Daten zeigen: Ferrari wäre wohl leicht schneller als Max Verstappen gewesen

Hätte Max Verstappen den Grand Prix von Australien gewonnen oder nicht? Die Formel-1-Teamchefs sind sich nicht sicher, doch was sagen die Daten?

(Motorsport-Total.com) - Max Verstappens früher Ausfall in Runde drei des Formel-1-Rennens von Australien hat für einen neuen Gewinner nach zuvor neun Siegen in Serie für den Niederländer gesorgt. Wie schon im Vorjahr war es Ferrari-Pilot Carlos Sainz, der eine lange Siegessträhne von Red Bull platzen lässt, doch anders als in Singapur 2023 musste der Spanier Verstappen nicht aus eigener Kraft schlagen. Doch hätte Ferrari auch ohne Verstappens Pech gewinnen können?

Titel-Bild zur News: Max Verstappen, Carlos Sainz

Hätte Max Verstappen in Australien ohne technische Probleme die Meute hinter sich halten können? Zoom

"Hätte, wäre, wenn", antwortet Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der sich auf dieses Spiel nicht einlassen will. "Man kann nie wissen. Das einzige Feedback, das wir bekamen, waren seine Runden in der Startaufstellung. Er hatte das Gefühl, das Auto sei gut. Und er schaffte es, in der ersten Runde ziemlich schnell eine Sekunde auf Carlos herauszuholen. Aber die Ferraris waren an diesem Wochenende schnell, das kann man ihnen nicht verübeln. Sie haben ihren Sieg heute verdient."

Dennoch ist es eine Frage, die sich nicht so leicht zu beantworten lässt, doch McLaren-Teamchef Andrea Stella wagt den Blick in die Glaskugel: "Ich denke, in Bezug auf die Aufteilung der Pace zwischen McLaren und Ferrari hätte Verstappen möglicherweise dabei sein können", aber: "Er begann schon zu Beginn des Rennens, sich zu beschweren."

Daten: Verstappen wäre wohl langsamer als Ferrari gewesen

Dass Verstappen jedoch nur "hätte dabei sein können" impliziert, dass es wohl ziemlich eng geworden wäre. Beim Blick auf die Renndaten war sein Red-Bull-Teamkollege Sergio Perez um 0,54 Sekunden pro Runde langsamer als die Ferraris. In den ersten beiden Saisonrennen war Verstappen jedoch durchschnittlich 0,328 Sekunden pro Runde schneller als sein Teamkollege.

Zudem hat auch der Longrun der beiden Red Bulls im dritten Freien Training einen ähnlichen Abstand gezeigt. Dort war Verstappen im Schnitt um 0,385 Sekunden pro Runde schneller. Wenn man diesen Wert von der tatsächlichen Rennpace von Perez abzieht, wäre Verstappen hochgerechnet 0.155 Sekunden pro Runde langsamer als Sainz und etwa auf Augenhöhe mit McLaren gewesen.

Hätte das für den Sieg gereicht? Schließlich hatte der Weltmeister mit der Poleposition immerhin die Position auf der Strecke. Zudem ist die Rennpace von Perez etwas verzerrt, da er im ersten Stint nach der Gridstrafe im Verkehr feststeckte, was möglicherweise im Gesamtschnitt eine Zehntel gekostet hat. Die Daten legen jedenfalls nahe, dass Verstappen wohl nicht der schnellste Fahrer gewesen wäre, aber möglicherweise schnell genug, um die anderen hinter sich zu halten? Wir werden es nie erfahren.

Stella: Reifen haben für Verschiebungen in der Hackordnung gesorgt

"Es sieht also so aus, als hätten McLaren und Ferrari heute mit Verstappen mithalten können", bekräftigt Stella. "Aber die Aufteilung zwischen diesen Autos überrascht mich doch. Das hatte ich so nicht erwartet. Aber Sainz untermauert die Theorie, dass die Pace heute von den Reifen dominiert wurde, denn normalerweise ist der Unterschied der Autos zwischen McLaren und Mercedes definitiv nicht so groß."

"Es geht mehr darum, mit den Reifen umzugehen, denn wenn man nach zehn Runden den Reifenabbau im Vergleich zu jemand anderem halbiert, kann das Auto anscheinend drei, vier Zehntel schneller sein, nur weil man viel weniger Abbau hat. Ich denke also, es hat mit der Anomalie eines sehr einzigartigen Reifenverhaltens hier in Australien zu tun."

Auch da lohnt sich der Blick in die Daten, der zeigt, dass kein Team so große Reifenprobleme im Rennen hatte wie Red Bull. Mit einem durchschnittlichen Reifenverschleiß von 0.110 Sekunden pro Runde war in dieser Disziplin keiner schlechter als Sergio Perez. McLaren im Vergleich dazu schonte die Reifen am besten mit einem Verschleiß von nur 0.044 Sekunden pro Runde und auch Ferrari mit einem Wert von 0.063 Sekunden pro Runde hatte die Reifen deutlich besser im Griff als Red Bull.

Weiche Reifen und glatter Asphalt = Gift für Red Bull?

Kann es also sein, dass Red Bull mit den Reifen mehr auf glatten Asphaltböden strauchelt und stärker mit Graining zu kämpfen hat? "Ich muss sagen, wenn Sie jemanden kennen, der genug Fachwissen hat, um diese Situationen klar und deutlich zu erklären, würde ich ihn sofort einstellen", antwortet Stella im Interview auf diese Frage.

"Denn es ist so ... Wenn wir an Bahrain denken, da war Red Bull das einzige Auto, das die weichen Reifen problemlos nutzen konnte. Aber in Bahrain hat man überhaupt kein Graining. Es gibt keine Möglichkeit, dass du Graining bekommst, weil du nicht genug Grip hast, um die Reifen zu belasten und den Gummi so zu strapazieren, dass er Graining erzeugt."

"Hier herrschen aber ganz andere Bedingungen als in Bahrain. Dennoch würde ich sagen, dass es nicht einfach ist, diese Angelegenheit vom technischen Standpunkt aus zu betrachten und zu sagen: 'Oh, es ist ganz klar, was wir am Auto machen müssen, um in Bahrain und hier [in Melbourne] zurechtzukommen.' Sonst wäre jeder in einer guten Position. Es ist wirklich schwierig."

Red-Bull-Schwächen schon in Trainings sichtbar

"Ich weiß es also nicht, aber ich denke, selbst gestern im dritten Training, als Verstappen einen Longrun versuchte, war es kein guter Longrun. Und wir haben uns seine Reifen am Ende des Longruns angeschaut, sie waren nach 10 bis 15 Runden so ziemlich am Ende. Red Bull hatte offensichtlich keinen Vorteil, was die Reifenhandhabung auf einer Strecke betrifft, auf der die Reifen sehr weich sind."

"Es könnte aber sein, dass wir auf einer ähnlichen Strecke fahren und die Dinge tatsächlich etwas anders sind. Das ist eines der Probleme, die man als nichtlinear bezeichnen würde. Wenn man die Bedingungen ein wenig ändert, ändert sich die Lösung dramatisch. Das ist typischerweise bei Reifen der Fall", erklärt Stella.

Auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner bestätigt, dass man schon in den Freien Trainings gesehen hat, dass nicht alles so reibungslos wie sonst am RB20 verlaufen ist: "Wir hatten am Freitag zu kämpfen", sagt er. "Ich denke, das Team hat sich gut erholt, und Max hat gestern im Qualifying einen erstaunlichen Job gemacht. Und wir hatten begonnen, die Probleme zu lösen."


"Und auf den Runden bis zur Startaufstellung - ich glaube, es waren vier Runden bis zur Startaufstellung - berichtete er, dass er mit der Balance des Autos wirklich sehr zufrieden war. Wir haben also nie herausgefunden, ob wir diese Probleme endgültig gelöst haben. Ich denke, es war unbestreitbar, dass Ferrari an diesem Wochenende sehr, sehr stark war, und ich gratuliere Carlos, dass er so dominant gewonnen hat."

Horner klärt Ausfallursache: "Das ist frustrierend"

Was Horner dafür mit größerer Sicherheit sagen kann, ist die Ausfallursache von Verstappen, dessen hintere rechte Bremse sichtlich überhitzte und in der Boxengasse schließlich explodierte: "Ich denke, wir können sehen, dass es ein Problem gab, bei dem der Bremssattel die Bremse blockiert hat. Das passierte gleich zu Beginn des Rennens und man kann sehen, wie sich die Hitze aufbaut."

"Er hatte dort einen Rutscher und dann einen weiteren, der es Carlos ermöglichte, ihn zu überholen. Dann wollte er sich zurückkämpfen, aber er hatte einen weiteren Moment und dann sahen wir erst den Rauch und dann das Feuer. Das ist frustrierend, da es unser erstes mechanisches Versagen seit Australien vor zwei Jahren ist."