• 05.08.2004 10:26

Davidson: "Es hat befriedigende Momente gegeben"

Der BAR-Honda-Testfahrer über seine Rolle als dritter Mann an den Freitagen und die nun bevorstehenden Rennen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Als dritter Fahrer bei BAR-Honda ist es dir erlaubt, an den Freitagen vor einem Grand Prix an den Freien Trainings teilzunehmen. Wie sieht dein Aufgabengebiet an diesen Freitagen aus und was sind deine Ziele?"
Anthony Davidson: "Aus Sicht des Teams ist es meine Aufgabe, die Reifen für das Wochenende mit all meinen Möglichkeiten zu evaluieren. Am Freitagabend muss das Team eine Entscheidung treffen, welcher der beiden Reifentypen am Samstag und Sonntag eingesetzt werden soll. Das hängt grundsätzlich von mir ab. Jenson und Taku sind in Sachen Trainingskilometer limitiert, während ich so viel fahren kann, wie ich will. Es ist natürlich eine große Verantwortung, aber andererseits sind Reifentests auch nur eine Sache, die bei anderen Tests auch erledigt werden, daher ist es nicht besonders schwierig - speziell auf Strecken, die ich schon kenne. Am schwierigsten ist es, wenn sich die Strecke ständig verändert, zum Beispiel in Monaco."

Titel-Bild zur News: Anthony Davidson

Anthony Davidson war 2004 der bisher auffälligste dritte Pilot

Frage: "Folglich musst du wahrscheinlich ein paar kürzere und längere Runs mit beiden Reifentypen absolvieren, um festzustellen, welcher für eine schnelle Runde im Qualifying und für die Renndistanz am besten geeignet ist, nicht wahr?"
Davidson: "Definitiv. Wir müssen uns die Kurzzeit-Performance der Reifen genauso vornehmen wie die Langlebigkeit."#w1#

"Habe mehr Umdrehungen zur Verfügung als Jenson und Taku"

Frage: "Aus deinen beeindruckenden Rundenzeiten schließe ich, dass es dir freigestellt ist, voll zu attackieren."
Davidson: "Weil ich kein Kilometerlimit habe, stehen mir ein paar Umdrehungen mehr zur Verfügung als Jenson und Taku, was vielleicht ein paar Zehntel ausmacht, dafür schleppe ich aber oft mehr Benzin mit mir rum. Wenn ich auf einer Strecke wie Indianapolis am Ende des Tages Zweiter bin, war das ein genial guter Tag. Ich habe natürlich mehr Runs mit neuen Reifen, was mich gewiss anstachelt, aber dafür kenne ich viele der Strecken nicht."

Frage: "Wenn man sich deine Pace in Bahrain, Monaco oder Indy anschaut, dann scheinst du mit neuen Strecken schnell klarzukommen, nicht wahr?"
Davidson: "Das ist eine meiner Stärken. Eigentlich sind außer Barcelona und Silverstone alle Strecken neu für mich."

Frage: "Wie lernst du eine für dich neue Strecke aus dem Stand heraus?"
Davidson: "Ich beginne damit, ein Computerspiel zu spielen, um einmal eine Idee dafür zu bekommen, in welche Richtung der Kurs überhaupt geht. Dann schaue ich mir die Daten aus dem vergangenen Jahr an, die Geschwindigkeiten, Gänge und Fliehkräfte, und kombiniere das mit den Cockpitaufnahmen. Das hilft ungemein, weil man hören kann, wann geschaltet wird, und man kann die Linie abschauen. Als nächstes unterhalte ich mich mit den Fahrern - Jenson war da sehr hilfreich bisher. Dazu muss man sagen, dass es in seinem Interesse ist, dass ich schnell bin, damit das Team eine angemessene Reifenevaluierung hinbekommt. Am Mittwoch oder Donnerstag gehe ich dann mit Jenson oder Taku die Strecke ab. Noch besser ist, die Strecke mit einem Scooter abzufahren, denn man sitz hoch oben und kann alles sehen. Wenn ich zum ersten Mal mit dem Formel 1 rausfahre, macht für mich alles schon Sinn."

Arbeit mit den Reifen prägt Davidsons Arbeit an den Freitagen

Frage: "Wie lange brauchst du, um mit diesen Hintergrundinformationen deinen vollen Speed auf einer Strecke zu erreichen?"
Davidson: "Das ist schwer zu sagen, denn wenn man sich gerade mit der Strecke angefreundet hat, baut meistens der erste Reifensatz wieder an Leistung ab. Zwischen der ersten und der fünften Runde mit einem Reifensatz gibt es einen massiven Performance-Unterschied, aber es ist wichtig, dass man viel lernt, wenn die Reifen nicht maximal funktionieren, damit man dann den nächsten neuen Satz optimal nutzen kann."

Frage: "Von deinen bisherigen Leistungen fällt vor allem der zweite Platz am ersten Tag in Monaco auf, geschlagen nur von Michael Schumacher..."
Davidson: "Monte Carlo war natürlich sehr gut, aber auch der Nürburgring hat mich umgehauen. Ich bin zuvor noch nie dort gewesen, aber meine erste Runde war nur eine Zehntelsekunde langsamer als die erste fliegende Runde von Jenson und am Ende des ersten Trainings war ich sogar Schnellster. Das war ein Mega-Tag. Indy war auch eine tolle Session, das zweite Training dort war vielleicht mein bestes in diesem Jahr. Kommen wir noch einmal zurück auf Monaco - da haben viele Leute geglaubt, dass ich Probleme haben würde, die Kurven angemessen zu meistern, aber ich fand das ganz einfach und schön. Es hat also einige wirklich sehr befriedigende Momente gegeben."

Frage: "Ist der Freitag für dich eine Gratwanderung zwischen deinen eigenen und den Interessen des Teams? Schließlich willst du einerseits dich selbst ins Gespräch bringen, andererseits solltest du aber auch den Job so gut es geht erledigen."
Davidson: "Natürlich möchte ich einen guten Job für das Team machen, aber das geht Hand in Hand damit, einen guten Job für mich selbst zu machen. Natürlich würde es mir gefallen, wenn mir das Team einen Qualifying-Run erlauben würde, um die Stärke von Anthony Davidson aufzuzeigen, aber das könnte das Programm des Teams behindern und sogar gefährden, denn dann würde ja die Konkurrenz über unser tatsächliches Potenzial bescheid wissen."

Davidson hat kein Problem mit seiner Rolle als dritter Fahrer

Frage: "Ist es nicht frustrierend, am Freitagabend nach Hause fahren zu müssen, während sich der Rest des Teams auf den Grand Prix vorbereitet?"
Davidson: "Nein, nicht wirklich. Ich schöpfe Stolz aus dem, was ich an den Freitagen und bei den normalen Tests leiste."

Frage: "Du hast eine sehr gute Beziehung zu Jenson und Taku, stimmt das?"
Davidson: "Die ist brillant! Beide sind tolle Jungs. Ich kann sie alles fragen und sie geben mir immer offene Antworten. Wir alle wissen, wo wir stehen. Sie bekommen ja auch mit, dass ich nächstes Jahr gerne Rennen fahren würde, und sie helfen mir fast dabei, indem sie gute Dinge über mich sagen. Sie müssen nicht aus dem Weg gehen, um mir zu helfen, aber sie machen das von sich aus."

Frage: "2003 hast du zwei Grands Prix für Minardi bestritten. Betrachtest du die im Nachhinein als verpasste Gelegenheit oder als Sprossen auf deiner Karriereleiter?"
Davidson: "Wenn man bedenkt, wie wenig Zeit ich mit dem Auto hatte, habe ich einen guten Job gemacht. Damals haben die Leute geglaubt, es sei okay gewesen, aber heute wissen wir, wie gut Mark Webber ist - also habe ich mich ganz gut geschlagen. Ich habe in Ungarn eine schnellere Rennrunde als Mark gedreht und in Spa war ich im Qualifying nur eine halbe Sekunde langsamer und im Rennen saß ich ihm dann im Getriebe."

Frage: "Freust du dich schon auf den Hungaroring und auf Spa, denn du bist ja auf beiden Strecken schon Rennen gefahren?"
Davidson: "Ja, ich freue mich darauf, auf Strecken zu fahren, die ich schon kenne, so wie die beiden und Monza. Es kommen jetzt einige gute Strecken und ich freue mich besonders auf Spa - aus vielen Gründen sollte das sehr interessant werden."