• 26.09.2004 10:19

Chinesen schließen die Formel 1 ins Herz

Die Chinesen lernen die Formel 1 lieben, drücken Michael Schumacher die Daumen und wundern sich, dass VW nicht am Start ist

(Motorsport-Total.com/sid) - Sie kennen Michael Schumacher, lieben deutsche Autos und haben die teuerste Rennstrecke der Welt: Das Reich der Mitte steht Kopf, China hat sein Herz für die Formel 1 entdeckt. 150.000 Zuschauer kamen zur Premiere auf der gigantischen Anlage, die der Aachener Architekt Hermann Tilke für 300 Millionen Euro auf einer einstigen Sumpflandschaft bauen ließ. "Jetzt brauchen wir nur noch einen chinesischen Fahrer", meinte Formel-1-Boss Bernie Ecclestone, der mit den Gastgebern einen Vertrag über sieben Jahre bis 2010 abgeschlossen hat.

Titel-Bild zur News: Demonstration in Shanghai

1,3 Milliarden wohnen in China, die F1-Show war dementsprechend groß

Die Reisfelder auf dem Weg zur Strecke sind verschwunden, dafür gibt es nun vierspurige Autobahnen, auf denen sich fast rund um die Uhr ein Verkehrschaos abspielt. Von der Rennstrecke ins Zentrum der 20-Millionen-Einwohner-Metropole Shanghai sind es nur 40 Kilometer, doch die Fahrt kann vier Stunden dauern - Alltag in Shanghai. "Ich finde es gut, dass wir hier fahren, denn die Formel 1 ist ja eine Weltmeisterschaft", sagt Schumacher.#w1#

Bis zu 385 Euro mussten die Chinesen für ein Ticket bezahlen, das ist in manchen Gegenden des Landes mehr als ein Jahresverdienst. Auf dem Schwarzmarkt gingen Karten sogar für 1.000 US-Dollar weg. Laut einer Umfrage des Veranstalters kamen 30 Prozent der Zuschauer aus Shanghai, 55 Prozent aus anderen Teilen Chinas und 15 Prozent aus Übersee. Die Kapazität der Anlage beträgt zwar 200.000, doch aus Sicherheitsgründen wurden nur 150.000 Karten verkauft.

Bislang kommen auf jeweils tausend Chinesen nur 13 Autos, doch der Zuwachs der Zulassungen beträgt jährlich 12 Prozent. Nur wenige Kilometer außerhalb der Metropolen ist derzeit noch das Fahrrad das Fortbewegungsmittel Nummer eins, das wollen BMW und Mercedes ändern. Die Formel 1 in China - das ist Werbung, kein Motorsport. Denn der Automarkt im Reich der Mitte ist der viertgrößte der Welt. Mercedes wird ab 2005 Limousinen der C- und E-Klasse in China fertigen.

Schon am Flughafen Pudong, 50 Kilometer vom Zentrum Shanghais entfernt, ist die Magie der Motoren allgegenwärtig. Plakate, Werbung, Fotos und einige nette Geschenke - die Sponsoren der Teams haben im Vorfeld ganze Arbeit geleistet und die kommunistische Volksrepublik auf das Milliardengeschäft Formel 1 eingestimmt.

Dieser Aufwand ist verständlich, denn China ist mit rund 1,3 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Erde.Und der Verkehr steht längst vor dem Kollaps, wie Taxifahrer Mike Chen berichtet. Stolz erzählt er mit Händen und Füßen, dass er sich auf die Formel 1 vorbereitet und schon was von einem gewissen Michael Schumacher gehört habe. "Er ist der Beste, ein toller Kerl", sagt Chen, während er eine rote Ampel ignoriert und dann mit einem wilden Dauerhupen zwei Radfahrer erfolgreich in die Flucht schlägt.

Auch Hotel-Managerin Wang Tsu Chang ist bekennender Schumi-Fan: "Ich habe ihn schon im Fernsehen gesehen. Er ist ein netter und vor allem hübscher Mann." Dennoch will sie am Sonntag Schumacher nicht die Daumen drücken. Warum? "Hier fährt kein Mensch Ferrari." Aber Autos aus Deutschland hat sie bereits gesehen: "Einen Volkswagen haben viele von uns, die müssen gewinnen." Als sie hört, dass VW nicht am Start ist, sagt sie schmollend: "Dann ist das auch keine richtige Weltmeisterschaft."

Kioskbesitzer Han Wei Tsung, der seinen Stand schon seit rund 30 Jahren betreibt, lässt das Gastspiel der Formel 1 kalt. "Das brauchen wir hier nicht. Ich fahre Fahrrad, daran wird sich nichts ändern. Die wollen doch nur an unser Geld, dabei haben wir ohnehin schon zu viele Autos in der Stadt", sagt der 58-Jährige, und sein Nachbar stimmt zu: "Das ist alles Zirkus und hat nichts mit China und unseren Werten zu tun."