Angelegenheit nun richtig liegen sollte oder nicht ? nicht verlangen werden, dass Minardi das TV-Geld vom vergangenen Jahr zurückzahlen muss. Abgesehen davon habe ich mit Paul noch ein paar andere Dinge besprochen, die zeigen, wie engagiert manche der großen Teams sind, was in den Medien manchmal nicht richtig rüberkommt."

Konflikt mit Stoddart ist offenbar beigelegt

Frage: "Es gab also ein langes Gespräch mit Paul Stoddart und der Disput wurde beigelegt. Hast du dich bei ihm entschuldigt?"
Dennis: "Ganz ehrlich, ich glaube, dass meine Kommentare verglichen zu dem, was Paul gesagt hat, relativ harmlos waren, aber wir wollen ja nicht mit Wörtern Tennis spielen und wir respektieren unsere Positionen. Die Medien suchen natürlich immer nach Konfliktpotenzial in solchen Angelegenheiten, aber Tatsache ist, dass es eine Menge zu lösen gibt und dass wir unterm Strich zwei Profis sind, die vielleicht manchmal eine Meinungsverschiedenheit haben, aber ihre gegenseitigen Positionen sehr gut akzeptieren können. Jetzt steht für uns dieser Grand Prix im Vordergrund."

Frage: "Dieses Prost-TV-Geld vom letzten Jahr ? warum streitet ihr euch darum? Für Minardi ist dieses Geld lebenswichtig, aber für dich oder Frank Williams wäre es nur ein Tropfen in einem Meer voll Wasser. Das kommt einfach bösartig rüber, wie zwei Geizhälse..."
Dennis: "Wie so oft fehlt da das Verständnis für die Situation. Zunächst einmal geht es um 22 Millionen Dollar. Wenn sie glauben, das ist nicht viel Geld, dann sind sie vielleicht überbezahlt. Zweitens geht es gar nicht um das Geld. Es geht um Unzulänglichkeiten, von denen es im Concorde Agreement eine Menge gibt, und es gibt das Bedürfnis mehrerer Teams ? nicht nur von McLaren und Williams ?, diese Unzulänglichkeiten in der Verteilung der TV-Einnahmen aus der Welt zu schaffen. Niemand will mit einem Beschluss in dieser Sache einem speziellen Team schaden und niemand fordert, dass Eddie oder Paul etwas von ihrem Geld, das sie bereits bekommen haben, zurückgeben müssen. Wenn uns das als Geiz ausgelegt wird, dann sollte man sich einmal den Betrag, um den es geht, vor Augen führen. Man kann aus den Beträgen ableiten, dass es insgesamt um mehrere hundert Millionen Dollar geht, aber die Klarheit ist nicht gegeben."

Selbst die großen Teams müssen abspecken

Frage: "Jetzt, wo du in versöhnlicher Stimmung bist, kannst du uns sagen, was du von Minardi hältst und wo du sie nächstes Jahr siehst?"
Dennis: "Ich will nicht über Minardi sprechen, das ist Pauls Ding. Er kennt seine Situation am besten. Im Moment ist es ein hartes Leben, für die großen genau wie für die kleinen Teams. Okay, fein, wir haben größere Einnahmequellen, aber wir haben auch größere Budgets und es tut sehr weh, große Budgets abspecken zu müssen. Man darf nicht glauben, dass nicht wir auch eine Diät machen müssen, denn das müssen wir."

Frage: "Willst du nächstes Jahr überhaupt noch zehn Teams sehen? Man behauptet, dass du einen Geheimplan hast, laut dem du lieber weniger Teams mit drei Autos haben würdest."
Dennis: "'Man behauptet' ist der richtige Ausdruck. Wenn irgendjemand glaubt, mit mir über dieses Thema eine konkrete Diskussion geführt zu haben, dann soll er bitte jetzt die Hand heben. Das ist eine reine Erfindung. Ich würde gerne zwölf Teams in der Formel 1 haben. Warum sollte ich weniger wollen? Ich kann da keine Logik sehen. Ich verstehe diese Frage nicht, das Argument dahinter. Warum zur Hölle sollte sich irgendein Team, das momentan an der Formel 1 teilnimmt, wünschen, weniger als zehn Teams zu haben? Das würde die Verpflichtung bedeuten, ein drittes Auto einzusetzen, aber es gibt niemanden, der das will."

Dennis: Teams bekommen 23 Prozent der Formel-1-Gelder

Frage: "Ist es nicht so, dass die großen Teams über das Concorde Agreement mehr Einfluss haben?"
Dennis: "Um das zu klären, kann ich verraten, dass die Macht eines jeden Teams laut Concorde Agreement gleich ist, wenn es darum geht, die sportlichen Regeln, die technischen Regeln und die kommerziellen Vereinbarungen mitzugestalten. Das ist gleich. Auch das Geld ist gleich in der Hinsicht, dass es zwischen 1997 und 1998 zu einer neuen Vereinbarung kam, die gerechter war als davor. Ich unterstütze sogar eine noch gerechtere Aufteilung. Die eigentliche Frage ist aber nicht, wie wir unter uns die 23 Prozent, die wir aus den Einnahmen der Formel 1 bekommen, aufteilen sollen, sondern wie wir diesen Prozentsatz erhöhen können. Die Europäischen Fußball-Vereine kassieren zum Beispiel 75 Prozent der Einnahmen ihres Sports."

Frage: "Genau das sagen ja auch die großen Hersteller..."
Dennis: "Was soll das heißen?"

Frage: "Reden wir doch nicht um den heißen Brei. Alle Parteien des Concorde Agreements wollen mehr Geld, also gibt es das Agreement nicht mehr und es besteht dringender Handlungsbedarf, ein neues aufzusetzen."
Dennis: "Das ist so nicht richtig. Wir sind einen Vertrag eingegangen. Der Vertrag gilt bis 2007 und jeder, der ihn unterzeichnet hat, wird sich daran halten, es sei denn es gibt einen einstimmigen Veränderungsbeschluss, weil der Vertrag das eben so vorsieht. Ich habe mich nie über irgendeinen Vertrag beschwert. Man unterschreibt einen Vertrag und hält ihn ein, auch wenn man manchmal gerne jammern und schreien würde. Es ist hart, wir würden es uns gerne anders wünschen, aber ohne einstimmigen Beschluss wird es bis 2007 so bleiben, wie es jetzt ist. Es liegt also nicht an uns, das Concorde Agreement zu ändern. Ich möchte aber noch etwas hinzufügen, was die großen Teams vielleicht in einem nicht ganz so schiefen Licht dastehen lässt wie bisher. Es gibt offenbar ein schweres Missverständnis über die fundamentale Verteilung, die im Concorde Agreement verankert ist. Ich bezweifle, dass irgendjemand weiß, wie das Geld verteilt wird, aber um einen ungefähren Betrag zu nennen, bekommt das Team, das die Weltmeisterschaft gewinnt ? und ich meine jetzt keinen bestimmten Rennstall, sondern nur den Titelgewinner ?, in etwa 22 Millionen Dollar und das letztplatzierte Team in etwa die Hälfte davon. Das ist vielleicht nicht absolut gerecht, aber viele werden über die geringe Streuung überrascht sein, denn ich glaube nicht, dass die falsch proportioniert ist. Vor 1997 war das Verhältnis noch in etwa vier zu eins."

Problembereiche im Concorde Agreement sollen gelöst werden

Frage: "Worüber beschwerst du dich dann, was soll verändert werden?"
Dennis: "Ich beschwere mich ja nicht."

Frage: "Du hast doch gesagt, das Concorde Agreement muss neu verhandelt werden..."
Dennis: "Eine Sekunde. Das Concorde Agreement hat uns sehr, sehr gute Dienste erwiesen, aber es ist ein bisschen wie ein Kamel. Es ist ein Vertrag, der über viele Jahre hinweg immer wieder angepasst wurde, und wegen der derzeitigen Veränderungen in der Formel 1 gibt es viele Bereiche, die neu diskutiert werden müssen. Es gab eine Zeit, da wurde das Concorde Agreement alle drei Jahre neu geschrieben, dann alle fünf Jahre und so weiter. Bei all diesen Verhandlungen gab es immer ein Ziehen und Rangeln. Jetzt gibt es eben ein paar undurchschaubare Elemente im Concorde Agreement, die nicht für alle Teams funktionieren. Daran wollen wir arbeiten."

Frage: "Geht es dabei um Geld?"
Dennis: "Die Journalisten wollen immer eine einfache Sache aus einer komplizierten Sache machen. Das ist keine Ja/Nein-Frage. Es ist eine Tatsache, dass die Formel 1 nur vom Start eines Rennens bis zur Zielflagge Sport ist. Meiner Meinung nach sind alle anderen Bereiche Geschäft und daher haben sie natürlich mit Geld zu tun. Wir wollen einfach diese undurchsichtige Verteilung des Geldes von den größeren zu den kleineren Teams lösen und es geht uns dabei darum, eine klare Lösung zu finden, nicht irgendwelchen Teams etwas wegzunehmen."

Dennis befürchtet keine Schummeleien

Frage: "Ron, es gibt die Regel, wonach an den Autos an gewissen Zeiten an den Wochenenden nicht mehr gearbeitet werden darf, und es gibt die Befürchtung, dass dabei geschummelt werden könnte, während die Autos bei der FIA in Verwahrsam sind. Bist du besorgt darüber, dass da eventuell Schlupflöcher im Reglement ausfindig gemacht werden könnten?"
Dennis: "Die Befürchtung, dass Teams die Regeln bewusst überschreiten könnten, hat es schon immer gegeben, und die Gefahr des neuen Reglements liegt darin, dass man jetzt manche Bereiche vielleicht radikaler auslegen kann. Andererseits halte ich die Teams aber auch für sehr ehrenhafte Operationen und obwohl es sicher manchmal so war, dass ein Team an die Grenzen gegangen ist, kann ich mich lange nicht mehr daran erinnern, dass so etwas absichtlich geschehen wäre. Ich glaube nicht, dass irgendein Team während dieser Periode, in der nicht gearbeitet werden darf, unerlaubte Dinge machen wird."

Frage: "Kommen wir noch einmal zum Concorde Agreement. Du sagst einerseits, dass die Medien nichts davon verstehen, aber andererseits verrätst du auch nichts darüber..."
Dennis: "Ich spreche ja nur über die Zahlen und außerdem sieht ein Vertragspunkt Verschwiegenheit vor. Wenn jemand das Concorde Agreement unterschreibt, muss er sich an diese Klausel halten, obwohl ich glaube, dass niemand etwas dagegen hätte, darüber zu sprechen. Es ist nur nicht erlaubt."

Frage: "Würdest du das ändern wollen?"
Dennis: "Wenn ich ehrlich bin, ich hätte nichts dagegen, ein transparentes Abkommen, das für jeden zugänglich ist, zu haben. Ich habe damit kein Problem."