• 22.03.2011 14:29

Danner: "Mercedes spielt im WM-Kampf keine Rolle"

Christian Danner ist kein Freund des neuen technischen Reglements - Lob für Pirelli - McLaren und Mercedes im Hintertreffen

(Motorsport-Total.com) - Christian Danner bestritt zwischen 1985 und 1989 insgesamt 36 Formel-1-Läufe. Seit 1998 ist er als Co-Kommentator für 'RTL' tätig. Am kommenden Wochenende wird er an der Seite von Heiko Waßer beim Saisonauftakt im australischen Melbourne wieder im Einsatz sein.

Titel-Bild zur News: Christian Danner

Christian Danner steht vor seiner 14. Formel-1-Saison als Kommentator

Im Interview spricht Danner über den Effekt der neuen Regeln, das zu erwartende Kräfteverhältnis sowie die aktuelle Lage bei Mercedes, McLaren und Red Bull unmittelbar vor dem Saisonstart.

Frage: "Herr Danner, beschreiben Sie doch zunächst bitte die allgemeine Ausgangslage vor dem Start in die neue Formel-1-Saison."
Christian Danner: "Die Ausgangslage ist perfekt vom deutschen Standpunkt her gesehen. Wir haben Vettel, wir haben Rosberg und Schumacher und damit gleich ein paar Favoriten am Start. Und die Großwetterlage ist auch ganz klar: die Spannung bleibt."

Frage: "KERS ist wieder eingeführt worden, dazu kommen in dieser Saison die verstellbaren Heckflügel. Wie finden Sie das?"
Danner: "Ich persönlich bin kein besonderer Freund von KERS. Da wird der Formel 1 ein leicht grüner Hauch aufgezwungen, der aber eigentlich überhaupt nicht grün und überhaupt nicht Öko ist. Ein Energierückgewinnungssystem ist generell natürlich in Ordnung, aber das System, so wie wir es haben und wie es alle jetzt letztendlich fahren, ist alles andere als ökologisch einwandfrei."

"Diese Ansammlung von Knöpfen, die die Fahrer entweder mal betätigen dürfen oder betätigen müssen oder eben nicht dürfen oder können - mir persönlich ist das etwas zu viel. Das ist alles sehr kompliziert. Davon bin ich kein großer Freund, aber die Herausforderung wird natürlich für die Piloten noch größer und schwieriger und so gesehen ist es für uns, die das Ganze beobachten und für die Zuschauer eine sehr spannende Geschichte. Wer schafft das? Wer kriegt das gebacken?"

Frage: "Sehen Sie denn ein konkretes Gefahrenpotenzial bei der Vielzahl von Bedienungselementen?"
Danner: "Im Prinzip besteht die Gefahr hauptsächlich darin, dass einmal der falsche Knopf gedrückt wird beziehungsweise dass die Bedienung falsch läuft. Dass das dann gleich gefährlich ist, glaube ich nicht. Die Piloten werden sich im Laufe der Saison ganz gut daran gewöhnen können, auch wenn es ihnen anfangs mit Sicherheit nicht so leicht fällt."

Frage: "Ist der Einsatz dieser Hilfsmittel innerhalb einer Runde für die Zuschauer überhaupt nachvollziehbar?"
Danner: "Für die Zuschauer ist es nachvollziehbar. Der KERS-Verbrauch wird grafisch angezeigt, beim Verstellen der Heckflügel sieht man sehr deutlich, wenn der Spalt sich öffnet."

Lob für Pirelli

Frage: "Die neuen, leicht abnutzbaren Pirelli-Reifen sorgen im Vorfeld für viel Wirbel..."
Danner: "Pirelli könnte natürlich einen einfachen, harten Reifen bauen, der das ganze Rennen über hält. Aber der Mut, den die hatten, das nicht zu tun, ist ein sehr spannender Ansatz. Das ist eine echte Herausforderung für die Fahrer, was ihren Fahrstil angeht, für die Ingenieure, was die Abstimmung angeht und für die Strategen, was die Boxenstoppstrategie angeht. Dadurch wird die Formel 1 spannender und unberechenbarer, dafür kann man Pirelli eigentlich nur dankbar sein."

Frage: "Hat Sie die Performance von Mercedes und speziell von Michael Schumacher am Ende der Testfahrten überrascht oder war das absehbar?"
Danner: "Es hat mich nicht überrascht, aber wie viel diese Zeiten Wert sind, ist die nächste Frage. Ich glaube nicht, dass das Auto ein Auto ist, mit dem man um die Pole Position fahren kann."

Frage: "Sehen Sie Mercedes über die gesamte Saison dennoch in der Lage, vorn mitfahren zu können?"
Danner: "Ich glaube nicht, dass Mercedes im Kampf um die WM eine Rolle spielen wird. Ich glaube, das wird sich zwischen Red Bull und Ferrari abspielen. Mercedes ist ein Top-10-Auto und wird sich unter Umständen auch verbessern im Vergleich zum vergangenen Jahr. Das Auto ist jetzt drei Zehntelsekunden schneller als der Sauber von Sergio Perez, um es auf den Punkt zu bringen. Ob das reicht, um Red Bull zu schlagen, das glaube ich einfach nicht."

Frage: "Hinkt das Auto in seiner Entwicklung möglicherweise doch wieder hinterher?"
Danner: "Sie haben sehr früh mit der Entwicklung begonnen, deswegen kann man hier nicht von Hinterherhinken sprechen. Ich bin mir aber sicher, dass Red Bull einfach die genialeren Köpfe an der Ingenieursregierung sitzen hat und das ist an der Spitze nun einmal Adrian Newey. Daran werden sich nicht nur Ross Brawn, sondern auch alle anderen die Zähne ausbeißen. Der Mann ist einfach Extraklasse."

McLaren und Mercedes im Hintertreffen

Frage: "Wie schätzen Sie den Status quo bei McLaren ein?
Danner: "McLaren ist sehr schwer einzuschätzen, nachdem sie große Zuverlässigkeitsprobleme hatten und auch Probleme, sich auf eine endgültige Version des Autos zu einigen. Die kommen über kurz oder lang ganz sicher, aber im Moment haben sie noch ein bisschen Probleme."

Frage: "Setzen Sebastian Vettel und Mark Webber ihr enges und mitunter emotionales Stallduell auch 2011 fort?"
Danner: "Sportlich auf alle Fälle, denn Mark Webber wird mit Sicherheit nicht viel langsamer sein, das heißt, er wird auf Augenhöhe mit Vettel fahren. Ich glaube aber nicht, dass es diesmal interne Reibereien geben wird. Wenn das Team sich fair verhält gegenüber Vettel und Webber, indem man beiden dasselbe Material gibt, wird sich relativ bald herauskristallisieren, dass die zwei doch eigentlich ganz gut miteinander klarkommen."

Frage: "Gibt es bei Mercedes eine geheime Hierarchie?"
Danner: "Bei Mercedes gibt es zumindest nach Norbert Haug keine Hierarchie. Das wird wieder ein offener Schlagabtausch werden zwischen Michael Schumacher und Nico Rosberg."

Frage: "Wen sehen Sie im Vorteil?"
Danner: "Ich sehe ganz klar den Rosberg als den schnelleren der beiden. Der wird die Nase vorne haben."