• 29.02.2008 15:22

  • von Roman Wittemeier

Das große 'Motorsport-Total.com'-Phrasenlexikon

Speziell bei den Testfahrten vor Saisonbeginn ist der Formel-1-Wortschatz begrenzt. Die häufigsten Piloten-Aussagen und was sie wirklich bedeuten

(Motorsport-Total.com) - Wie verpacke ich meinen Frust am besten, ohne das Team zu blamieren, die Presse heiß zu machen und die Sponsoren zu verschrecken? Die Frage mussten sich viele Formel-1-Stars in der Wintertestsaison fast täglich stellen - und fast alle gaben sie die gleichen Antworten. Einige Fahrer-Aussagen wurden häufiger wiederholt, als der "Dinner for One"-Klassiker am Silvesterabend. 'Motorsport-Total.com" hat die Piloten-Phrasen für sie analysiert und übersetzt:

Titel-Bild zur News:

Wenn die Fahrt beendet ist, geht der Interview-Marathon los

Phrase: "Wir haben eine gute Basis."

Mein Lieblingsbeispiel und zugleich der wohl am häufigsten ausgesprochene Satz, nachdem die Teams und Fahrer ihre neuen Boliden zu ersten Erkundungsfahrten geschickt hatten. Diese fünf Worte verdecken die Enttäuschung darüber, dass das neue Fahrzeug nicht von Anfang an Siegpotenzial gezeigt hat. Der Satz drückt zugleich die Hoffnung aus, dass vielleicht doch noch alles gut werden könnte. Aber die Realität zeigt: Ein klappriger alter Opel Corsa ist auch nach Unterbodenwäsche, Reifenwechsel, Hochglanzpolitur und Radiosendersuchlauf ein klappriger alter Opel Corsa. Und wichtig: die Basis ist immer unten. Steht so im Lexikon.

Wahre Bedeutung: "Das Auto ist kein Brüller und wir bauen es erstmal komplett um."#w1#


Phrase: "Wir müssen hart arbeiten."

Mir kommen vor Mitleid die Tränen. Die Formel-1-Teams spielen auf der größten Motorsport-Bühne weltweit. Nicht von ungefähr spricht man von der Königsklasse, die Gehälter der Menschen in vorderster Reihe sind mindestens ebenso royal. Eine solche Aussage müsste so manchem wirklich hart arbeitendem Menschen den Blutdruck in die Höhe schnellen lassen. Gleichzeitig bringt die Phrase indirekt zum Ausdruck, dass man möglicherweise auf der faulen Haut gelegen hat. Winterschlaf? Sicher nicht. Vielmehr fördert die Aussage eine gewisse Hilflosigkeit zutage.

Wahre Bedeutung: "Das Auto ist kein Brüller und wir wissen auch nicht, woran es liegt."


Phrase: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung."

Rubens Barrichello

Kopf hoch: es gibt ja Standard-Floskeln, um es zu erklären Zoom

Die Formel 1 lebt - wie alle Dinge des Lebens, die auch nur ansatzweise etwas Modernes anhaften haben - vom Fortschritt. Fortschritt bedeutet Bewegung und im Grand-Prix-Zirkus sollte diese Bewegung möglichst schnell vonstatten gehen. Der Satz deutet also zumindest mal auf eine Teilstrecke hin, die auf dem Weg zu einem Ziel zurückgelegt werden muss. Immerhin hat er zum beruhigenden Inhalt, dass sich etwas tut. Was aber keinesfalls damit vertuscht werden kann, ist das mangelnde Tempo der Entwicklung. Die Formel 1 schreitet nicht, sie läuft auch nicht - sie rast.

Wahre Bedeutung: "Das Auto ist kein Brüller und wir sehen zu, dass wir nicht durchgereicht werden."


Phrase: "Wir müssen das Auto noch besser verstehen."

Was hat das Team denn da gebaut, fragt man sich - ein Rennfahrzeug oder ein Tamagotchi? Um es mal aus medizinischer Sicht zu betrachten: der Patient hat irgendwo einen physiologischen oder psychologischen Defekt, nur kann er seine Probleme nicht lokalisieren. Wir kennen das Phänomen von Kindern beim Fußballspiel: der kleine Kevin bekommt den Ball ins Gesicht und humpelt anschließend, dabei ist doch allen klar, dass dem kleinen Mann an den Extremitäten nichts fehlt. Es sollte den hoch qualifizierten Fahrzeugchirurgen der Formel 1 doch möglich sein, eine schnelle Diagnose abzugeben und entsprechend eine Behandlung in die Wege zu leiten. Immerhin haben sie die Auto-DNA doch per Hand zusammengetüftelt.

Wahre Bedeutung: "Das Auto ist kein Brüller und wir wissen nicht, wie wir es hinbekommen sollen."


Phrase: "Wir hoffen auf Podiumsplatzierungen."

Mechaniker

Wie soll man das Auto verstehen, wenn man nichts sieht und hört? Zoom

Eine schöne Ablenkung von der Realität auf den Zeitenmonitoren, hat auch nichts mit Understatement zu tun. Man versteckt sich in Notzeiten gerne in der Masse, um nicht als potenzielles Opfer von Kritikern allein da zu stehen. Im Grunde ist die Phrase eine Nullaussage, denn die Hoffnung auf Podiumsplatzierungen verbindet alle Formel-1-Teams, ohne Ausnahme. Gleichzeitig versprüht man verbal den Duft von Erfolg, um Sponsoren zu betören und Fans zu mobilisieren.

Wahre Bedeutung: "Das Auto ist kein Brüller, aber vielleicht haben wir ja Glück."