Chilton über "völligen Unsinn" und eine geheime Schwäche

Marussia-Pilot Max Chilton wehrt sich gegen den Vorwurf, nur durch das Geld seines Vaters in die Formel 1 gekommen zu sein und enthüllt, dass er Legastheniker ist

(Motorsport-Total.com) - Nachdem Marussia Ende 2012 die Beförderung des bisherigen Testfahrers Max Chilton zum Stammpiloten für die Saison 2013 bekanntgegeben hatte, wurden Stimmen laut, die dessen sportliche Eignung für die Formel 1 anzweifelten. Fahrerisch habe es bessere Alternativen gegeben, letztlich sei dem 22-Jährigen nur durch das Geld seines Vaters Grahame die Tür zur Formel 1 geöffnet worden, hieß es. Der ist Top-Manager des Versicherungskonzerns Aon und verfügt nach Schätzungen über ein Milliardenvermögen.

Titel-Bild zur News: Max Chilton

Max Chilton will auch als Formel-1-Fahrer ein Mensch wie du und ich bleiben Zoom

Auf den Vorwurf, Paydriver zu sein, reagiert Chilton junior mittlerweile jedoch gelassen. "Mit diesem negativen Image musste ich mich während meiner gesamten Karriere beschäftigen, daher bin ich es gewöhnt", sagt Chilton der britischen Tageszeitung 'The Telegraph'. "Manchmal sind die Leute kritisch und verwenden die Unterstützung durch meinen Vater gegen mich, aber letztendlich würde dich ein Formel-1-Team niemals verpflichten, wenn sie dir nicht zutrauen würden, dass du der Aufgabe gewachsen bist", argumentiert der junge Brite.

Die Vorhaltung, sein Vater habe ihm seinen Platz bei Marussia erkauft, ist für Chilton daher "völliger Unsinn", der ihn allerdings zusätzlich motiviere: "Es treibt mich höchstens an, noch besser zu sein. Ich bin ein Rennfahrer mit einem Team und Leuten, die an mich glauben." Der 22-Jährige bestreitet jedoch nicht, dass die finanzielle Unterstützung seines Vaters auf dem Weg in die Formel 1 hilfreich war. Dies sei jedoch nichts Ungewöhnliches.

Formel-1-Sposoren selbst gesucht

"Natürlich hätte ich ohne ihn nie ein gewisses Niveau erreicht, niemand in den Nachwuchskategorien könnte das ohne einen großen Sponsor", so Chilton. Die Formel 1 sei die einzige Ebene, bei der er keine Hilfe von seinem Vater haben wollte. So waren auch viele Beobachter überrascht, dass bei der Präsentation des MR02 das Aon-Logo, welches im vergangenen Jahr noch Chiltons GP2-Boliden zierte, nicht auf dem Auto zu sehen war.

Max Chilton

Das aon-Sponsoring nahm Max Chilton nicht in die Formel 1 mit Zoom

Die finanziellen Mittel für den Einstieg in die Formel 1, die bei einem Team wie Marussia Grundvoraussetzung sind, akquirierte Chilton persönlich bei insgesamt 13 Sponsoren aus der IT-Branche, die als Gegenleistung für ihr Engagement an zukünftigen Einnahmen des 22-Jährigen beteiligt werden. "Wir sagen immer, ich habe mein Bein verkauft", scherzt Chilton.

Bleibt die Frage nach seiner sportlichen Qualifikation. Immerhin wurde Chilton bei Marussia der Vorzug vor Luiz Razia gegeben; ein Pilot der in der vergangenen GP2-Saison auf den zweiten Gesamtrang gefahren war, während Chilton nur Vierter war. "Natürlich kann man auf die Ergebnisliste schauen und sagten der ist Nummer eins, der Nummer zwei. Aber so funktioniert es nicht immer", meint Chilton. Wer sich die Resultate genauer anschaue, würde erkennen, dass er in den Hauptrennen mehr Punkte als einige seiner Konkurrenten gesammelt habe.

Lieber ins Pub als in einen Club

"Wenn die Leute die Statistiken richtig lesen, sehen sie, dass ich einer der stärksten war", so Chilton. Marussia habe genau das gemacht. Dennoch hat Chilton Mitgefühl mit Razia, der nach dem Ausbleiben der Sponsorenzahlungen noch während der Wintertests von Marussia wieder vor die Tür gesetzt wurden. "Natürlich fühle ich mit Luiz. Es war sein Traum. Er hatte ihn wahr gemacht, und dann wurde er ihm wieder weggenommen", sagt Chilton.

Im Interview enthüllte Chilton zudem, dass er Legastheniker ist, also unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leide. Diese Schwachstelle habe er in seiner Schulzeit durch gute Leistungen in anderen Gebieten jedoch ausgeglichen: "Ich war in der Schule immer in Fächern gut, in denen man kreativ sein konnte, wie Design-Technologie." Stolz ist Chilton darauf, dass er es trotz dieser Schwäche in die Formel 1 geschafft habe. "Es ist gut zu sehen, dass ich es so weit gebracht habe, obwohl ich Legastheniker bin."

"Es ist gut zu sehen, dass ich es so weit gebracht habe, obwohl ich Legastheniker bin." Max Chilton

Obwohl er nun als Formel-1-Pilot viele Privilegien genießt und zumindest in Großbritannien schon einen Prominenten-Status hat, will Chilton bodenständig bleiben: "Ich würde lieber in eine Eck-Kneipe gehen als in einen exotischen Club. Es ist schön, wenn man zwischendurch abschalten kann", sagt er. Ruhm würde manche Menschen beeinflussen, nicht immer zum besseren. "Ich werde auf dem Boden bleiben. Ich bin Sportler, und darüber mache ich mir Gedanken", verspricht Chilton.