• 17.06.2005 13:28

Das große Interview mit Danica Patrick

In Indianapolis stand gestern IRL-Amazone Danica Patrick den Medien Rede und Antwort - Formel 1 der Traum der jungen Amerikanerin

(Motorsport-Total.com) - 23 Jahre alt, bildhübsch, schnell: Danica Patrick ist seit ihrer Führung und dem vierten Platz bei den legendären 500 Meilen von Indianapolis der neue Superstar der nordamerikanischen Rennszene. Gestern besuchte sie für einen Tag die Formel 1 - und stahl prompt allen Arrivierten die Show. Zahlreiche Journalisten drängten sich um die schnellste Frau der Welt, die insgeheim schon lange von der Formel 1 träumt.

Titel-Bild zur News: Danica Patrick

Knallharte Racing-Lady - und doch auch nur ein Mädchen: Danica Patrick

Frage: "Danica, verfolgst du die Formel 1?"
Danica Patrick: "Ich verfolge sie bis zu einem gewissen Grad schon mein ganzes Leben lang - vor allem, als ich in England gelebt habe und dort Rennen gefahren bin. Damals kannte ich viele Fahrer und ich war immer auf dem Laufenden. Was bei den IndyCars passiert ist, wusste ich hingegen nicht. Jetzt hat sich das natürlich verändert, denn klarerweise weiß ich, was sich bei den IndyCars tut, aber zur Formel 1 habe ich ein bisschen den Draht verloren. Ich werde die Formel 1 aber immer mit einem Auge verfolgen. Ich würde es lieben, einmal mit einem Formel-1-Auto zu fahren, denn die Dinger sollen erstaunlich sein. Das sagt man mir zumindest. Außerdem haben sie im Gegensatz zu den IndyCars eine Servolenkung..."#w1#

Patrick verbrachte drei Jahre in Großbritannien

Frage: "Haben dir die Jahre in Großbritannien gut getan?"
Patrick: "Es war notwendig. Ich habe dabei viel über mich selbst gelernt - vielleicht als Persönlichkeit sogar mehr als als Fahrerin. Ich habe alleine gelebt. Über das Rennfahren habe ich nicht einmal allzu viel gelernt, denn wir haben aus irgendwelchen Gründen an den Autos nur selten etwas verändert. Eine Situation, wo jemand hinter mir gestanden wäre und mir erklärte hätte, dass ich dieses und jenes ändern muss, um schneller zu werden, hat es nie gegeben. Ich habe aber gelernt, wie man das Maximum aus einem Auto herausholt - und wie gesagt, vor allem habe ich viel über mich selbst erfahren."

Frage: "Ist die Formel 1 dein Karriereziel Nummer eins?"
Patrick: "Mein wichtigstes Ziel ist, dass ich glücklich bin. Das Leben ist zu kurz zum Unglücklichsein. Wenn ich in die Formel 1 gehen würde, dann nur zu seinem sehr konkurrenzfähigen Team, mit dem man Rennen gewinnen kann. Alles andere wäre für mich ja ein Rückschritt. Ich bin nur glücklich, wenn ich vorne bin und gewinnen kann. Bei den IndyCars ist das für mich im Moment möglich. Wenn ich also einmal über die Formel 1 nachdenken werde, dann sicher sehr sorgfältig, denn ich will es nur machen, wenn ich eine Chance auf Siege habe."

Frage: "Wie würdest du dich fühlen, wenn es doch einmal mit der Formel 1 klappen sollte?"
Patrick: "Ich denke, es wäre sehr schön, denn es würde dann ja auf der Entscheidung basieren, dass es ein großartiges Team wäre. Für mich als Rennfahrerin wäre das sehr erfüllend."

Formel 1 "aus Fahrersicht bestimmt nicht langweilig"

Frage: "Man sagt oft, dass die Formel 1 im Vergleich zu den amerikanischen Rennserien langweilig ist..."
Patrick: "Ich glaube nicht, dass es langweilig ist, ein Formel-1-Auto zu fahren, aber ich kann es natürlich nicht beurteilen, weil ich es noch nie gemacht habe. Als Rennfahrerin weiß ich aber, dass es schwierig ist, immer das Maximum aus einem Auto herauszuholen. In der IRL sind wir sehr bedacht darauf, dass die Bremsen nicht so gut sind, wie sie sein könnten, denn dadurch werden die Bremszonen länger und man kann besser überholen. In der Formel 1 ist die Technik hingegen so fortgeschritten, dass für Überholmanöver kaum Platz ist. Deswegen denken vielleicht manche Leute, dass die Formel 1 langweilig ist, aber aus Fahrersicht ist sie das bestimmt nicht."

Frage: "Einige Beobachter glauben, dass du eigentlich nie in die Formel 1 wolltest..."
Patrick: "Nein, das stimmt nicht. Ich bin nach England gegangen, um dort Rennen zu fahren, und damals war ich total auf die Formel 1 fixiert. Ich habe sie verfolgt, alles darüber gewusst. Gleichzeitig bin ich jetzt aber nicht unglücklich hier. Ich liebe es, hier Rennen zu fahren. Hier bin ich zu Hause."

Frage: "Ist dir bewusst, wie viel Aufmerksamkeit dir seitens der Medien momentan zuteil wird?"
Patrick: "Jetzt gerade, wenn sich so viele Journalisten um mich drängen, schon irgendwie. Ich weiß schon, dass die Aufmerksamkeit sehr hoch ist, aber sie ist nicht überall mit hier zu vergleichen. Es ist aber in jedem Fall erstaunlich."

"Als Rookie muss man nun mal lernen"

Frage: "Wird dir der ganze Rummel manchmal zu viel?"
Patrick: "Es ist ab und zu schon eine Herausforderung, mit allen Anfragen fertig zu werden. Von positiven Berichten in Sportmagazinen bis hin zu potenziell negativem Mist in der Boulevardpresse ist mir alles untergekommen in den letzten Wochen. Ich selbst fühle mich sehr wohl damit, wie ich bin, ich weiß, dass ich noch viel lernen muss. Ich weiß auch, dass ich dieses Jahr Erfolg haben werde, aber es wird auch Rückschläge geben. Aber ganz egal, wie die Saison weiter verlaufen wird: Sie ist in jedem Fall ein Erfolg, denn als Rookie muss man nun mal lernen."

"Ich versuche mich gar nicht darum zu kümmern, wie groß die Aufmerksamkeit der Medien ist oder wie viele Leute Fotos von mir machen. Um ständig erfolgreich und konzentriert bleiben zu können, kann man es sich gar nicht leisten, sich auf den Medienrummel zu konzentrieren. Natürlich bekomme ich manchmal mit, was sich um mich herum tut, aber das ist vielleicht gar nicht so ideal. Ich muss meine Arbeit machen. Die Leute müssen dann auch mal verstehen, dass ich nicht immer Zeit haben kann."

Frage: "Bist du während deiner Zeit in Europa einmal gegen einen der heutigen Formel-1-Piloten gefahren?"
Patrick: "Leider nicht, nein. Ich kam ein Jahr zu spät, um gegen Jenson (Button; Anm. d. Red.) zu fahren. Aber nein, ich kann mich nicht erinnern, dass ich je gegen einen von ihnen angetreten bin. Ich kenne aber einige von ihnen. Gegen Anthony Davidson bin ich mal gefahren, glaube ich. Er ist ein talentierter Kerl."

"Bewundere Schumacher für sein Talent und seinen Antrieb"

Frage: "Welche Formel-1-Fahrer bewunderst du besonders?"
Patrick: "Solche Fragen sind immer schwer zu beantworten. Ich bewundere Michael Schumacher für sein Talent und für seinen Antrieb, immer weiter zu machen. Er hat so viele Rennen und Meisterschaften gewonnen, dass ich mir - ich bin schließlich nicht in dieser Position - gar nicht vorstellen kann, wie man sich an seiner Stelle fühlen würde. Er macht aber unbeirrt weiter. Dafür bewundere ich ihn."

Frage: "Hast du ein Vorbild?"
Patrick: "Das ist eine lustige Frage, denn ich hatte eigentlich nie ein Idol oder jemanden, dem ich ähnlich sein wollte. Ich hatte immer ein starkes Gefühl, dass ich die erste Danica Patrick sein würde und niemand anderes. Klar habe ich mir von manchen Fahrern etwas abgeschaut. Ein paar Leute habe ich auch getroffen und mir Ratschläge geholt, aber ich hatte nie von einem Rennfahrer ein Poster an der Wand. Daher kann ich diese Frage nicht beantworten."

Frage: "Wann werden wir dich in der Formel 1 sehen?"
Patrick: "Bis jetzt hat mich noch niemand angerufen..."

"Reine Geschwindigkeit an sich ist mir relativ egal"

Frage: "Was bedeutet dir Geschwindigkeit?"
Patrick: "Solange ich schneller bin als alle anderen, ist das okay, aber die reine Geschwindigkeit an sich ist mir relativ egal. Ich fahre nicht Rennen, weil es mir um die Höchstgeschwindigkeit geht. In Indianapolis sind wir im Qualifying 380 km/h schnell oder sogar noch schneller, aber deswegen fahre ich keine Rennen. Ich mache das wegen der Herausforderung und wegen des guten Gefühls, wenn man ein Ziel erreicht. Geschwindigkeit ist natürlich wichtig, aber nur dazu, um schneller zu sein als die Konkurrenz."

Frage: "Was bedeutet dir Ferrari?"
Patrick: "Ein großartiges Auto, das ich mir im Moment nicht leisten kann! Nun ja, vielleicht könnte ich das sogar. Es ist in der Formel 1 eines der Teams, wo man sich genau überlegt, was man sagen würde, wenn sie wirklich einmal anrufen sollten. Sie sind ein konkurrenzfähiges Team. Man kann es sich aber nicht erkaufen, dass sie anrufen, und man kann es nicht erzwingen. Es wäre aber ein großes Kompliment."

Frage: "Hast du manchmal das Gefühl, dass du wegen des Rennsports etwas von deiner Jugend versäumt hast?"
Patrick: "Ich habe nie etwas opfern müssen und habe nie etwas versäumt. Zumindest habe ich es nie so gesehen. Ich bin Rennfahrerin geworden, weil ich das wollte. Ich habe nie zurückgeschaut und mich auch nie gefragt, was ich alles versäumt haben könnte. Alles ist sehr positiv."

"Die ersten Frauen im Motorsport hatten es schwer"

Frage: "Warum gibt es so wenige Frauen im Motorsport und keine in der Formel 1?"
Patrick: "Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, das ist einzig und allein von der jeweiligen Person abhängig. Die Fahrerin muss aufgeregt und dafür bereit sein, eine gute Chance bekommen - nur dann kann es klappen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht genau, was in England und Europa vor sich geht, wie es anderen Frauen ergeht, und ich weiß nicht, wie nahe eine andere Frau dran ist, es in die Formel 1 zu schaffen. Was mich angeht, muss ich mich wiederholen: Ich bin auch sehr glücklich damit, wo ich im Moment bin. Die ersten Frauen im Motorsport hatten es natürlich schwer, weil sie keiner von den Männern akzeptiert hat. Ich muss aber sagen, dass sich das geändert hat, denn in Indianapolis gab es zum Beispiel niemanden, der nicht mein T-Shirt oder mein Autogramm haben wollte. Es hat wohl auch ein bisschen mit den Fans zu tun, denke ich."

Frage: "Wie möchtest du von den Leuten gesehen werden?"
Patrick: "Als eine Rennfahrerin, die hart fährt. Ich denke, dass ich das auch bin. Das ist auch der Grund dafür, dass die Aufmerksamkeit dermaßen gestiegen ist, denn die Leute bekommen das mit. Sie haben mein Überholmanöver, mit dem ich in Indianapolis fünf oder zehn Runden vor Schluss in Führung gegangen bin, mitbekommen. Das macht Rennfahrer aus - und so bin ich. Von daher war es sehr gut für mich, dass ich in Indianapolis konkurrenzfähig war."

Erster IRL-Sieg wird "früher oder später" passieren

Frage: "Was fehlt dir noch, um in der IRL dein erstes Rennen zu gewinnen?"
Patrick: "Ich weiß nicht. Ich war bis jetzt bei sechs Rennen am Start, habe zwei davon angeführt. Jetzt wäre halt wichtig, auch einmal in der letzten Runde zu führen. Früher oder später wird es passieren."

Frage: "Wie bist du als kleines Mädchen eigentlich zum Motorsport gekommen? Hast du auch andere Sportarten ausprobiert?"
Patrick: "Ich habe als Kind alles ausprobiert - ich bin manchmal gestürzt, habe Basketball gespielt, war Cheerleader und vieles mehr. Ich habe auch mit Barbies gespielt. Dann hatte ich das Glück, mit zehn erstmals in einem Kart gesessen zu sein, und das habe ich von Anfang an geliebt, denn ich mag es, wenn ich mich verbessern kann, und die Zahlen auf der Stoppuhr lügen nicht. Daher war das eine sehr aufregende Erfahrung für mich. Den Rennsport habe ich in dem Alter noch nicht wirklich verfolgt. Erst nach zwei Jahren oder so habe ich dann mitbekommen, dass es auch außerhalb meiner Kartbahn Rennsport gab. Ich habe mir aber meistens nur die IndyCars angeschaut, denn die Formel 1 ist wegen der Zeitverschiebung bei uns ja nachts."

Frage: "Du hast dich schon einmal für das Männermagazin 'FHM' fotografieren lassen. Bereust du das im Nachhinein?"
Patrick: "Es hat Spaß gemacht. Ich würde nie etwas tun, was ich später einmal bereuen könnte. Es ist mir auch nicht peinlich, denn manchmal hat es mir in meiner Karriere möglicherweise schon weitergeholfen. Sie hatten ein Special über Geschwindigkeit, von dem ich ein Teil war. Es hat funktioniert und viel Aufmerksamkeit erregt. Jetzt kann ich mir solche Angebote aussuchen. Was ich einmal tun möchte, ist ein Mode-Fotoshooting, denn schließlich bin ich ja doch ein Mädchen! Ich möchte hübsch sein, schöne Haare haben und das Make-up sauber gemacht wissen. Das gehört auch zu meiner Persönlichkeit."