• 08.06.2008 22:22

  • von Dieter Rencken

Das große Siegerinterview mit Mario Theissen

BMW Motorsport Direktor Mario Theissen analysiert den Doppelsieg seines Teams in Kanada und lobt die Leistung seiner beiden Fahrer

(Motorsport-Total.com/Premiere) - Es ist vollbracht: Im neunten Jahr seit dem Formel-1-Einstieg - zuerst als Motorenpartner von Williams - konnte BMW heute in Montréal dank Robert Kubica und Nick Heidfeld den ersten Sieg feiern, und zwar doppelt! Nach dem Rennen analysierte BMW Motorsport Direktor Mario Theissen diesen Triumph, den er sich auch zu sehr großen Teilen an die eigene Brust heften darf.

Titel-Bild zur News: Mario Theissen

"Super-Mario" Theissen mit dem Pokal für den Sieg beim Kanada-Grand-Prix

Frage: "Herr Theissen, bei der Siegerehrung lief die deutsche Nationalhymne. Wie war das für Sie?"
Mario Theissen: "Das war sehr speziell! Es war das erste Mal, seit wir in der Formel 1 sind. Für das neue Team ist es eine ganz tolle Sache, im dritten Jahr - im 42. Rennen - erstmals ganz oben zu stehen."#w1#

Ziel Grand-Prix-Sieg erfüllt

Frage: "Sie haben sich ja mit dem Ziel, 2008 den ersten Grand Prix gewinnen zu wollen, selbst unter Druck gesetzt. Sie haben ja auch Vorstände, denen Sie berichten müssen. Wie viele Steine fallen einem da von den Schultern?"
Theissen: "Das ist gar nicht mal so sehr das Problem - der Druck kommt von innen. Wir haben uns selbst vorgenommen, dieses Jahr ein Rennen zu gewinnen. Dass es allerdings gleich ein Doppelsieg wird, war nicht geplant."

"Robert hatte zusammen mit Kimi den schnellsten Stopp." Mario Theissen

Frage: "Wie haben Sie den kuriosen Zwischenfall mit Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen beim Boxenstopp gesehen?"
Theissen: "Zunächst mal muss man sagen: Robert hatte zusammen mit Kimi den schnellsten Stopp, er stand rechts neben ihm. Lewis Hamilton war als Erster in die Boxengasse gefahren, hat aber offenbar irgendwo Zeit verloren. Er übersah dann im Gegensatz zu den beiden vor ihm, dass die Ampel rot war, dass man also nicht rausfahren durfte, und dadurch ist er Kimi hinten drauf. Nico Rosberg fuhr wiederum Lewis Hamilton hinten drauf - und damit waren zwei Autos eliminiert. Nico musste sofort wieder reinkommen, um einen neuen Flügel zu holen."

Frage: "Wenn Hamilton Kubica hinten draufgefahren wäre, wäre das nicht so lustig für Sie gewesen..."
Theissen: "Das wäre eher unangenehm gewesen, ja!"

Frage: "Bekommt der Fahrer in so einer Situation nicht vom Team die Warnung, dass die Ampel rot ist? Oder muss er selbst gucken?"
Theissen: "Er muss gucken, denn wir können das vom Kommandostand gar nicht sehen. Es ging ja auch nur um zwei oder drei Sekunden, bis die Ampel grün wurde. So eine Situation mit der Ampel hatten wir ja schon mal im letzten Jahr. Offensichtlich ist es wieder passiert. Ich freue mich, dass Robert damals wie heute richtig entschieden hat."

Heidfelds Einstoppstrategie war nicht geplant

Frage: "In Runde 29 kam Nick Heidfeld zum Boxenstopp. Der Stopp war problemlos, dauerte aber 12,4 Sekunden..."
Theissen: "Wir hatten ihn eigentlich auf einer Zweistoppstrategie, haben aber dann während der Safety-Car-Phase gerechnet, dass es sich ausgehen könnte, dass er mit nur einem Stopp durchfährt. Das war ein Risiko, weil wir überhaupt nicht wussten, ob diese weichen Reifen mehr als 40 Runden durchhalten. Nick hat das hervorragend gemanagt, hat die Reifen über die Distanz gebracht - und zwar zum Schluss auch noch mit guten Rundenzeiten.

Frage: "Wer hat diesen Strategiewechsel entschieden?"
Theissen: "Unser Chefstratege Mike Krack zusammen mit dem Technischen Direktor Willy Rampf."

"Nick hatte einen randvollen Tank." Mario Theissen

Frage: "Heidfeld konnte sich dann nach dem Stopp nur kurz vor Kubica halten. Warum?"
Theissen: "Nick hatte einen randvollen Tank, während Robert sehr schnell unterwegs war, fast leer war - und dadurch viel später bremsen konnte."

Frage: "Hat Heidfeld Kubica vorbeigelassen?"
Theissen: "Nein. Er hat so spät gebremst, wie es mit dem Gewicht möglich war."

Frage: "War es klar, dass ihn Heidfeld vorbeilässt?"
Theissen: "Es war auf jeden Fall klar, dass wir keinen Crash haben wollen! Da gilt schon die Grundregel: Kein Kontakt zwischen BMW."

Frage: "Was sagen Sie zur Leistung von Heidfeld?"
Theissen: "Das war eine ganz starke Leistung von ihm. Nick ist mit seiner Strategie ein starkes Rennen gefahren. Er war im ersten Stint sehr schnell unterwegs und er hat es geschafft, mit den weichen Reifen die längste Periode von allen Autos zu fahren. Es würde ihm aber helfen, wenn die Qualifyings besser wären."

Nach den Boxenstopps war alles klar

Frage: "In Runde 49 dann der zweite Boxenstopp von Kubica."
Theissen: "Das war der geplante zweite Stopp. Er war inzwischen vorne so weit weggefahren, dass er die Spitze halten konnte. Daran sieht man, um wie viel schneller er war zu dem Zeitpunkt. Damit war aus unserer Sicht alles getan, um das Rennen zu gewinnen. Das einzige Risiko, das es danach noch gab, war eine weitere Safety-Car-Phase."

Mario Theissen, Nick Heidfeld und Robert Kubica

Mario Theissen gratulierte auch dem zweitplatzierten Nick Heidfeld Zoom

Frage: "Wie war es dann, als Kubica über die Ziellinie fuhr? Sie sind ja der Chef des Siegerteams..."
Theissen: "Das war ein tolles Gefühl. Es war ja nicht nur Robert, sondern auch Nick. Ich wurde am Funk vergattert, den Mund zu halten, bis auch der zweite Fahrer über die Ziellinie ist, um ihn nicht zu stören, aber da gab es dann schon ein paar Sprüche!"

Frage: "Wie groß war die Erleichterung, dass es endlich mit dem Sieg geklappt hat?"
Theissen: "Wir haben das Team vor zweieinhalb Jahren gestartet, es ging also relativ schnell - das 42. Rennen. Das war ein Meilenstein nach vielen, die wir schon hatten - es geht einfach ordentlich voran. Wir hoffen natürlich, dass wir diese Form weiter ausbauen können, denn jetzt liegen wir mitten im Kampf um die vordersten Plätze."

Frage: "Sie führen nun die Fahrer-WM an..."
Theissen: "Ich habe keine Ahnung, wie es steht, aber sicherlich nicht schlecht. In der Teamwertung sollte es auch ganz ordentlich aussehen."

Frage: "Spekulieren Sie nun schon mit dem WM-Titel?"
Theissen: "Das Ziel ist das nächste Rennen."

Frage: "Nun werden Sie sicher die Nacht zum Tag machen, nicht war?"
Theissen: "Ja, ich denke schon. Wir werden sicher nicht mehr heute nach Hause fliegen!"