• 22.11.2006 18:53

Colin Kolles im ausführlichen Interview

Der Teamchef über die vergangene Saison, den Verkauf an Spyker, die Fahrer, die Entwicklung des 2007er-Autos, Politik in der Formel 1 und viele weitere Themen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Für Sie war es ein ziemlich arbeitsreiches Jahr gewesen - Sie bauten das Team auf, dann folgte der Verkauf an Spyker und im Hintergrund gab es zudem jede Menge Politik in der Formel 1. Wie sehen Sie dies?"
Colin Kolles: "Es war ein arbeitsreiches Jahr, aber das Wichtigste war es gewesen, das Team zu stabilisieren und ich denke, dass es im Moment ganz stabil ist. Meiner Meinung nach wird jeder besser und arbeitet enger zusammen. Dies war mein Hauptziel, zunächst einmal das Reinemachen und dann das Stabilisieren. Das Unternehmen ist im Moment finanziell sehr stark aufgestellt."

Titel-Bild zur News: Colin Kolles

Colin Kolles hat am Ende der Saison einiges zu erzählen

"Nun haben wir daran zu arbeiten, ein paar Erfolge zu erzielen. Die Realität ist, dass null Punkte eben null Punkte sind! Wir hatten ein paar gute Rennen, in denen wir konkurrenzfähiger waren und einen Punkt hätten holen können. Aber wenn man sich zwischen dem 16. und dem 22. Platz qualifiziert, dann ist dies nicht ausreichend."#w1#

Das Glück war dieses Jahr nicht auf der Seite des Teams

Frage: "Wie viel besser ist das Team nun im Vergleich zu 2005?"
Kolles: "Im vergangenen Jahr holten wir mehr Punkte als dieses Jahr! Ironischerweise ist dies die Situation. Aber ich kann Ihnen sagen, dass das gesamte Team viel besser ist. Wir hatten in Indianapolis im vergangenen Jahr besondere Umstände und wir kamen in die Punkte. Man hat Rennen wie diese nicht in jedem Jahr. Leider hatten wir in diesem Jahr auch kein Rennen in Spa. Tiago war 2005 Achter und Jordan war in der Vergangenheit immer stark."

Ärger über die Minardi-Übernahme durch Red Bull

Frage: "Natürlich ist es das Problem, dass sich alle anderen immer verbessern, zum Beispiel wurde Minardi in Toro Rosso verwandelt..."
Kolles: "Dies sind die Fakten und mit ihnen muss man leben. Natürlich war ich nicht glücklich, dass jemand ein Auto erbte, auch wenn die Regeln etwas anderes sagen. Aber auch so bekamen sie nur einen Punkt und sie holten den Punkt durch Glück."

Tiago Monteiro

Mit dem M16 konnten die Fahrer nicht konkurrenzfähig sein Zoom

Frage: "Welcher Fortschritt war der M16 im Vergleich zum vorherigen Auto?"
Kolles: "Es war definitiv ein Schritt nach vorn. Wenn man sich von viereinhalb Sekunden Rückstand auf zwei Sekunden Rückstand verbessert, dann ist dies ein ganz ordentlicher Schritt. Vielleicht sehen dies Leute, die sich nicht die Details anschauen, nicht."

"Aber das ist natürlich nicht genug, denn die Position hat sich nicht verändert. Unser Problem waren definitiv nicht die Fahrer, es war unsere Aufgabe gewesen, ihnen ein besseres Auto zu geben! Ich bin überzeugt, dass die Fahrer mit einem besseren Auto die Ergebnisse für uns eingefahren hätten."

Mit seinen Fahrern war Kolles zufrieden

Frage: "Wie würden Sie die beiden Fahrer kurz vorstellen?"
Kolles: "Ich kenne Christijan seit langer Zeit und in meinen Augen ist er ein sehr schneller Fahrer. Er kann sehr gute Ergebnisse einfahren, wenn man ihm ein gutes Auto zur Verfügung stellt. Aber wenn man eine Waffe ohne Kugeln oder ein Messer hat, das stumpf ist, dann ist es nicht einfach!"

"Tiago ist eine sehr folgerichtige Person und ein sehr konstanter Fahrer. Wenn man sich seine Rennen anschaut, dann bringt er das Auto immer nach Hause. Wenn er dies mit einem Auto tun kann, das zwei Sekunden schneller ist, dann werden wir sehr froh sein, denn dann bekommt er Punkte."

"Junio-Programm" stellte den Teamchef zufrieden

Markus Winkelhock

Markus Winkelhock war einer der jungen Fahrer, die freitags fahren durften Zoom

Frage: "Sie hatten einige junge Fahrer freitags im dritten Auto, Adrian Sutil, Markus Winkelhock, Giorgio Mondini, Alexandre Premat und Ernesto Viso. Sind Sie zufrieden mit der Art und Weise, wie das Programm verlaufen ist?"
Kolles: "Ja, dies war etwas, mit dem ich persönlich sehr zufrieden war. Wir hatten Top-Fahrer aus der GP2, Top-Fahrer aus der Formel 3, Top-Fahrer aus der Renault World Series. Ich weiß nicht, welche andere Meisterschaft es gibt, die konkurrenzfähiger ist! Wir hatten also gute junge Fahrer im Auto sitzen. Ich denke definitiv, dass einige von ihnen in Zukunft in der Formel 1 zu finden sein werden, nicht zwangsläufig bei uns."

Fünf Minuten nach dem Erstkontakt begannen die Verkaufsgespräche

Frage: "Der Verkauf an Spyker war eine der Top-Stories des Jahres. Wie kam dies zustande?"
Kolles: "Es begann in Bahrain, als ich vom so genannten 'M-Konsortium' kontaktiert wurde und ich fragte sie, ob sie daran interessiert sind, Teil des Teams zu sein. Fünf Minuten später hatte ich mein erstes Treffen! Das Hauptproblem war es in den kommenden paar Monaten gewesen, beide Parteien an einen Tisch zu bringen und grundsätzlich eine Lösung zu finden."

Michiel Mol

Michiel Mol ist selbst ein großer Formel-1-Fan Zoom

Frage: "Wie begeistert sind Sie angesichts der Involvierung von Spyker?"
Kolles: "Ich habe schon immer gesagt, dass sie nicht der größte Automobilhersteller in der Welt sind, aber es ist ein sehr feiner Autohersteller und die Autos sind sehr schön. Das ist also eine gute Sache. Sie ist sehr positiv. Michiel Mol ist ein Formel-1-Enthusiast, er versteht die Formel 1 und das ist ebenfalls eine sehr positive Sache."

Die Heimkehr des Mike Gascoyne

Frage: "Was bringt Mike Gascoyne dem Team?"
Kolles: "Erfahrung, erfolgreiche Erfahrung. Ich denke, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Wir haben sehr gute junge Ingenieure, mit James Key als Technischen Direktor. Wir haben ein paar Verbesserungen gemacht, aber es ist nicht einfach, die nächsten zwei Sekunden zu finden! Dafür mussten wir den nächsten Schritt machen. Und aus diesem Grund brauchen wir die Hilfe von Mike, um zu versuchen, den Abstand auf die vorderen Teams mit seiner Erfahrung zu minimieren."

Mike Gascoyne

Mike Gascoyne ist wieder in seine "Heimat" zurückgekehrt Zoom

Frage: "In gewisser Weise ist es ja für ihn wie eine Heimkehr, denn er war ja in der Vergangenheit bei Jordan..."
Kolles: "Es ist eine komplett andere Situation im Vergleich zu Adrian Newey bei Red Bull. Mike kennt James schon seit langer Zeit und es ist so, als kehrt man zu einer alten Familie mit. Das ist meiner Meinung nach ein großer Unterschied."

Frage: "Wie wichtig ist der Motorendeal mit Ferrari?"
Kolles: "Er bringt uns natürlich Glaubwürdigkeit. Seitdem Midland von Jordan gekauft wurde, haben wir glaubwürdige Arbeit geleistet. Das Problem ist, wie es die Leute sehen. Wir haben nicht hunderte Millionen ausgegeben - wir entschieden uns, es mit einem Schritt-für-Schritt-Plan zu machen. Und ich denke, dass das Unternehmen nun sehr gesund ist. Schlussendlich ist dies die Basis für Erfolg."

Der Motor ist 2007 nicht mehr so bedeutsam

Frage: "Ist es ein gutes Gefühl, einen der Motoren zu haben, der um die Weltmeisterschaft gekämpft hat?"
Kolles: "Ich denke nicht, dass man die Weltmeisterschaft nur mit einem Motor gewinnt, vor allem im kommenden Jahr, wenn wir die Drehzahlbegrenzung haben. Meiner Meinung nach werden sich die Motoren nicht viel schenken. "

"atürlich hätte dies in diesem Jahr ohne den Limiter einen Unterschied ausgemacht. Es gab definitiv ein paar Teams, die bessere Pakete hatten. Aber so war es halt. Ich denke, dass wir ein effizientes Auto brauchen, und dann werden wir erfolgreicher sein."

Wie viel helfen die Reglementänderungen dem Team?

Frage: "Sie haben den Drehzahlbegrenzer genannt. Wie werden die anderen Regeländerungen, wie zum Beispiel das Testlimit, den kleineren Teams helfen?"
Kolles: "Das wird indirekt helfen. Die größeren Teams müssen den Testrestriktionen folgen und wir waren zuvor wegen unseres Budgets sowieso schon eingeschränkt. Für uns ist das also keine große Veränderung."

"Wir tun grundsätzlich das Gleiche wie zuvor, die Frage ist wie gut und wie schnell sich die größeren Teams anpassen können. Aus diesem Grund schauen sich viele Teams nach Partnerschaften um, wie Honda und Super Aguri und so weiter."

Christijan Albers

Das Team fuhr in diesem Jahr bereits mit Bridgestone-Reifen Zoom

Frage: "Hilft euch das Ende des Reifenkriegs, auch wenn Bridgestone in der Vergangenheit manchmal einen Vorteil hatte?"
Kolles: "Für uns ist es besser, nur einen Reifenhersteller zu haben. In den vergangenen zwei Jahren haben die Reifen den größten Unterschied ausgemacht und ich denke, dass die Zeitenabstände im kommenden Jahr viel kleiner ausfallen werden."

Frage: "Hilft es euch, jetzt wo das Reglement das Chassis und die Aerodynamik in den Vordergrund rückt?"
Kolles: "Und den Fahrern! Es hilft nicht kurzfristig aber mittelfristig. Ich denke, dass wir zu Beginn der Saison realistisch sein müssen. Wir werden sehen, was in der zweiten Saisonhälfte passieren wird. Wir werden definitiv Fortschritte machen, aber wir sprechen da nicht von einer halben Sekunde. Wir brauchen den Fortschritt von mindestens zwei Sekunden."

Frage: "Sie haben bestätigt, dass Christijan bleibt. Sind Sie froh, Kontinuität zu haben?"
Kolles: "Wir haben Christijan in der Türkei unter Vertrag genommen, dies war also eine Entscheidung, die sehr früh gefallen wurde, vor dem Kauf. Ich denke, dass es die richtige Entscheidung ist und nichts mit dem Spyker-Deal zu tun hat. Wir gehören zu einem holländischen Automobilhersteller, der in der ganzen Welt Autos verkauft. Das Team ist in Silverstone stationiert und das ist international. Nationalitäten sind für mich nichts Primäres."

Frage: "Wann werden wir vernehmen, wer der zweite Fahrer ist?"
Kolles: "Wie ich immer schon gesagt habe, haben wir verschiedene Optionen. Wir werden wohl bald eine Entscheidung fällen."

"Unterhaltsame" Politik

Colin Kolles

Colin Kolles hatte in den Meetings viel Spaß... Zoom

Frage: "Es gab in diesem Jahr eine Menge Debatten über die Zukunft des Sports. Sind Sie zufrieden, dass die Politik nun beseitigt wurde und nun alles friedlich scheint?"
Kolles: "Wir werden bis zum ersten Rennen abwarten und dann schauen, wie friedlich es ist! Ich möchte nicht ins Detail gehen..."

Frage: "Aber war das keine Ablenkung, als Sie sich einfach darauf konzentrieren wollten, Ihr Team zu betreiben?"
Kolles: "Nein, überhaupt nicht. Keine einzige Minute war dies eine Ablenkung, denn für mich war es klar, in welche Richtung es gehen wird. Die Treffen waren unterhaltsam, ich konnte ein paar Stunden entspannen!"

"Meiner Meinung nach gab es definitiv eine Bewegung in die richtige Richtung, aber wir werden sehen, wie das Ergebnis aussehen wird, denn das wissen wir im Moment nicht. Ich kann Ihnen das vielleicht nach einem Jahr sagen."

Spyker will die Belegschaft nicht stark vergrößern

Frage: "Kommen wir auf das Team zurück - welche Änderungen werden wir wahrscheinlich sehen - stellen Sie noch mehr Leute ein?"
Kolles: "Wir schauen uns definitiv nach ein paar weiteren Leuten um, aber wir haben eine sehr selektive Art, in der wir dies machen. Wir müssen uns einfach darauf konzentrieren, so effektiv wie möglich zu arbeiten."

"Ich denke, dass wir sowieso sehr effizient sind, aber wir müssen so weiter machen und uns sogar noch verbessern. Es wird keine große Aufstockung geben. Ich ziehe es vor, besser Qualität statt Quantität zu haben, aber ich weiß, dass andere anders denken. Soweit ich mich erinnere, gewann Williams den letzten WM-Titel 1997 mit rund 300 Leuten und nun sind dort mehr als 500. Das ist nicht zwangsläufig der richtige Weg."

Frage: "Welche weiteren Verbesserungen planen Sie über den Winter zu machen?"
Kolles: "Das Auto! Und wir verbessern den Windkanal. Er wird auf 50-Prozent erhöht, wir haben einen anderen Windkanal angemietet und wir schauen uns auch einen anderen Windkanal an. Unser Hauptaugenmerk liegt definitiv auf der aerodynamischen Entwicklung."

Keine Tests vor Weihnachten geplant

Frage: "Wie sieht der Testplan bis Weihnachten aus?"
Kolles: "Vor Weihnachten haben wir keine Pläne zu testen, wir entwickeln unser Auto in der Fabrik. Wir könnten einen Motor haben, das ist nicht unser Hauptproblem, aber es macht für uns keinen Sinn, ein Interimsauto zu haben. Wir ziehen es vor, alle Ressourcen in die Aerodynamik-Abteilung zu stecken. Und wir sind mit der Bridgestone-Reifen-Familie ganz vertraut. Wir würden es vorziehen, während der Saison eine Verbesserung zu haben als jetzt ein Interimsauto zu besitzen."

Name des neuen Autos steht noch nicht fest

Frage: "Wie wird das neue Auto heißen? Es wird natürlich nicht M17 heißen, die Spyker-Autos haben die Benennung D..."
Kolles: "Das ist noch nicht entschieden, aber wenn wir es präsentieren, werden wir es mit Sicherheit wissen. Aber es könnte in die von Ihnen genannte Richtung gehen. Mein Hauptproblem ist es, ein schnelleres Auto zu haben. Alle werden konkurrenzfähiger sein, das ist völlig klar. Aber wir müssen cool bleiben. Mein Hauptziel ist es, den Ingenieuren so viel wie möglich zu helfen, um das Auto zu verbessern."

Weihnachten? Welches Weihnachten?

Frage: "Es klingt so, als seien Sie voll beschäftigt. Werden Sie an Weihnachten ein paar Tage frei nehmen?"
Kolles: "Ich plane im Moment nichts, um ehrlich zu sein. Es macht für mich keinen Sinn, Ferien zu machen, wenn meine Hausaufgaben nicht gemacht sind. Du sitzt irgendwo in der Sonne oder im Schnee und dein Kopf ist komplett woanders. Also gibst du dein Geld für nichts aus..."

Frage: "Was sagt Ihre Familie dazu?"
Kolles: "Das ist ein anderes Thema. Aus diesem Grund versuche ich, meine Hausaufgaben rechtzeitig zu erledigen!"