Das große Interview mit Peter Sauber
Peter Sauber erklärt, warum er keine Probleme mit seiner neuen Rolle im BMW Sauber F1 Team hat und was ihn am Motorsport so fasziniert
(Motorsport-Total.com) - Der Name Sauber gehört zum Motorsport und speziell zur Formel 1 wie einst Lotus, Arrows oder Tyrrell. BMW hat das Schweizer Team übernommen, den Namen des Gründers jedoch in der Teambezeichnung beibehalten. Peter Sauber ist bei mindestens zehn Rennen vor Ort und erlebt den Aufstieg des von ihm ins Leben gerufenen Rennstalls als dessen Berater mit.

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Peter Sauber ist als Berater weiterhin bei den meisten Formel-1-Rennen vor Ort
Im Gespräch am Rande der Ennstal-Classic in Österreich beantwortet Sauber Fragen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des BMW Sauber F1 Teams und der Formel 1 allgemein.#w1#
Kein Bezug zu alten Autos
Frage: "Herr Sauber, Sie sind zum ersten Mal Gast bei der Oldtimerrallye Ennstal-Classic. Ich nehme einmal an, dass Sie zu Hause auch einige Schmuckstücke stehen haben?"
Peter Sauber: "Wenn Sie das Stichwort Oldtimer sagen, dann werden Sie vielleicht überrascht sein, denn bei mir gibt es eigentlich keine Oldtimer. Ich habe die meisten meiner Formel-1-Autos zu Hause und auch ein paar Sportwagen, aber ich habe zu diesen Fahrzeugen nicht die gleiche Beziehung wie jemand, der einen Oldtimer hat und diesen hegt und pflegt. Ich hatte nie Zeit, zurückzublicken und mich mit dem Gemachten zu beschäftigen. Mein Blick musste immer nach vorne gerichtet sein, in der Formel 1 sowieso. Also gibt es bei mir diese Liebe zu alten Autos nicht. Die gab es aber auch vorher nicht."
Frage: "Und wie sieht es bei neuen Autos aus?"
Sauber: "Für mich ist das Auto in erster Linie ein Transportmittel. Bei den neuen Autos bin ich natürlich froh, wenn ich ein gutes, ein sicheres und ein bequemes habe, das ist klar. Also ich kann Autos durchaus auseinander halten, aber es ist nicht so, dass bei mir nun allzu viel Benzin im Blut ist."
Frage: "Ich kenne das. Ich sehe Straßenautos auch eher als Transportmittel und da wundern sich manche Leute auch darüber."
Sauber: "Ich bin ganz zufällig zum Motorsport gekommen und hatte darum diese Affinität nicht von Anfang an."
Frage: "Was hat Sie am Motorsport fasziniert?"
Sauber: "Nachdem ich nicht aus der Autobranche oder dem Motorsportbereich komme, war das am Anfang ein Basteln. Mit der Zeit wurde daraus ein Basteln auf einem technisch hohen Niveau. So hat sich das über Jahre entwickelt, ich habe ja schon im Jahr 1970 begonnen. Dann kam natürlich schon die Begeisterung dazu. Wenn Sie mich fragen, was mich am Motorsport begeistert hat, dann hat mich vermutlich damals - ich kann das rückblickend nicht so genau sagen - das Gleiche fasziniert, was junge Leute heute an Motorsport fasziniert: Diese doch einmalige Kombination aus einer hoch stehenden Technik, aus Sport - und wenn ich die Formel 1 betrachte, ist es schon Spitzensport für die Piloten - und Zirkus. Diese Kombination - Zirkus, Sport und Hightech -, das ist doch etwas ganz, ganz Spezielles, das man in dieser Zusammensetzung sonst nicht findet."
In den 1990ern entwickelte sich die Formel 1 am schnellsten
Frage: "Nur hat sich dieser Zirkus immer weiter von den Leuten entfernt beziehungsweise kommen die Fans nicht mehr so nahe an diesen Sport heran. Was sagen Sie zu dieser abgeschlossenen Formel-1-Welt, die für den Zuschauer großteils außer Reichweite liegt?"
Sauber: "Die Technik hat sich rasant entwickelt - vor allem in der Zeit, als wir in die Formel 1 eingestiegen sind, das war 1993. Damals hat sich die Technik unglaublich entwickelt. Und damit sind natürlich auch die Kosten gestiegen. Die Autos wurden immer kostspieliger - es hat immer mehr Leute gebraucht, um sie zu warten. Es sind heute rund 80 Mann auf dem Platz, um das Formel-1-Team zu betreiben. Das hat mehr Platz gebraucht und man musste auch mehr absperren. Das Interesse an der Formel 1 ist ganz einfach viel zu groß, als dass man die Fahrerlager öffnen könnte. Sie sind bewacht, der Zuschauer kann nicht mehr rein. Der Zuschauer ist zu weit von den Fahrzeugen und natürlich auch von den Piloten entfernt."
"Man versucht heute bereits, dass in der einen oder anderen Art und Weise zu verbessern, indem man am Donnerstag oder am Freitag Pitwalks macht, sodass die Zuschauer mit den normalen Tickets wenigstens einmal durch die Boxengasse laufen und auch einmal in die Boxen hineingucken können. Das BMW Sauber F1 Team leistet mit dem Pit Lane Park einen großen Beitrag, um den Fans mehr Nähe zu vermitteln. Es handelt sich dabei um eine Erlebniswelt, die Formel 1 zum Anfassen bringt. Die Fans können Räder wechseln, auftanken, Simulator fahren, Autogramme von unseren Piloten holen und sie sehen ein Formel-1-Auto im Einsatz."
Frage: "Also empfinden Sie das auch so?"
Sauber: "Gut, wir sind damit groß geworden, ich bin jetzt seit 15 Jahren in der Formel 1 und man gewöhnt sich natürlich an solche Zustände. Es würde auch anders nicht funktionieren."
Frage: "Ihr Team ist das Aufsteigerteam schlechthin: von Platz acht im Jahr 2005 auf Platz fünf im Jahr 2006 auf Platz drei in der aktuellen Marken-WM. Wie erklären Sie sich diesen Aufstieg? Woran liegt es?"
Sauber: "Der Grund, warum sich BMW entschlossen hat, die Mehrheit des Teams zu übernehmen, war ganz sicher die Empfehlung von Mario Theissen, das zu tun. Mario Theissen wusste, dass das Team in Hinwil eine sehr gute Basis hat, von der Infrastruktur her. Wir haben einen Windkanal, der - wenn er nicht der beste ist - sicher zu den besten gehört. Und auch die restliche Infrastruktur ist sehr gut. Und natürlich sind auch die Ingenieure sehr gut. Nur: Wir waren einfach viel zu klein. Von der Belegschaft her und auch von den Gebäuden her, da war einfach zu wenig Platz vorhanden."
50 Prozent mehr Mitarbeiter dank BMW
"Durch die zusätzlichen Mittel, die wir jetzt dank BMW haben, konnten wir uns innerhalb kürzester Zeit vergrößern. Wir waren in der Formel 1 ungefähr 280 Mitarbeiter, als der Zusammenschluss stattfand - es sind heute ungefähr 420. Das sind 50 Prozent mehr Mitarbeiter. So konnte man zum Beispiel den Windkanal statt in einer Schicht in drei Schichten betreiben, also rund um die Uhr. Da kommen dann wesentlich mehr brauchbare Teile heraus. Das Wichtigste ist heute die Aerodynamik. Jetzt ist es natürlich nicht nur das Geld, auch der Name BMW hat uns sehr geholfen. Wenn Sie heute gute Leute suchen, ist es ganz sicher von Vorteil, wenn man ein Werk im Rücken hat."
Frage: "Es war ja sicher auch ein Kompliment oder eine Ehre für Sauber, nach dem britischen Traditionsteam Williams den Zuschlag von BMW zu bekommen?"
Sauber: "Ich denke, es ist Mario Theissen primär sicherlich um die Substanz gegangen. Das Sauber-Team gibt es ja schon lange. Auf der anderen Seite glaube ich, dass es auch einfacher ist mit einem Team aus der Schweiz als mit einem Team aus England."
Frage: "Weil die Briten doch ihren Stolz haben, ihre Tradition im Motorsport und weil sie geneigt sind zu sagen: 'Wir lassen uns nicht sagen was zu tun ist!'?"
Sauber: "Ja, das ist richtig. Die Kulturen im Motorsport sind schon sehr verschieden, die sind in England sehr speziell. Die Engländer haben in diesem Bereich ein ausgeprägtes Selbstvertrauen."
Frage: "Sie haben vorhin den Windkanal erwähnt. Es scheint ja zurzeit ein Riesenproblem zu sein, wenn ein Team einen neuen Windtunnel in Betrieb nimmt. Da hört man laufend von Problemen mit dem Kalibrieren, dass der Windkanal falsche Daten ausspuckt. Wie war das bei Ihrem Windkanal? War das auch so problematisch?"
Sauber: "Unser Windkanal ging auf Anhieb gut - es gab ein paar Details, die man noch verbessern musste, da der Windkanal von seiner Dimension her ja neu war. Er ist doch relativ groß."
Frage: "Der größte überhaupt?"
Sauber: "In der Formel 1 ist er mit einer der größten. Aber das ist nicht entscheidend. Entscheidend sind die ganzen technischen Details, die darüber entscheiden, wie genau die Resultate sind. Und da gab es schon das eine oder andere anzupassen, aber diese Anpassungsphase war nur kurz. Das dauerte vielleicht ein knappes Jahr."
Die Aerodynamik und das Überholen
Frage: "Man gibt Millionen von Euro für die Aerodynamik aus, aber zugleich sagen die Fahrer immer wieder, dass sie wegen der Aerodynamik, wegen der 'Dirty Air' im Heck eines Vordermanns, nicht wirklich an diesen heranfahren können und es deshalb sehr schwer sei, einen Gegner zu überholen. Man gibt also viel Geld für etwas aus, das den Sport an sich eigentlich einschränkt."
Sauber: "Gut, man kann nicht sagen, es ist die Aerodynamik, die das Überholen verhindert. Solange wir Flügel am Auto haben, die das Auto auf den Boden drücken, ist es natürlich so, dass Turbulenzen entstehen, wenn ich mich dem vorderen Fahrzeug nähere und meine Flügel nicht mehr gut angeströmt sind. Aber das liegt in der Natur der Sache."
"Es ist zum Beispiel unmöglich, dass zwei Flugzeuge in kurzem Abstand hintereinander starten, das geht einfach nicht. Oder dass ein kleines Flugzeug kurz nach einem großen startet - da ist die Turbulenz zu groß. Das ist in der Formel 1 sehr ähnlich. Das ist nicht der Fehler der Aerodynamik, das liegt an der grundsätzlichen Überlegung. Wenn ein Formel-1-Auto keine Flügel mehr hätte, dann würde es wesentlich langsamer um die Kurven fahren, es würde einen viel längeren Bremsweg haben - aber dann hätte man diese Probleme in den Kurven deutlich minimiert."
Frage: "Nur ist die Aerodynamik so etwas wie die 'Heilige Kuh' der Formel-1-Teams. Da stecken jetzt alle ihr Geld rein, manche haben ja sogar schon drei Windkanäle laufen."
Sauber: "Sie ist ein entscheidender Teil der Formel 1 geworden, mit einem ganz anderen Umfang als in der Vergangenheit."
Frage: "Welchen Prozentanteil würden Sie der Aerodynamik am Erfolg des BMW Sauber F1 Teams geben?"
Sauber: "Das ist sehr schwer in Prozenten abzuschätzen, aber auf jeden Fall ist die Aerodynamik heute schon das wichtigste Element in der Formel 1. Wir haben den Motor, wir haben ein Schnellschaltgetriebe, wir haben die ganze mechanische Balance und eben die Aerodynamik - und dabei nimmt die Aerodynamik sicher einen Anteil von 50 Prozent ein."
Neuer und alter Teamname ehrt Sauber
Frage: "Als BMW Ihr Team übernommen hat, hätte man es ja auch einfach BMW F1 nennen können. Haben Sie sich den Namen BMW Sauber F1 Team vertraglich zusichern lassen oder war das eine Art Verneigung vor Ihrer Arbeit, dass man Ihren Namen in der offiziellen Teambezeichnung behielt?"
Sauber: "Das war eine Entscheidung von BMW. Die hatte mit uns oder mit mir gar nichts zu tun. BMW wollte das so. Das ist auf der einen Seite sicher ein Kompliment an mich, das freut mich auch. Aber es freut mich vor allem auch für das Team. Denn das Team war mit dem Namen sehr stark verbunden - und auch die ganze Region, wo die Firma ihre Niederlassung hat. Das ist schon schön, dass das Team so weiter geführt wird, aber das war eine Entscheidung von BMW."
Frage: "Und Sie haben jetzt wieder Anteile zurückgekauft?"
Sauber: "Nein, nein, es war von Anfang an so vereinbart, dass ich zumindest für eine gewisse Zeit noch mindestens 20 Prozent der Anteile halte, was doch relativ viel ist."
Frage: "Sie sind immer noch bei den Rennen dabei."
Sauber: "Ich besuche noch zehn Grands Prix pro Saison, das ist ein Teil des Vertrages. Ich betreue dort vor allem Vorstandsmitglieder, wenn diese zu den Rennen kommen. Ich habe noch die Verträge verlängert mit den zwei großen Sponsoren, die schon bei uns waren - auf der einen Seite Petronas, auf der anderen Seite die Bank Credit Suisse. Und wenn da die wichtigen Leute kommen, dann nehme ich mich derer an. Aber das wichtigste ist, dass ich operativ mit der Firma nichts mehr zu tun habe. Denn das wäre schlecht. Ich habe also kein Büro in Hinwil. Und ich habe auch wenn ich bei den Rennen bin keine operative Funktion. Das ist eine reine Beraterfunktion - ich habe mit dem Team, mit BMW, einen Beratervertrag. Wenn man mich dort wünscht, dann stehe ich zur Verfügung."
Frage: "Ich nehme an, dass es jetzt, wo es Erfolge gibt, nicht so schwierig ist, aber angenommen es würde einmal nicht so gut laufen, wäre es dann nicht schwierig für Sie, nicht mehr sagen zu können, was zu passieren hat?"
Sauber: "Also jetzt ist das sicher eine angenehme Aufgabe, wenn es aufwärts geht - vor allem wenn es schneller aufwärts geht als man erwartet hat. Aber Sie können sicher sein: Ich habe mit dem anderen keine Mühe, denn wir sind öfter durch schwierige Zeiten gegangen."
Beraterrolle hat ein Ablaufdatum
Frage: "Werden sie auch in den kommenden Jahren der Formel 1 erhalten bleiben? Weil Sie einfach vom Herzen her nicht wirklich loskommen von der Formel 1? Kann man das so sagen?"
Sauber: "Da geht es um die Frage, ob BMW mich weiter als Berater haben will. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich so etwas noch zehn Jahre lang machen möchte - ich glaube, das wäre dann doch zu lang. Aber im Moment macht mir diese Aufgabe Spaß. Ich habe mit dem Team eine so gute Verbindung, die nach wie vor intensiv ist, die aber nur ganz klar bis zu einem bestimmten Punkt reicht. Es war für mich am Anfang nicht klar, ob das einfach wird. Ich hatte vorher die gesamte Verantwortung - und die ist jetzt komplett weg."
Frage: "Ich stelle mir das schwierig vor."
Sauber: "Das ging überraschend gut. Da hilft es ganz sicher, dass es im Moment sehr gut läuft."
Frage: "Werden Sie den dritten Rang in der Konstrukteurswertung halten können?"
Sauber: "Ich glaube, man kann den halten. Man muss da schon vorsichtig sein, aber im Moment helfen uns ja auch unsere Konkurrenten ein bisschen dabei (schmunzelt; Anm. d. Red.). Renault kommt im Moment nicht so richtig vorwärts, aber sie wollen, so habe ich gehört, für Budapest ein rundum erneuertes Auto bringen. Lassen wir uns einmal überraschen."
Frage: "Renault hat vor allem Probleme bei der Reifenumstellung, oder?"
Sauber: "Es sind zwei Dinge, es sind nicht nur die Reifen. Ich glaube, man darf das Weggehen von Fernando Alonso nicht unterschätzen. Das spüren die ganz sicher."
Frage: "Ist das jetzt als ein Kompliment für Fernando Alonso gedacht?"
Sauber: "Auf jeden Fall ist das ein Kompliment für den Alonso. Was fehlt Renault? Das sind zwei bis drei Zehntelsekunden. Und für diese zwei bis drei Zehntelsekunden war Alonso gut."
Frage: "Er war ja auch immer oder sehr oft um einen Tick schneller als Giancarlo Fisichella."
Sauber: "Ja."
Frage: "Mit Ihren Piloten sind Sie zufrieden, nehme ich an."
Sauber: "Ja, die Fahrer sind sehr gut."

