• 20.10.2002 10:39

  • von Fabian Hust

Das letzte Kapitel in Allan McNishs Formel-1-Tagebuch

Zum wohl letzten Mal blickt Allan McNish in seinem Tagebuch ausführlich auf sein Formel-1-Wochenende zurück

(Motorsport-Total.com) - "Ich kam eine Woche vor dem Grand Prix in Japan an und verbrachte den ersten Samstag damit, mich von dem langen Flug zu erholen. Ich genieße es wirklich, in Japan zu sein. Es ist ein Land, das man mit keinem anderen vergleichen kann, mit einer sehr einzigartigen Kultur. Ich habe Tokio zum ersten Mal vor 12 Jahren besucht und seitdem hat es sich doch ein wenig verändert, leider hat es nach meinem Geschmack jetzt ein paar zu viele englische Zeichen. Es bleibt eine sehr lebhafte Stadt wo die westlichen Einflüsse nun sichtbarer sind ? ich sah einen Starbucks!"

Titel-Bild zur News: Allan McNish

Allan McNish lässt sein letztes Rennen Revue passieren

"Am folgenden Tag nahm ich an einer Formel-1-Demonstration auf einem Platz mit dem Namen 'Mega Web' teil, Toyotas großem Showroom in Tokio. Er hat seine eigene Teststrecke für neue Autos, einige virtuelle Shows, wo man verschiedene Autos fahren kann und im Toyota-Museum steht beinahe jedes Auto. Sie haben auch eine schöne Ausstellung anderer Marken, hauptsächlich besondere Stücke wie zum Beispiel Messerschmitts, V12 Jaguar E-Types und so weiter. Am Tag besuchen den Platz 10.000 Leute und auf Grund dieser Zahl ist es nicht verwunderlich, dass sie im Jahr rund 5,5 Millionen neue Autos verkaufen. Bei der Demonstration, an der ich teilnahm, fuhren wir einfach auf einer Gerade mit dem TF102 entlang, ließen die Räder durchdrehen und machten Donuts, um die Menschenmenge zu unterhalten."

Von intelligent machendem Rauch und besoffenen Tauben?

"Am Montag holte mich mein Jetlag ein und ich stand bis zum Mittag nicht auf. Es war ein großartiges Gefühl, für so lange Zeit im Bett zu sein, es ist schon Jahre her, dass ich so lange in ihm lag! Ich habe dann einen ziemlich lockeren Nachmittag genossen. Ich war schon rund 30 Mal in Japan, aber habe immer nur einen Tag damit verbracht, mir Sachen anzusehen, es ist schade, dass man sich nicht die Kultur angesehen hat, wenn man Zeit hat. Dieses Mal schaute ich mir einen alten Tempel an, dort gibt es ein Feuer, dessen Rauch einen intelligenter machen soll und es gab eine Menge Leute, die sich den Rauch zugefächert haben! Auf dem Boden saßen jede Menge Tauben, vielleicht konnten sie nach zu viel japanischem Wein nicht mehr laufen! Ich muss sagen, dass es ein schöner und friedlicher Platz war."

Technische Highlights und Sushi

"Als krasser Kontrast ging ich von dem Tempel nach Akihabra, die elektrische Stadt! Dort gibt es alles, was man sich an neuster Technologie und Gags kaufen kann. Leute mit einer Apathie gegen Technologie sollten da besser fernbleiben. Am Abend hatte ich eine super Sushi-Mahlzeit zusammen mit Kenju, einem Formel-1-verrückten Sushi-Chef, der sich um uns gekümmert hat. Am Dienstag nahm ich an einem Sponsoren-Dinner von Travelex in der British Embassy teil, dies ist die größte britische Botschaft in Tokio. Dort sah alles sehr britisch aus und jeden Moment hätte James Bond auftauchen können!"

Technik die begeistert?

"Am Mittwoch ging ich für eine Pressekonferenz zum 'Mega Web' zurück und nahm dann den Zug nach Nagyoa. Wir kamen in Nagoya an und fuhren einen neuen Toyota auf der Strecke für einen Magazin-Bericht. Das Auto hatte neben einer Satellitennavigation auch eine Rückfahrkamera, wo man sehen konnte, wogegen man fährt, hinzu kommt noch eine Kamera vorne. Auf der Strecke hat es angefangen zu piepsen, wenn man die weiße Seitenlinie überfuhr, und es geht automatisch aus, wenn man das will, das war cool!"

Suzuka ist eine von McNishs Lieblingsstrecken

"Donnerstag war unser erster Tag auf der Strecke. Wir sind der normalen Aufbau-Prozedur nachgegangen und sind die verschiedenen Streckenteile durchgegangen. Ich denke, dass Suzuka eine Mega-Strecke ist und mit ihren flüssigen Kurven und langen Gerade ist sie eine meiner Lieblingsstrecken. Sie hat alles, was man braucht, um für ein Auto und einen Fahrer eine Herausforderung darzustellen. Die Fans sind in Japan großartig, sie alle wedelten mit ihren Autogrammkarten und jubelten uns zu."

"Am Freitag hat wir ein paar besondere Gäste in der Garage. Die großen Bosse von Toyota kamen vorbei, um sich umzuschauen. Das waren Mr. Tomita (Vorsitzender der Toyota Motorsport GmbH und Managing Direktor), Dr. Saito (Vize-Präsident) und Mr. Cho (Präsident). Auf der Strecke arbeiteten wir wie üblich an der Balance de Autos und wählten den Reifen aus, mit dem wir fahren wollten. Es gab keine großen Probleme, was ein guter Start war."

Der große Crash im Qualifying

"Zum Qualifying kam Mr. Okuda (Toyotas Vorsitzender der Versammlung) an. Im Qualifying fand ich dann auf die harte Tour heraus, wie schnell und wild die Formel 1 ist. Am Ende der Runde kommt man kurz vor der letzten Schikane an die '130R', eine gewaltige Kurve wie die 'Eau Rouge' in Spa. Man kommt mit 305 km/h im höchsten Gang an und nimmt die Kurve mit 295 km/h, im Qualifying geht sie voll. Ich war auf einer guten Runde auf meinem zweiten Versuch, wenn man Ende der Kurve das Auto übersteuerte. Ich lenkte gegen, aber es drehte sich in die andere Richtung und dann ging es rückwärts in die Streckenbegrenzung. Ich schlug ein breites Loch in die drei Leitplanken, bevor das Auto aufstieg und richtig herum wieder landete."

Mit 69g verzögert

"Ich konnte selbst aussteigen, nachdem ich überprüft hatte, dass alles noch dort ist, wo es hingehört und noch funktionierte. Ich hatte nach dem Einschlag mit einer Verzögerung von 69g Glück gehabt. Die Ärzte waren sofort vor Ort und ich wurde zur Untersuchung weggebracht. Ich hatte eine kleine Verletzung am rechten Knie und eine üble Schwellung an der rechten Hüfte, aber das war es auch schon an 'Verletzungen'. Ich muss mich bei Max Mosley und Prof. Dr. Sid Watkins im Namen aller für die Arbeit bedanken, die sie über die Jahre hinweg gemacht haben, um den Motorsport sicherer zu machen."

Das Startverbot

"Am nächsten Tag durfte ich am Warm Up teilnehmen und ich fühlte mich im Auto wieder wohl, aber nach einer Untersuchung am Sonntagmorgen hatten die medizinischen Delegierten das Gefühl, dass mein Bein für ein zweistündiges Rennen in Suzuka nicht in Ordnung genug war und so konnte ich nicht starten! Da es mein letztes Rennen der Saison und mein letztes mit Toyota in der Formel 1 war, wollte ich mich mit einem Highlight verabschieden aber so stand ich dumm da."

"Ein schreckliches Gefühl"

"Für mich und das Team war es schade und auch für die ganzen Fans, die uns bei Toyotas Heimrennen sehen wollten. Es war ein schreckliches Gefühl, das Rennen anzusehen und nicht fahren zu dürfen, aber die Ärzte haben ihre Gründe und sie kennen unsere Körper wie die Ingenieure unsere Autos kennen und wir müssen ihre Entscheidung akzeptieren. Am Sonntagnachmittag verstand ich es, als das Adrenalin weg war und die Schmerzen kamen. Das war nicht der Kracher, mit dem ich die Saison beenden wollte!"

Das Fazit

"Am Montag war ich bei zwei Fan-Treffen und dann bei der Team-Party anlässlich des Endes der Saison. Es gab von allen sehr emotionale Reden, besonders von Ove Andersson. Ich muss sagen, dass ich eine Menge Freunde über die letzten vier Jahre hier gefunden habe, die ich bei Toyota verbracht habe. Es war schön, das Team über die Zeit zu einer Einheit zusammenwachsen zu sehen. Ich bekam dann mein Lenkrad in einer Showbox von Dr. Saito überreicht. Ich wurde noch einmal von Sid Watkins gecheckt und er betonte, dass ich okay werden würde. Ich war froh, das zu hören!"

"Meine erste Formel-1-Saison war wie ein Ritt auf der Achterbahn. Ich hoffe, dass ihr sie so sehr genossen habt wie ich auch. Ich freue mich jetzt auf die Zukunft und hoffentlich wird im Verlauf der nächsten paar Wochen alles fix."