• 20.04.2006 14:29

Dassas: "Müssen eine Reihe Schlüsselfragen klären"

Neo-Renault-Teampräsident Alain Dassas im Interview über seine neuen Aufgaben, die Zukunft des französischen Rennstalls in der Formel 1 und mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Alain, seit wann befassen Sie sich mit der Formel 1?"
Alain Dassas: "Ich habe die Formel 1 schon immer mit großem Interesse verfolgt. 2000 handelte ich die Übernahme des Benetton-Teams durch Renault aus, dabei habe ich Flavio Briatore kennen gelernt. Seitdem war ich stets direkt oder indirekt in die geschäftlichen Verhandlungen mit Bernie Ecclestone eingebunden."

Titel-Bild zur News: Alain Dassas

Alain Dassas ist bei Renault Nachfolger von Teampräsident Patrick Faure

Frage: "Was umfasst Ihre neue Rolle als Präsident des Renault-Teams?"
Dassas: "Wie Sie wissen, managt Flavio das Team und die gesamten Rennaktivitäten mit großem Erfolg. Meine Rolle bezieht sich auf die finanziellen und wirtschaftlichen Aspekte, damit wir unsere mittel- und langfristigen Investitionen sinnvoll auf einer guten Datenbasis planen können. Daneben werde ich untersuchen, wie unser erfolgreiches Formel-1-Engagement zum Nutzen der gesamten Renault-Gruppe umgesetzt werden kann."#w1#

Gleich viel oder mehr Show für weniger Geld

Frage: "Wie sehen denn die finanziellen Perspektiven aus?"
Dassas: "Alle Grand-Prix-Teams, selbst Ferrari, möchten die Kosten ihrer Formel-1-Programme senken. Dabei müssen wir auf das richtige Gleichgewicht achten: Wir wollen den Unterhaltungswert unserer Show beibehalten oder steigern, das derzeitige technologische Wettrüsten aber eingrenzen."

"Im Moment trägt Renault 60 Prozent des Teambudgets, die übrigen 40 Prozent setzen sich aus Sponsoring und Fernsehgeldern zusammen." Alain Dassas

Frage: "Wie können die Kosten Ihrer Ansicht nach reduziert werden?"
Dassas: "Im Moment trägt Renault 60 Prozent des Teambudgets, die übrigen 40 Prozent setzen sich aus Sponsoring und Fernsehgeldern zusammen. Wir können unsere direkten Kosten senken und die Einnahmen aus Werbung und Fernsehrechten beibehalten. Die Neuverteilung der Fernsehhonorare eröffnet sogar die Möglichkeit steigender Einnahmen. Zwei wichtige Bereiche, in denen sich viel sparen lässt, sind Motorenreglement und Testfahrten. Die zukünftigen technischen Regeln müssen die Freiheiten der Teams stärker einschränken und uns erlauben, das angestrebte finanzielle Gleichgewicht zu erreichen."

Frage: "Welche Rolle spielt Renault bei diesen Kostensenkungsplänen?"
Dassas: "Renault verhandelt aus einer starken Position. Die durchschnittlichen Kosten der Topteams liegen zwischen 350 und 380 Millionen Euro, das Spitzenbudget übertrifft die 500-Millionen-Marke. Innerhalb dieser Gruppe rangiert Renault mit seinen Ausgaben bloß an fünfter oder sechster Stelle. Wir geben klar weniger aus als der Durchschnitt und gewinnen trotzdem Rennen und Titel. Das hat den anderen Teams stark zu denken gegeben."

Frage: "Dennoch kommen immer wieder Zweifel am langfristigen Bekenntnis von Renault zur Formel 1 auf..."
Dassas: "Wir haben uns bereits für 2008 eingeschrieben, wollen also weitermachen. Die meisten Renault-Mitarbeiter teilen die Leidenschaft für die Formel 1, und der Grand-Prix-Sport genießt weltweit höchste Aufmerksamkeit. Aber wir sind auch Realisten: Bevor sich ein großes Unternehmen langfristig bindet, braucht es nicht nur ein gutes Produkt - das wir haben -, sondern auch eine sinnvolle Kostenkontrolle. Bis Juni dürften wir die wirtschaftlichen Rahmendaten der kommenden Jahre kennen. Wenn wir die angestrebten Einsparungen erzielen, können wir auch sagen, wie es für uns langfristig in der Formel 1 weitergeht."

Konzernchef Ghosn gilt als eiserner Sparmeister

"Carlos Ghosn ist bereit, unser Formel-1-Programm weiterzuführen." Alain Dassas

Frage: "Heißt das, Konzernchef Carlos Ghosn hat ein Ultimatum gesetzt?"

Frage: "Welchen Nutzen zieht Renault überhaupt aus dem Formel-1-Engagement?"
Dassas: "Die Formel 1 ist ein wesentlicher Imagefaktor, besonders im Hinblick auf Qualität, Zuverlässigkeit und Technologie. Es ist schwierig, einen direkten Bezug zu den Verkaufszahlen herzustellen, aber es steht außer Frage, dass wir durch das Formel-1-Engagement unsere Markenbekanntheit in solchen Märkten steigern konnten, wo wir bislang noch schwach vertreten sind, und in unseren Kernmärkten unser Image verbesserten. Natürlich sind Motorsporterfolge auch wichtig für Stolz und Motivation der Mitarbeiter. Wir haben eine interne, bereichsübergreifende Arbeitsgruppe eingerichtet, die uns hilft, die Erfolge öffentlichkeitswirksam zu verwerten - von Marketing bis Merchandising, von unseren Roadshows bis zur Produktplanung."

Frage: "Worin sehen Sie die wichtigsten Herausforderungen des Teams bis 2007?"
Dassas: "Für 2007 müssen wir noch eine Reihe Schlüsselfragen klären - zunächst natürlich unser Fahreraufgebot und der Ersatz für Fernando Alonso. Zweitens steht die Verlängerung von Flavio Briatores Vertrag an. Dieser Punkt ist ungemein wichtig, und wir wollen alles tun, damit Flavio bleibt. Und schließlich müssen wir in puncto Sponsoren eine neue Phase einläuten. Im Zuge des Abschieds der Tabakindustrie aus der Formel 1 werden wir zum Beispiel den Finanz-, Logistik- und Elektroniksektor als mögliche Alternativen untersuchen."