"Das Gegenteil gemacht": Verliert Leclerc nach Q2-Aus die Geduld mit Ferrari?

Charles Leclerc ist nach seinem Q2-Aus in Montreal sauer - Weil Ferrari ihm einen Wechsel auf Slicks verwehrt, bringt man sich in eine unnötig schwere Situation

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich galt Charles Leclerc nach dem dritten Training als Mitfavorit auf die Poleposition beim Großen Preis von Kanada 2023. Da hatte der Ferrari-Pilot mit 0,291 Sekunden Rückstand auf Max Verstappen auf nasser Strecke den zweiten Platz belegt.

Titel-Bild zur News: Charles Leclerc beim Formel-1-Rennen in Kanada 2023

Charles Leclerc schied am Samstag in Montreal bereits in Q2 aus Zoom

Im Qualifying herrschten dann ganz ähnliche Bedingungen, doch am Ende wurde es für Leclerc nur ein enttäuschender elfter Startplatz. Doppelt bitter: Hätte Ferrari auf den Monegassen gehört, wäre das Aus in Q2 wohl vermeidbar gewesen.

Doch der Reihe nach: Q1 beendet Leclerc noch auf P5 und schafft problemlos den Einzug in Q2. Doch dort nimmt das Drama seinen Lauf. Leclerc geht, wie fast alle anderen Piloten auch, zu Beginn von Q2 auf Intermediates auf die noch immer feuchte Strecke.

Lediglich Williams-Pilot Alexander Albon pokert und setzt von Anfang an auf Slicks. "Es sieht ziemlich trocken aus. Da ist eine Linie, die wirklich trocken ist. Wann kommt der Regen?", möchte der Monegasse am Funk kurz nach dem Start von Q2 wissen.

"In sechs bis sieben Minuten", antwortet sein Renningenieur Xavier Marcos Padros. Wenige Sekunden später meldet sich Leclerc am Funk erneut und erklärt: "Ich denke, wir sollten auf Soft wechseln. Aber lasst es mich wissen, wenn ich eine Rundenzeit setzen soll."

Ferrari fordert Rundenzeit auf Intermediates

Die Antwort der Box: "Wir würden gerne eine Rundenzeit setzen. Wir bleiben also draußen und fahren eine gezeitete Runde." Leclerc beginnt also eine Runde, funkt aber bereits nach kurzer Zeit: "Jungs, es trocknet ab." Die Reaktion der Box: "Wir müssen eine Rundenzeit setzen."

Leclerc fährt also ein weiteres Mal über die Linie und setzt eine Zeit, so wie die meisten anderen Fahrer auch. Der Ferrari-Pilot fährt eine 1:20.615, die ihn zunächst auf Platz fünf bringt. Danach kommen fast alle Piloten rein, um auf Slicks zu wechseln - auch Leclerc.


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Doch während die anderen sich danach verbessern können, gelingt Leclerc das auf den weichen Reifen nicht. Er fährt eine 1:21.895, danach eine 1:21.440 und eine 1:20.824. Nach drei gezeiteten Runden kommt Leclerc zurück an die Box.

Zu diesem Zeitpunkt ist er bis auf Rang elf zurückgefallen. Weil der Regen inzwischen wieder stärker geworden ist, fährt Leclerc noch einmal auf Intermediates für einen letzten Versuch raus. Dort unterläuft ihm allerdings ein Fehler und das Aus in Q2 ist besiegelt.

"Die Reifen waren nicht bereit, kommt schon", funkt Leclerc genervt. Das Endergebnis von Q2 zeigt, dass die erste Intuition des Monegassen korrekt war. Denn die Bestzeit geht am Ende an Albon, der als einziger Pilot gleich zu Beginn auf Slicks gesetzt hatte.

Leclerc: Treffen zu oft die falschen Entscheidungen

"Wenn die Strecke so trocken ist und wir auf Intermediates bleiben, dann machen wir unser Leben nicht leichter", ärgert sich Leclerc nach dem Qualifying bei 'Sky' und kritisiert: "Wir treffen in diesen schwierigen Situationen oft die falschen Entscheidungen."

"Wir werden das wieder mit dem Team besprechen, aber wir müssen jetzt einen Schritt nach vorne machen, weil es nicht das erste Mal ist, dass das passiert", so der Monegasse. Erst beim vergangenen Rennen in Barcelona hatte das Team einen Reifenwunsch Leclercs ignoriert.

In Kanada nun also ein ganz ähnlicher Vorfall. "Ich hatte eine klare Meinung und eine klare Intuition. Wir haben aber das Gegenteil gemacht. Es war natürlich zuerst schwierig, das zu akzeptieren. Man bringt sich selbst in eine sehr schwierige Situation", so Leclerc.


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"Ab diesem Moment ist es uns entglitten", berichtet er und erklärt, es sei klar, dass man zu spät auf Slicks gewechselt habe. "Alex [Albon] hat es gemacht und ist früher als alle anderen auf die Slicks gegangen. Und das war eindeutig die richtige Entscheidung."

Laut seiner Aussage wäre es kein Risiko gewesen, die Trockenreifen aufzuziehen. "Aus irgendeinem Grund hat das Team anders entschieden", zuckt er die Schultern und stellt klar: "Wir müssen besser sein. Wir können es uns nicht leisten, diese Fehler noch einmal zu machen."

Leclerc gesteht jedoch auch: "Allerdings lag es nicht nur daran, denn andere Fahrer haben es auch geschafft, mit der exakt gleichen Strategie wie ich in Q3 zu kommen. Aber wir machen uns unser Leben einfach viel zu schwer."

Hätte Leclerc auf Slicks bestehen sollen?

Denn in der Tat verbesserten sich andere Piloten auf den Slicks noch, was Leclerc nicht gelang. Doch hätte das Team gleich auf ihn gehört, wäre man vermutlich gar nicht erst in diese Situation gekommen. Hätte Leclerc seinem Wunsch am Funk also mehr Nachdruck verleihen sollen?

"Ich habe gesagt, was ich denke. Ich kann nicht für eine ganze Runde diskutieren, denn ich muss fahren, meine Runde vorbereiten und so weiter. Ich muss es einfach akzeptieren und damit klarkommen. Aber ich habe gesagt, was ich machen will", stellt er klar.

Auf die Frage, wie es nun weitergehe, antwortet er: "Ich werde das selbst intern klären. Ich möchte nicht sagen, was passieren wird. Aber natürlich wird es ein Gespräch und eine Analyse geben. Hoffentlich werden wir gestärkt daraus hervorgehen, denn es ist jetzt schon einige Male passiert."


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"Ich muss verstehen, welches Ziel damit verfolgt wurde. [...] Denn die Strecke war trocken", so Leclerc, der erklärt: "Man kann nicht alles mitbekommen, was auf der Strecke vor sich geht. Aber wenn man sieht, wie schnell [Albon] war, hätten wir uns vielleicht zweimal überlegen sollen, ob wir reinkommen."

Durch den späteren Wechsel habe man sich selbst "in eine beschissene Situation" gebracht. Er ärgert sich auch deshalb so über das verpatzte Qualifying, weil er am Freitag "eine wirklich gute Pace" gehabt habe. "Hoffentlich haben wir morgen ein sauberes, trockenes Rennen", so Leclerc.

"Aber es war wieder ein sehr schwieriger Samstag und wir gehen immer mit einer großen Aufgabe in den Sonntag", erklärt er und betont: "Von P11 aus wird es nicht einfach werden, zurückzukommen. Ich bin sehr frustriert." Und das nicht zum ersten Mal ...