• 16.06.2005 12:04

Das Indianapolis-Dilemma

Viel oder wenig Flügel: Die Teams müssen hinsichtlich der Aerodynamik in Indianapolis eine wichtige Grundlagenentscheidung treffen

(Motorsport-Total.com) - Ein Zauberwort für eine gute Leistung auf dem Formel-1-Kurs innerhalb der Anlage in Indianapolis ist die aerodynamische Effizienz. Die Autos wurden seit dem Kanada-Grand-Prix nur wenig verändert, aufgrund von Erfahrungswerten aus den Vorjahren ist es immerhin möglich, einige Bereiche, die die Aufhängungen, bereits im Vorfeld einzustellen.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Das Finden der richtigen Einstellungen ist in Indianapolis besonders schwer

Der Aerodynamik kommt auf dem amerikanischen Kurs aber die größte Bedeutung zu. Erschwert wird dies noch durch das neue Regelpaket, welches hinsichtlich für 2005 eingeführt wurde. Zahlreiche Zusatzflügel wurden verboten, Heck- und Frontflügel verloren an Effizienz. Für Alex Cinelli, einen Ferrari-Aerodynamiker, der zuvor schon bei Tyrrell und beim WilliamsF1 Team arbeitete, waren jene neuen Regeln ein kleiner Schock.#w1#

"Als die neuen Regeln kamen, waren wir etwas schockiert, denn wir verloren dabei viel Leistung. Es war daher eine interessante technische Herausforderung, diese Leistung so gut es ging zurückzuerkämpfen", erklärte er. Wie viel aerodynamische Leistung verloren ging, hat sich von Team zu Team und Auto zu Auto wohl unterschieden. "Aber wir wurden wohl am härtesten getroffen, da unser 2004er-Paket so effizient war."

Aerodynamikwerte schon fast wieder auf 2004-Niveau

Nur knapp ein halbes Jahr nach dem ersten richtigen Test mit der abgespeckten Aerodynamik dürfte ein Fazit auch die Regelmacher stutzig machen: "Wir haben fast den gesamten Verlust wieder gutmachen können", so Cinelli. "Aber es gibt noch einiges zu tun, um das Niveau von Ende 2004 vollständig zu erreichen, aber wir sind zufrieden mit den Fortschritten. Wir kamen dadurch auch auf viele neue Ideen."

Aber: "Noch gibt es einiges aufzuholen, die Arbeit ist nie beendet und man würde immer noch mehr haben wollen", fuhr er fort. "Man schaut sich alle Bereiche an, schätzt den Abtriebsverlust ab, wirft einen Blick darauf, wie sich die Balance verschoben hat und wie das Verhältnis zwischen Abtrieb und Luftwiderstand aussieht." Die Regeländerungen haben hier auch am Grundkonzept Modifikationen erfordert, da die bisherigen Erkenntnisse nur noch teilweise umsetzbar waren.

"Wir mussten neu beginnen und uns verschiedene Konzepte anschauen", erklärte er. "Vor den Änderungen war der Frontflügel so entworfen, dass er mit dem Rest des Fahrzeugs eine Einheit bildete - er war gut integriert. Nun sitzt der Heckflügel woanders, der Diffusor ist kleiner und der Frontflügel ist höher angebracht. Wir mussten daher völlig neue Ideen entwickeln, neue Teile bauen und sie testen. Zu Beginn haben wir hier große Schritte gemacht, nun wird das ganze Paket einer Feinabstimmung unterzogen."

Ungeachtet der Leistungsfähigkeit eines Aerodynamikpakets stehen die Teams in Indianapolis vor einem Dilemma. Die lange Vollgasphase entlang des Ovalteils der Strecke verleitet dazu, mit möglichst wenig Abtrieb zu fahren. Im engen Infield-Bereich würde sich diese Strategie aber rächen, denn hier würden die Fahrer liebend gern alle Flügel so steil wir möglich stellen.

Die Rundenzeiten unterscheiden sich bei beiden Lösungen nur wenig - entweder die Autos sind auf der Vollgaspassage schnell oder im Infield. Doch im Rennen spielt bei der Setupsuche die Tatsache eine entscheidende Rolle, dass man möglichst vor einem Konkurrenten bleiben möchte.

Knifflige Frage in Indy: Viel oder wenig Flügel?

"Für die Rundenzeiten sind die Geschwindigkeiten auf der Geraden sehr wichtig, denn diese Passage ist lang", so Cinelli. "Außerdem kann ein Fahrer, der auf der Geraden schnell ist, seine Position halten oder sogar andere überholen. Im Infield, wo er dann langsamer wäre, kann er die nachfolgenden Autos dennoch aufhalten, denn dort ist es wirklich schwer, einen Konkurrenten zu überholen. Fährt man aber zu viel Flügel, dann könnte man auf der Geraden überholt werden."

Doch die Frage des Abtriebs kann nicht isoliert betrachtet werden. Ein Auto mit wenig Abtrieb wird im Infield rutschen und so die Reifen vorzeitig verschleißen. Die Aufgabe der Kompromissfindung wird dadurch nicht einfacher. "Wir wissen aber, welche Geschwindigkeiten wir in Indy erreichen werden. Wir haben hierfür Simulationen und die Erfahrung aus den Vorjahren. Dabei spielt auch die Reifensituation eine Rolle, ebenso wie die Bremsen- und Motorkühlung."

Denkt man eine lange Gerade, so fällt einem auch das Stichwort Windschatten ein. Doch auch in Indianapolis zeigt dieses Phänomen zwei Gesichter: Zwar kann das nachfolgende Auto dem Vordermann im Luftloch einfacher folgen, doch die eigene Aerodynamik wird dadurch massiv gestört, ebenso die Luftzuführung zu den Öl-, Wasser- und Bremsenkühlungen. So kann es passieren, dass der Hintermann näher kommt, aber wegen der fehlenden eigenen aerodynamischen Effizienz nicht in dichtem Abstand folgen kann.

"Wir haben festgestellt, dass der Luftfluss über dem Auto reduziert ist", erklärte Cinelli die Ergebnisse eines speziellen Tests vor einigen Jahren. "Dabei gibt es zwei Effekte: Das Auto generiert weniger Abtrieb, und die Luft, durch die man fährt, ist nicht sauber, sondern hat Turbulenzen. Die Autos mögen das gar nicht. Durch die Turbulenzen wird noch weniger Abtrieb erzeugt, und das vorausfahrende Auto erzeugt sogar noch eine Aufwindbewegung. Die Luft trifft das hintere Auto also in einem Winkel, für das es nicht gedacht ist."